Henryk M. Broder / 03.09.2018 / 15:00 / Foto: Infrogmation / 56 / Seite ausdrucken

Journalismus als Leichenfledderei und andere Kleinigkeiten

Dass die Tagesschau und die Tagesthemen, heute und das heute journal manipulativ und selektiv berichten, ist keine bahnbrechende Erkenntnis. Erstaunlich ist nur, mit was für einen fröhlichen Schamlosigkeit sie es machen, im festen Vertrauen darauf, dass sie die Zuschauer lange genug verblödet haben und diese nicht merken, was ihnen das Tag für Tag vorgesetzt wird.

Nehmen wir zum Beispiel das heute journal von gestern mit Marietta Slomka. Im ersten Beitrag ging es um "die Lehren aus Chemnitz", im zweiten um die Frage "Wer war Daniel H.?", der Chemnitzer, der vor einer Woche erstochen wurde. Diesen Beitrag leitete Marietta Slomka mit den Worten ein: "Am Anfang stand der gewaltsame Tod eines jungen Mannes, der dann auch mit Hilfe von gezielt gestreuten Gerüchten politisch instrumentalisiert wurde. Um das Opfer selbst ging es dann längst nicht mehr. Wer Daniel H. war, interessierte die meisten gar nicht, sonst hätte zumindest der rechtsradikalen Szene auffallen müssen, wie denkbar schlecht er sich für die Rolle ihres Helden eignet. Der hatte "mit Rechtsradikalen nichts am Hut", mehr noch, als "Deutsch-Kubaner mit dunklerer Hautfarbe wäre er zudem selbst gefährdet gewesen bei den Ausschreitungen in Chemnitz, als Nazis Jagd auf ausländisch aussehende Bürger machten". Daniel H. "wäre entsetzt gewesen, über das, was sein Tod ausgelöst hat, das meinen jedenfalls Freunde und Angehörige...", die vom ZDF interviewt wurden. Hier ab 3:20.

Gewiss, nie würde jemand aus dem ZDF auf die Idee kommen, den gewaltsamen Tod eines jungen Mannes politisch zu instrumentalisieren. Auch für Marietta Slomka zählen nur Fakten. Und fakt ist, Daniel H. "wäre entsetzt gewesen, über das, was sein Tod ausgelöst hat". Woher will sie das wissen? Hat sie es geschafft, den Toten zu inerviewen? Nein, das meinen Freunde und Angehörige von Daniel H.

Winfried weiß, was Daniel nicht wollte

Da die Eltern von Daniel H. mit den Medien nicht reden wollen, nicht einmal mit dem ZDF, kommt ein Winfried F. zu Wort, ein echter Sachse, dessen Worte erst einmal ins Deutsche übersetzt werden müssen. Doch weil er nicht genau das sagt, was der Reporter hören will, hilft der ZDF-Mitarbeiter ein wenig nach. "Hätte er (Daniel H.) sich gewünscht, dass da jetzt Nazis auf der Straße marschieren?" – "Nee, gar nicht!", sagt Winfried F. Und das ist es dann. Ungesagt bleibt, ob Winfried F. ein Verwandter oder ein Freund von Daniel H. war oder ob er nur mal im selben Bus mit ihm gefahren ist.

Der nächste Zeuge ist ein "Freund von Daniel H.", der mit Daniel H. "seit Kindertagen" befreundet war. Er sagt, Daniel H. hätte es "nicht nachvollziehen können, wie so etwas instrumentalisiert wird, dieser Rassismus, dieser faschistische Blick auf Menschen, dieser ignorante, aggressive Blick..." Nach ein paar Szenen von einer AfD-Demo kommt der Freund von Daniel H. wieder ins Bild und sagt: "Ich würde mir wünschen, dass die Menschen das einfach als trauriges Schicksal anerkennen und nicht instrumentalisieren, weder von links noch von rechts, weil jede Art von Fanatismus hat Daniel abgelehnt."

Das ist alles, was aus der vollmundigen Ankünding von Frau Slomka, "Freunde und Angehörige von Daniel H." würden sich äußern, geworden ist. Bleibt nur die Frage, ob das ZDF irgendeinen Deppen, der den Mord an einem Flüchtling in die Kategorie "trauriges Schicksal" eingeordnet hätte, ebenfalls rumlabern lassen würde. – Das ist kein Journalismus, das ist Leichenfledderei. 

Die Tagesthemen entschuldigen sich

Eine halbe Stunde später stellen sich auch die Tagesthemen hinter die Demonstranten in Chemnitz, die nach einer "Gesprächskultur" suchen, "wo wir auch das Gespräch aushalten mit Menschen, die anders denken als wir", sagt ein Pfarrer. Und der amtierende Ministerpräsident bittet den Allmächtigen um Beistand. "Gott schütze diese wunderbare Stadt, alle Menschen, die hier leben und hier eine friedliche Heimat suchen." Wenn’s die Polizei nicht schafft, muss es der Herr richten. 

