Ulrike Stockmann / 02.06.2021 / 15:30 / Foto: Achgut.com / 75 / Seite ausdrucken

Juden in Neukölln attackiert? Selbst schuld!

Ich muss sagen, dass die Lektüre des Tagesspiegels immer lehrreicher wird. Gestern wurde dort ein Artikel mit dem Titel „Mit Davidstern in der Palästinenser-Demo: Nicht alles, was erlaubt ist, ist auch klug“ veröffentlicht.

Hintergrund war eine Attacke auf drei scheinbar jüdische Berliner, zwei davon mit Davidstern um den Hals, die am 15. Mai in eine Palästinenser-Demo in Berlin-Neukölln gerieten – und von den Demonstranten „umringt und beschimpft“ wurden. Einer von ihnen wurde körperlich attackiert.

Als die Polizei später die Anzeige der drei Betroffenen aufnahm, wurden sie ermahnt „bei einer Demonstration von Palästinensern auf jüdische Symbole zu verzichten“.

Der Tagesspiegel ergänzt:

In einer realen Welt sollten die Menschen für die Werte der idealen Welt eintreten und kämpfen. Sie sollten aber auch „common sense“ besitzen, Realitätsbewusstsein. Sie sollten eine Situation bewerten und verstehen können. Sie sollten unterscheiden können zwischen erlaubten und klugen Handlungen. Rechtmäßiges und Gebotenes sind nicht immer deckungsgleich.“

Eine sehr irritierende Bemerkung angesichts der Bedrohung von Juden in Deutschland, um das Mindeste zu sagen. Gerade vonseiten eines Blattes, das tut, als hätte es die Diversity gepachtet. Immerhin müssen wir uns langsam nichts mehr vormachen: Der Bezirk Neukölln ist wohl generell mit Vorsicht zu genießen, auch wenn man nicht jüdisch ist. Ich grusle mich regelmäßig, wenn ich dort des Nachts allein unterwegs bin. Jetzt weiß ich: Ich sollte klug genug sein, dort gar nicht erst hinzugehen. Auch der Tagesspiegel erklärt gleich im ersten Absatz, dass eine „No-go-Area“ schließlich ein Gebiet bezeichnet, aus dem sich „der Staat zurückgezogen (hat). Er verzichtet auf sein Gewaltmonopol und duldet Kräfte, die er nicht kontrollieren kann oder will.“

Hoffentlich steht das auch bald in sämtlichen Reiseführern und Blogs, die Neukölln als alternatives Hipster-Viertel preisen und nichtsahnende Touristen in die Irre führen. Sie könnten schließlich aus Israel kommen.

Foto: Ulrike Stockmann

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Rudolf Dietze / 02.06.2021

Ich möchte die Feministen hören, wenn die Zeitung nach einer Vergewaltigung, von dummen Weibern in kurzen Röcken und tiefem Ausschnitt schrieben, die selber Schuld sind. Es ist zum Fremdschämen. Strafe in Deutschland? Hmh.

armin_ulrich / 02.06.2021

Tatsächlich fiel mir der Artikel gestern abend schon auf, und es ist die Oberlehrer*Innenhafte Ton Herrn Lehmings, der einen wieder ärgert: “Im Bikini durch Mea Shearim? “Und wer käme im Nahen Osten auf den Gedanken, an Yom Kippur im Bikini durch den überwiegend von ultraorthodoxen Juden bewohnten Jerusalemer Stadtteil Mea Shearim zu spazieren?” - Sie nicht Herr Lehming.

FriedrichLuft / 02.06.2021

Ich wollte den Autor Malte Lehming im Leserforum auffordern, sich zu schämen. Der Satz kam leider nicht durch die Tagesspiegel-Zensur. Armselig!

Helmut Kassner / 02.06.2021

Das Positive zuerst; es ist also erlaubt, dass man jüdische Symbole trägt.  Also kann es ja garnicht so schlimm sein in Deutschland. Wenn es dann doch Gebeite in Deutschland geben sollte wo das nicht erwünscht ist, dann sollten die Behörden entsprechende Dokumentationen veröffentlichen, damit man sich danach richten kann. Schön, wenn diese Hinweise alle nicht erwünschten Symbole mit den entsprechenden Orten bekannt geben würden. Da weiß dann jeder Mensch was er wo zeigen kann.

