John Lennon und der Great Reset

1971 war nicht nur das Jahr, in dem John Lennons berühmter Song „Imagine“ erschien, sondern auch das Jahr der Gründung des Weltwirtschaftsforums (WEF) – damals noch unter der unverfänglicheren Bezeichnung European Management Forum.

Für Schwab ein Anfang, für Lennon ein Höhepunkt. Beide, das Lied und das WEF, stehen heute für globale Visionen, die die gesamte Menschheit erfassen sollen. Hier ein Auszug aus John Lennons Text:

Imagine all the people
[…]
A brotherhood of man
[…]
And the world will be as one
(„Stell dir alle Menschen / Als eine Bruderschaft vor /
 Und die Welt wird eins sein“)

Selbstverständlich jenseits von nationalen oder Glaubensunterschieden (siehe auch dieser Beitrag von Kenneth Anders).

Imagine there's no countries
[…]
And no religion too
(„Stelle dir vor, es gäbe keine Länder / Und keine Religion“)

Überall auf der Welt soll das Gleiche gelten. Traditionen, Verwurzelungen, Eigenheiten, Vielfalt und Dezentralität kommen weder in Davos vor noch in diesem Werk des Globalisten Lennon. Das Alte muss überwunden werden – zunächst in der Fantasie –, ein Neustart steht an. Wie soll er aussehen?

„Digitalisierung ohne Eigentum“

Imagine no possessions
I wonder if you can
No need for greed or hunger
(Stell dir vor, es gäbe keinen Besitz mehr / Ich frage mich, ob du das kannst / Kein Grund mehr für Gier oder Hunger“)

Mit anderen Worten: „You’ll own nothing. And you’ll be happy.“ Ein nur scheinbar „bedingungsloses Grundeinkommen“ macht dann alle gleich – außer die Gleicheren natürlich.

Imagine all the people
Sharing all the world
(„Stell dir vor, dass sich alle Menschen / Die ganze Welt teilen“)

Der Lennon-hörende und -hörige Hippie näherte sich diesem Ideal in Wohngemeinschaften, wo alle alles an irdischem Besitz teilen sollten, auch die Sexualpartner. Heute leben wir in der „Digitalisierung ohne Eigentum“, einer Sharing Economy auf Mietbasis: Spotify statt Plattensammlung, geleastes, statt gekauftes Auto, Online-Abo statt gedruckter Zeitung.

In der 68er-WG war idealerweise noch die bürgerliche Klotür ausgehängt. „I […] have no privacy, and life has never been better“, so eine vom WEF veröffentlichte Vision für 2030.

„Nichts, wofür man töten oder sterben würde“

Utopien kennen meist einen paradiesischen Endzustand.

Nothing to kill or die for („Nichts, wofür man töten oder sterben würde“)

Eine Textzeile, die Gunnar Kaiser kürzlich aufgriff, als er sich fragte, warum die heutige Gesellschaft so „kaputt“ ist:

„Es ist grauenvoll, diese Hoffnungslosigkeit all dieser Menschen. Wofür noch kämpfen? Wofür überhaupt noch leben? Wofür irgendetwas erhalten wollen aus dieser Welt? Wofür es bewahren und weitergeben – und an wen? Und frühere Idole sind längst wie Götzenbilder zertrümmert. Nur einige wenige erkennen sie noch inmitten der Ruinen: die Familie, Kinder bekommen, lieben, mitfühlen, heiter sein, schöpferisch sein, sich selbst bilden, diese altbackenen Angelegenheiten einer längst vergessenen Welt. Und jetzt – gibt es keine Kraft mehr, keine Liebe, keine echte Kultur, auch keinen Rausch und keine Extase, keinen Glauben mehr an etwas Höheres, nothing to kill or die for.“

Zu den Zertrümmerern gehören auch manche, die früher zu Lennon-Klängen von der (für wen?) besseren Welt geträumt haben.

Stäbchen in der Nase und Spritzen im Arm

You may say I'm a dreamer
But I'm not the only one
I hope someday you'll join us
(„Du magst mich einen Träumer nennen / Aber ich bin nicht der einzige / Ich hoffe, dass du dich uns eines Tages anschließen wirst“)

Hat Schwab so bei den Konzernen für die – nicht ganz billige – WEF-Mitgliedschaft geworben? Und was soll mit jenen geschehen, denen es so gar nicht nach entsprechenden Träumen gelüstet?