Richtig sensationell wird es gleich im Anschluss an den Bericht aus Chemnitz. Caren Miosga schaut noch düsterer drein als sonst und sagt vollkommen unvermittelt: "Bei der Berichterstattung über die Kundgebungen in Chemnitz in den Tagesthemen gestern haben wir irrtümlich auch Bilder von der Demonstration am vergangenen Montag verwendet, ohne dies kenntlich zu machen. Wir bitten dies zu entschuldigen und blicken jetzt nach Schweden", wo demnächst gewählt wird und die rechten "Schwedendemokraten" gute Chancen haben, zweitstärkste Partei zu werden, was die Tagesthemen natürlich nicht gut finden. Hier ab 3:03

Sensation! Die Tagesthemen entschuldigen sich. So etws kommt seltener als eine totale Mondfinsternis vor. Was hat die Redaktion dazu veranlasst? Und warum erfahren wir nicht, was auf den Bildern "von der Demonstration am vergangenen Montag" zu sehen war, die "versehentlich" am Samstag wieder gezeigt wurden? Waren es vielleicht die Hetzjagden "auf ausländisch aussehende Bürger", die Marietta Slomka im heute-journal erwähnt hatte? Wenn es das war, werden sich die Tagesthemen bald wieder entschuldigen müssen. Schauen Sie mal hier.

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Leserpost

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Alexander Mazurek / 03.09.2018

Nun, nichts Neues unter der Sonne, siehe das Propagandamodell von Noam Chomsky von 1988 mit seinen “Filtern” und die Rede von John Swinton aus dem Jahr 1883: “So etwas wie eine unabhängige Presse gibt es [...] nicht […].  Ihr seid alle Sklaven. Ihr wisst es und ich weiß es. Nicht ein einziger von euch wagt es, eine ehrliche Meinung auszudrücken.[...] Was für ein Unsinn, einen Toast auf die ‚Unabhängigkeit der Presse‘ auszubringen! Wir sind Werkzeuge und Dienstleute reicher Männer hinter der Bühne. Wir sind Hampelmänner. Sie ziehen die Fäden und wir tanzen. Unsere Zeit, unsere Fähigkeiten, unser Leben, unsere Möglichkeiten sind alle das Eigentum anderer Menschen. Wir sind intellektuelle Prostituierte.” Das Problem des journalistischen, politischen aber auch “wissenschaftlichen” play-for-pay ist mit der Zeit, mit der galoppierenden Konzentration immer mehr Vermögens in immer weniger Händen schlimmer, weitflächiger, geworden. Nun, die “Pressefreiheit” und die “4. Macht im Staate” sind nur noch staatstragende Legenden.

Jutta Faerber / 03.09.2018

Ich las eben Kommentare zu einem Beitrag in der ‘Zeit’ “AKK kritisiert Steinmeiers Einladung von Feine Sahne Fischfilet”. Man vergewissert sich als links verorteter Gutmensch gegen Nazis, spielt die Texte von FSF herunter ( ist ja nur Musik, die stehen auf der richtigen Seite ) und feiert eine Party gegen Rechts und Hitlergruß. Der Linksextremismus beim G20 Gipfel Hamburg 2017 wurde in keinem Kommentar erwähnt. Hat einer der Kommentatoren die Ausgangssituation erwähnt? NEIN. Totentanz der ganz anderen Art.

André Fritsche / 03.09.2018

Das deutsche Volk ist offensichtlich so verblödet wie sie es mutmaßen HaJo Wolf. Oder es ist einfach zu faul nach unabhängigen Informationen zu suchen. Wenn aus Faulheit Blödheit wird, macht das die Sache leider nicht besser. Mit der Achse, TE, VL, ub, um nur einige zu nennen, haben wir alle die Möglichkeit uns neutral und nicht staatlich gelelenkt zu informieren. Die Staatsmedien werden von mir seit längerem ignoriert, da ich dieses Kampagnegeschwafel nicht mehr hören kann. Es langt völlig Auszüge aus deren Agitationsjournalismus in Berichten wie diesem zu erfahren. Dank an Herrn Broder, der, bevor mein Blutdruck kollabiert, so Gags wie ‘... ist er ein Verwandter oder Freund, oder ist er nur mal im selben Bus mit ihm gefahren‘ einstreut.

