Hier noch einige einfache Bemerkungen zum Thema Antisemitismus. Der uralte und hartnäckige Judenhass der Nazis von gestern und heute ist mir zu blöd, um ihm mehr als diesen einen Satz zu widmen. Viel interessanter finde ich etwas anderes: Es hat sich – warum auch immer – in Deutschland eingebürgert, dass eine pro-jüdische Haltung eher als konservativ gilt, während man links die Palästinenser lieber hat. Das scheint mir auch der simple Hintergrund der WDR-Groteske um Joachim Schröders und Sophie Hafners Film über den Antisemitismus zu sein.
Diese merkwürdige Links-Rechts-Verteilung begann schon früh in der Geschichte der Bundesrepublik, als der konservative Axel Springer seine Zeitungen ganz ausdrücklich, sozusagen als Staatsraison, auf eine Versöhnung mit den Juden und auf eine Solidarität mit Israel eingeschworen hat. Und sie findet ihre aktuelle Fortsetzung darin, dass das Herz des heutigen "Spiegel"-Miteigners Jakob Augstein deutlich stärker für die Palästinenser schlägt. So bewegt sich auch die Berichterstattung in den Medien über die WDR-Groteske ziemlich genau entlang dieser Schiene.
Es gibt natürlich etliche Ausnahmen zu dieser Regel. Eine war der Sozialdemokrat Johannes Rau, ein großer und dort geradezu geliebter Israelfreund. Und weil er das unbestritten war, fühlte er sich zu Recht frei, auch die Probleme der Palästinenser so ernst zu nehmen, wie es sich gehört. Das brachte ihm auch dort viel Freundschaft ein. Rau gehörte zu den wenigen, die sich auf diesem ideologisch verminten Gelände sicher und unverdächtig bewegten. Dafür wurde er auf beiden Seiten geachtet.
Schade, dass es nicht mehr Johannes Raus gibt. Zwar hat Angela Merkel erst dieser Tage wieder beteuert, dass die staatliche Unversehrtheit Israels deutsche Staatsraison ist. Eine andere Haltung kann es für ein Land, das die historische Last des Holocausts mit sich herumschleppt, auch gar nicht geben. Aber unterhalb dieser offiziellen Klarheit gibt es diese merkwürdige linke Besessenheit, den Israelis keinerlei Fehler zu verzeihen, während man den Palästinensern nahezu alles durchgehen lässt.
Ein klassischer linker Affekt
Hier handelt es sich um einen klassischen linken Affekt. Denn die Palästinenser geben sich als die armen Unterdrückten, was Israel dann vollautomatisch zum Unterdrücker macht. Ja, da muss man sich doch einfach hinlegen. Ja, da kann man doch nicht kalt und herzlos sein, um einen literarisch herausragenden Linken zu zitieren.
Dass Israel von den Nachbarn in seiner staatlichen Existenz bedroht wird, und dass das Land die einzige westlich gesonnene Demokratie und der einzig erfolgreiche und lebenswerte Staat in der Region ist, spielt dabei keine Rolle. Im Gegenteil: Man kann Israel diesen in einem extrem schwierigen politischen Umfeld erzielten Erfolg offenbar nicht verzeihen. Lieber verzeiht man Messer schwingenden Palästinensern ihre „Notwehr“.
Das alles ist noch kein Antisemitismus, aber so öffnet man Tore, durch die üblere Gestalten dankbar hindurch marschieren. Die permanenten, fast manischen Israel-Kritiker führen zu ihrer Rechtfertigung den feinen Unterschied zwischen Antisemitismus und Antizionismus an. Mir fehlt diese Gabe der Spitzfindigkeit. Für mich sind Antisemitismus und Antizionismus Zwillinge, von mir aus nicht eineiige sondern zweieiige. Aber das ist es auch schon. Außerdem verstehe ich nicht, wie man es in Ordnung finden kann, den Staat Israel mit deutscher Vehemenz zum Paria zu machen. Die deutsche Geschichte verbietet schlicht und einfach, sich unter die lautstärksten und nimmermüden Israel-Kritiker zu begeben. Von denen gibt es wahrhaftig genug. Ja, ja, man darf Israel kritisieren. Aber es ist peinlich und verdächtig, wenn das Israel-Bashing die Form eines liebevoll gepflegten Hobbys annimmt.
Kuriose ideologische Zwickmühle
Und jetzt noch ein Wort zum bekanntlich wachsenden Judenhass vieler Moslems auch in unserem Land. Warum geht man gegen diese Judenhasser so zaghaft vor? Meine Vermutung: Auch da hat man sich wieder eine kuriose ideologische Zwickmühle gebaut. Als Linker möchte man auf keinen Fall wie ein Fremdenfeind dastehen. Also lässt man fremde Fanatiker im Zweifel gewähren. Dass man damit die anderen Fremden israelischer Herkunft dem moslemischen Hass ausliefert, ist ein Kollateral-Schaden, den man in Kauf nimmt.
So verspielen wir einen der größten Erfolge der deutschen Nachkriegsgeschichte. Nämlich dass das Land der einstigen Judenmörder von immer mehr Juden als sichere und attraktive Heimat gewählt wird. Man muss wohl sagen: gewählt wurde. Die ersten Juden zieht es wieder zurück in ihr unsicheres Israel, weil wir aus verquerer Betulichkeit unser Land stellenweise wieder zu einem gefährlichen Ort für Juden werden lassen. Auch diese verquere Betulichkeit ist eher links zu verorten als in konservativen Kreisen, wo man bereit ist, energischer gegen junge Hassprediger durchzugreifen.
Kurz und gut: Gefangen in diesem kuriosen Denkschema hat sich der WDR in eine Verrenkung hineingeturnt, aus der er sich ohne die Hilfe eines Physiotherapeuten wohl kaum mehr befreien kann.