Musikjournalist Robert Chrisgau attestierte „Imagine“, unter anderem von Herbert Marcuse inspiriert gewesen zu sein. Marcuse, ein Säulenheiliger der 68er, hatte sich damals für „Intoleranz gegenüber Bewegungen von rechts […] und Duldung von Bewegungen von links“ ausgesprochen. Eine praktische Maxime, da wir es hier mit immer dehnbareren, geradezu inflationären Begriffen zu tun haben. Eine „extreme Aufhebung des Rechts der freien Rede und freien Versammlung“ sah Marcuse unter anderem für Menschen vor, die „sich der Ausweitung […] medizinischer Fürsorge usw. widersetzen“. Dazu zählen gewiss auch Stäbchen in der Nase und Spritzen im Arm. Dieser Teil des 68er-Erbes zeigt sich heute nicht nur in Person von Antifa-Gegendemonstranten, die „Wir impfen euch alle!“ skandieren, sondern auch in Verordnungen, die das Demonstrationsrecht in Ketten gelegt haben.

1971 war übrigens das Jahr, in dem die Weltbevölkerung am stärksten wuchs, und die deutsche Übersetzung des Buches „Die Bevölkerungsbombe“ erschien. Autor Paul R. Ehrlich (nicht identisch mit dem Namensgeber eines umstrittenen deutschen Instituts) beklagte in seinem einflussreichen Werk, dass es zu viele Menschen gebe für die Ressourcen auf der Erde. Im Folgejahr kamen die „Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome, eines exklusiven Zirkels von Einflussreichen, auf den Markt, dem zufolge die Ressourcen (zum Beispiel das aktuell vieldiskutierte Erdgas) bald zur Neige gehen. Das erwies sich als so zutreffend wie die üblichen Weltuntergangs-Prognosen.

Massenwohlstand als Übel betrachten

Dieses (neo)malthusianische Überbevölkerungs- und Knappheitsdenken ist durch den gleichermaßen enormen Menschen- wie Wohlstandszuwachs auf diesem Planeten seit Malthus‘ Tagen krachend widerlegt. Früher wandte sich Linksaußen mit Verve gegen die „reaktionäre und feige Theorie“ (Lenin) des „Pfaffen und Pfründners Malthus“ (Marx). Seit den Zeiten, in denen Marx und Lenin durch Marcuse und Lennon ersetzt wurden, gilt es aber als besonders links, die Masse Mensch und vor allem den Massenwohlstand als Übel zu betrachten. Kein Aufbegehren der Studentenbewegungs-„Geisteselite“ gegen die elitäre Wachstumskritik. Aus Ressourcenmangel-Modellen wurden High-Tech-Klimawandel-Modelle, aus studentischen Bürgerkindern Fridays-For-Future-Schüler, die von ihren Eltern in dicken Autos zur Freitagsdemo gefahren werden, wo sie das Nachplappern der in Regierungen, Mainstream-Medien und globalistischen Kreisen vorherrschenden Narrative als „Protest“ zelebrieren.

Und aus der neuen Linken wurde nicht zuletzt die grüne Partei, die sich besonders dabei hervorgetan hat, die Öko-Apokalyptik in den Institutionen zu verbreiten. Mit „Young Global Leader“ Annalena Baerbock als Schwab-Elevin beim WEF schließt sich ein Kreis. Die Revolution von oben befördert ihre Kinder. Baerbocks Partei agiert als „Vasall einer korporatistischen Elite“, wie Tom Regenauer im Rubikon schreibt. Wenn selbiger Autor im gleichen Magazin aber vermutet, die US-Regierung habe 1980 John Lennon ermorden lassen wegen „seiner Fähigkeit […], die Massen gegen das herrschende System aufzubringen“, so sind doch erhebliche Zweifel angebracht. Mit weit größerer Wahrscheinlichkeit hätte er im Falle seines Fortlebens Öko-Kitsch gesungen wie sein Sohn Julian und wäre Goodwill-Botschafter bei irgendeiner UN-Organisation geworden.

Hippie-Visionen und der sich anbahnende „Milliardärssozialismus“ (David Engels) beziehungsweise „oligarchische Sozialismus“ (Joel Kotkin) im Great Reset von Gates, Schwab & Co. sind zwei Seiten derselben Medaille. Nein, höre ich da die Ökoromantikerin aufschreien, wir wollen doch gar keine konzernkontrollierten Megacitys, sondern lokale Selbstversorger-Kommunen! Tja, Zauberlehrling, wundere dich nicht, wenn sich am Ende die weniger weltfremde Dystopie durchsetzt. And be careful what you imagine.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Novo-Argumente.