Andreas Rühl / 03.09.2018

Auch wenn es Ihr Beruf zu sein scheint, muss ich doch an dieser Stelle meine Bewunderung ausdrücken. Wie halten Sie das bloß aus? Ich habe - vor einigen Wochen - mehr oder weniger versehentlich (Fußballpause) das “heute-irgendwas” geschaut… Da biegen sich doch die Fußnägel ... Wenn ich nur dieses Gesicht der Frau Irgendwas sehe, die Augen, die wie einer Kuh an der Seite sitzen, oder das von diesem tranigen Schiefauge mit Dauerbefeuchtung, Name mir nicht bekannt…. Wie kann man, frage ich mich, derartige Gestalten vor eine Kamera stellen, um Propaganda zu betreiben? Das kann doch nicht gutgehen. Das glaubt doch kein Schwein, wer fällt denn auf so was rein? Eine Frechheit nicht nur, was und wie gesagt und berichtet wird. Die eigentliche Frechheit und Dreistigkeit scheint mir der Glaube zu sein, dass die Menschen das Gesülze dieser Gestalten nicht nur ertragen, sondern auch noch für wahr halten. Für das viele Geld erwarte ich eine Propaganda auf Top-Niveau und nicht solche halbseidenen Dilettanten, denen ich nicht mal ein Glas Wasser in der Wüste abkaufen würde. Und Sie tun sich diese Erbärmlichkeit offenbar Tag für Tag an. Chapeau!

Gabriele Schulze / 03.09.2018

Neuerdings ist das Hirn mehrere Stunden am Tag damit beschäftigt, Nachrichten nicht nur aufzunehmen, sondern sie auch noch anzuzweifeln und einzuordnen. Gott sei Dank gibt’s die Achse! Vielleicht können Drehbuchschreiber, die ja gern Dystopien entwerfen, mal ganz andere Verschwörungsszenarien entwerfen: Unterwanderung von Redaktionen durch NGOs, hard-core Imame, Antifanten, Antisemiten. K.O.-Tropfen für die Slomkas und Klebers dieser Hemisphäre….

Frank Volkmar / 03.09.2018

Danke auch für die anderen “Kleinigkeiten”. Sehr zutreffend beschrieben. Eine Kleinigkeit ist mir am letzten Sonntag früh beim DLF aufgefallen. Thema de Beitrags um ca. 07:40 : “Der NSU und das Staatsversagen. ” Die Moderatorin sprach von “Staatsversagen” und stellte die Frage “kann es eine helfende Hand gegeben haben ?” Zum Schluss des Interviews mit dem Publizisten Tanjev Schulz dann die Frage “geht es mit dem Staatsversagen weiter ?”. Man wundert sich nur noch was so an Fragen akzeptabel ist, wenn es in die richtige Richtung geht ! Die gleichen Fragen zur Flüchtlingspolitik gestellt, würden Empörung auslösen mit dem Vorwurf der Beihilfe zum Rechtspopulismus. Zusätzlich müsste man sich den Vorwurf der Beihilfe zur Zersetzung des Staates gefallen lassen Aber so ist das mit den ÖR !

Dr. Armin Schmid / 03.09.2018

Leider habe ich den gestrigen Auftritt von Slomka verpasst, da mein Masochismus meist nicht groß genug ist, um mir das Heute Journal anzutun. Ich werde das in der Mediathek nachholen. Die Wutbürger von Chemnitz kommen mir vor wie Absolventen der Wasserprobe. Geht die Hexe unter, ist sie tot. Geht die Hexe nicht unter, ist sie eine Wasserhexe und gehört verbrannt. Schuldig ist sie in jedem Fall. Wäre Daniel H. blond und blauäugig gewesen, hätte es geheißen: Einem dunkelhäutigen Opfer hättet ihr keine Träne nachgeweint. So aber heißt es: Ihr durftet doch so einem eigentlich gar nicht trauern. Und zur Instrumentalisierung, die Daniel H. “nach Zeugenaussagen” nicht gewollt hätte: Vielleicht liegt dem ZDF ja sogar eine beglaubigte Aussage des Inhalts vor: Wenn ich dereinst einmal von einem Schutzsuchenden erstochen werde, untersage ich jede politische Instrumentalisierung?

Martin Landvoigt / 03.09.2018

Stellen wir uns vor dass der ermordete Daniel H. nicht nur einen dunklen Teint hatte (das gibt es auch bei der AfD) sondern eher der Antifa nahe stand (was ich ihm aber nicht unterstelle). Wäre es dann nicht mehr gut, um sich gegen seinen Mord aufzulehnen? Sollte man sich dann nicht zu einem Schweigemarsch auftun, um seiner zu gedenken? Auch Curio hatte ausdrücklich im Bundestag begrüßt, dass er aus türkischer Haft entlassen wurde, auch wenn er die Art seiner schreibenden Tätigkeit scharf kritisierte. Man wünscht doch auch dem politischen Gegner kein Übel an den Hals. Marietta Slomka aber unterstellt den Demonstrierenden, dass dies einen Unterschied machen würde. Wie kommt sie darauf? Ist es das was sie bewegt, wenn sie von dem Mord eines politischen Gegners erfährt? Klammheimliche Freude vielleicht? Wenn ich Opfer eines Verbrechens werden sollte, wäre ich für die Anteilnahme aller dankbar, auch wenn ich politisch anderer Ansicht als jene bin.

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