Jakob Mendel / 02.06.2021

Nach meiner Beobachtung hat man in Israel mit einer deutschen Fahne weniger Ärger als in Deutschland mit einer israelischen. Muß ich das weiter kommentieren?! – Was bringt der “Tagesspiegel” nach der nächsten “Provokation”? Vielleicht ein Foto à la “Ich werde mich nie mehr bei der Polizei beschweren”? Google liefert das Foto; das Bundesarchiv und die Bundeszentrale für politische Bildung geben die Entstehungsgeschichte an.

R. Tesse / 02.06.2021

Sehr geehrte Frau Stockmann, volle Zustimmung. Immer bestens Bescheid wissend und dabei ‘‘kalt wie Hundeschnautze’‘, der Kommentator. Ein Beispiel für die Verabscheuungswürdigkeit eines ‘‘Journalismus und der intellektuelle[n]  Korruption, die von ihm ausgeht,’’ K. Kraus hätte noch ‘‘moralische’’ hinzufügen können. PS 1 Mitunter gruselt’s mich bereits tagsüber, so dass ich beim täglichen Einkauf nahe Rathaus Nk. meine Umgebung als mittlerweile awM scanne , obwohl ich nicht gerade klein bin und ca. 100kg wiege. PS 2 Einer ‘‘Besserwisserei’’ möchte ich noch frönen: Sie schreiben ‘’... drei scheinbar jüdische ...’’ Es muß hier ‘‘anscheinend’’ heißen. Mit freundlichen Grüßen R.Tesse

Jörg Themlitz / 02.06.2021

@Dirk Jungnickel: Was mich erstaunt, ein derartiger Kotau der Christen scheint nicht neu zu sein. (Ich selbst kann bzw. will es jetzt nicht nachprüfen.) Wilhelm Busch, der von Max und Moritz, erwähnt in einem Brief, dass ein Kreuz in einer Kirche in Antwerpen abgehangen wurde, weil ein Türke zu Besuch kam. Muss etwa so um 1873 gewesen sein. Die Religion der Nächstenliebe mag dafür Gründe liefern können. Solch ein Handeln ist aber idiotisch, da diese Gründe von der anderen Seite selbstverständlich als Kotau angesehen werden.

Karl Vogel / 02.06.2021

Die Einschätzung des Tagesspiegels lautet also: Es ist geboten, sich unter gewissen Umständen und in gewissen Stadtteilen der deutschen Hauptstadt nicht als Jude zu erkennen zu geben, denn die Realität ist, dass dort der deutsche Staat dann die Sicherheit nicht mehr garantieren kann, vielmehr ist es erwartbar und wahrscheinlich, dass der Jude angegriffen und drangsaliert wird. Und offenbar schätzt der Tagesspiegel die dortige Realität als so gefestigt antisemitisch und intolerant ein, dass es realitätsfern ist, dagegen aufzutreten, wer es trotzdem tut: selbst schuld. Denn es ist doch klar wie die ad-hoc-Aushandlung des Zusammenlebens dann ausgehen wird: so ähnlich wie sie auf dem Tahir-Platz ausgehen würde. Sicherlich hat der ortskundige Tagesspiegel völlig recht mit dieser Einschätzung, sie ist realistisch. Selbstverständlich muss diese Realität für jeden Deutschen absolut inakzeptabel sein. Und es ist zu fragen: Wie konnte es (wieder) so weit kommen? Meine These: Es waren die Prediger*innen der multikulturellen bunten Diversität, die den Import einer gewissen bornierten, intoleranten und gewaltaffinen Weltanschauung bejubelt und befördert haben. Nu sind sie halt da. Für den Tagesspiegel wäre die Welt wieder in Ordnung, wenn der Jude sich versteckt und leise und unauffällig an diesen Leuten vorbei huscht. Anderer Vorschlag: Wer sich als mit unserer freiheitlichen Grundordnung inkompatibel erwiesen hat, kann hier nicht bleiben und muss wieder dahin wo er hergekommen ist. Und wir müssen mal hinsehen, wer da so kommt.

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