Foto: Jack Mitchell CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Uwe Schäfer / 29.11.2022

Herr Lennon und seine, ihm die Denkmuster vorschreibende Olle, waren damals schon völlig wohlstandsverblödet und abgehoben, außerstande sich in das normale Leben des kleinen Arbeiters/Angestellten hineinzuversetzen und sein lebenslanges Abstrampeln für ein kleines bisschen Glück und Wohlstand anzuerkennen.

jan blank / 29.11.2022

Die Parallelen zum Ende des ancien regime in Frankreich des Jahres 1789 sind doch zu offensichtlich. John Lennon als moderner König eines Pop-Adels, größte Band des Planeten gehabt, alle Drogen gehabt, Groupies ohne Ende, Geld wie Heu. Da erging und ergeht man sich gern an hold naiven Schäferspielchen und pflegt den Traum vom einfachen Leben, kein Besitz, keine Religionen, pipapo blabla. Als die Beatles noch Dreck in Hamburg fraßen, waren sie allesamt genial. Der späte John Lennon ging mit seinem Innerlichkeitsgetue und seinem zeitgeistigen Friedensgeflöte jedem tatsächlichen Rockn Roller nur noch auf die Nerven. Im Grunde lieferte er durch seine Liason mit Yoko Ono ein Musterbeispiel dafür, was von der kreativ fröhlichen Rockeraggression( aggression von aggredere lat. vorangehen)  übrig bleibt, wenn man sich mit modernen, klugen, gebildeten Frauen zusammentut.  Genau diese naive optimistische Fröhlichkeit haben die Beatles in den Sechzigern verkörpert. Ein Aufbruchsjahrzehnt, wie es nie wieder kommen wird. Heute wird der Zeitgeist von schmallippigen kleinen Mädchen repräsentiert, die ungestraft ins Mikro zischen: I want you to panic! Und alles kuscht. Leider muss sich John Lennon hier posthum den Vorwurf machen lassen, dass er durch Ranschmeißereien wie “Woman is the nigger oft the world” den Boden dafür bereitet hat. Und Hajo Schumacher sitzt im stahlblauen Maßanzug in der Talkshow und möchte jetzt credits dafür, wenn er sein eigenes früheres, höchst fleissiges “Stechertum”  selbst anklagt. Was für winselnde Zeiten! Demnächst wird wahrscheinlich auch der ungekrönte König des Dreitastenflügels, Dieter Bohlen noch Achtsamkeitsseminare abhalten…....

Gerard Doering / 29.11.2022

Wenn Lennon nicht ermordet worden wäre? Vielleicht hätte er auch wieder gemeinsam mit Paul McCartney ein paar Hits herausgebracht. Damals hieß es gegen die aktuelle Ungerechtigkeit zu schreiben und sogar George Harrison sang über den jungen Staat Bangladesch. McCartney dann über die Freiheit die man Irland zurückgeben sollte. Heute so glaube hätten Lennon und McCartney eventuell einen Doppelwumms veranstaltet. In Gedanken höre ich zum Beispiel einen Titel der sich für die Befreiung Deutschlands einsetzt und den Namen trägt gebt Deutschland den Deutschen zurück. Es kann leider nur ein Traum bleiben.

Lars Bäcker / 29.11.2022

Mir war der Typ schon immer suspekt. Es würde mich jedoch brennend interessieren, wie er zu der Welt von heute stünde…

Werner Arning / 29.11.2022

Groß- und Monokapitalisten haben sehr schnell erkannt, welches Potential in der Öko- und Sozialromantik steckt. Sehr früh schon haben sie diese nicht mehr als Gegensatz zu sich und als Feind betrachtet, sondern haben sie sich, wie sich das für einen guten Kaufmann gehört, nutzbar gemacht. In ihrem Auftrag übernahmen fortan die Propagandisten die Kontrolle. Die Werte der Öko- und Sozialromantiker passen perfekt zu den „Werten“ des Monokapitalisten. Eine Welt, ein Kommerz. Gleiches Denken, gleiches Wünschen, gleiches Fühlen. Regionale Unterschiede brauchen nicht mehr berücksichtigt zu werden. Nationale und kulturelle Widerstände werden überwunden. Der Staat als Helfer und Erfüllungsgehilfe des Monokapitalisten. Sogenannte Ökos und sogenannte Sozialisten als Speerspitze des ultimativen Kapitalismus. Als Totengräber der Freiheit und des Individuums. Schon sind die entsandten Politiker und Journalisten in entscheidenden Positionen installiert. Das Projekt ist längst gestartet. Die gleichzeitige Indoktrination, vor allem der Kinder, sie läuft. Die Kontrolle muss total sein, damit nichts schief geht. Die Umwälzung findet im Namen der Humanität und der Weltrettung statt. Der derzeitige Krieg passt ins Konzept. Jetzt kann man sich alles mögliche imaginieren. Aber das meintest du doch nicht, John, oder?

Frank Bitterhof / 29.11.2022

Der Klaus Schwab (WEF) zugeschriebene Satz „Du wirst nichts besitzen. Und Du wirst glücklich sein“ dürfte spätestens angesichts der Proteste in China ad absurdum geführt worden sein. Und dass überhaupt ein Europäer wie Herr Schwab das chinesische System lobt, kann schlussendlich nur Anlass zu größter Sorge sein.

Sam Lowry / 29.11.2022

Danke, dass hier der liebe Gunnar Kaiser erwähnt wird.

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