Ich finde die Beiträge von Dushan Wegner regelmäßig interessant, meist originell und zudem auf einer ähnlichen politischen Wellenlänge wie der meinen. Den Beitrag zu Katz-und-Maus-Spielen einerseits und fragwürdigen, gesundheitlich beeinträchtigten Spitzenfunktionären der US-Demokraten „Joe Biden – Teil eines zynischen Spiels?" fand ich aber eher verwirrend.
Die peinlichen Vorgänge rund um Spitzenkandidat Joe Biden, bei Nancy Pelosi, der vorläufig mächtigsten Amtsinhaberin der Demokraten, und Ex-Kandidatin Hillary Clinton – das ist von Dushan Wegner schön ausgeführt. Aber als Erklärung wird dann angeboten das angeblich erkennbare „Muster“ von Katz-und-Maus-Spielen, anhand dessen die ganz große Politik in Amerika wie in Deutschland auszudeuten sei. Da gibt es die übergeordnete Macht, repräsentiert durch die Katze; es gibt die Maus bzw. die Mäuse insgesamt, mit denen die Katze nach Belieben spielt und die sie vertilgt, und das sind so ungefähr wir alle, im Angesicht politischer Machenschaften, die wir dem Interpretationsmuster nach nicht durchschauen und auf die wir schlicht nicht angemessen reagieren können, weil wir in Wahrheit unverständig und hilflos seien.
Solche Muster zu erkennen, sei das Wesen der Wissenschaft beziehungsweise im Kern der menschlichen Vernunft – um das Vorgefundene analytisch zu durchdringen und damit der Materie auch Herr zu werden. (Nebenbei wird auch noch der Theologie der Rang einer Wissenschaft bestritten – eine gewagte These, denn ein Theologe ist nicht dazu da, eine Religion aus dem Boden zu stampfen, wie es quasi unterstellt wird, sondern die Theologie dient dazu, die schon vorhandene [im christlichen Fall seit 2.000 Jahren] Religion analytisch in vielfältiger Weise zu durchdringen, also darin Muster zu erkennen und systematisch aufzuarbeiten. So ergeht es der Theologie ähnlich wie der relativ nah verwandten Philosophie, die ihre Denksysteme auch nicht immer schon vorgefunden, sondern quasi aus dem Nichts erschaffen hat. Wenn Theologie keine Wissenschaft ist, dann ist die Philosophie erst recht keine.)
Sind Spitzenpolitiker auch nur Spielfiguren?
Das „Muster“ des Katz-und-Maus-Spiels trägt leider wenig bei zu einer analytischen Durchdringung der angesprochenen politischen Zusammenhänge. Es führt zu einer höchst diffusen Vermutung, wonach Figuren wie Joe Biden in Amerika (und Frau Merkel in Deutschland) in gewisser Weise auch nur Mäuse sind, jedenfalls keine wirklich autonomen, souveränen Agenten; wenngleich sie andererseits uns als dem allgemeinen, „kleinen“ Publikum wie die Pranken der Katze vorkommen, als schicksalhafte Gewalten, denen kaum zu entrinnen sei.
Als wirkliche Entsprechung zu den Katzen, als tatsächlich entscheidende Kräfte im Hintergrund wird geraunt von superreichen, dekadenten Personen, für die die große Politik nur ein Spiel sei, das sie womöglich „nur so“, praktisch aus Langeweile betreiben. Wir „kleinen“ Leute, wir Mäuse im großen Spiel undurchschaubarer Mächte, wir sollen einerseits uns nicht einreden lassen, es gebe (politische) Gegnerschaften zwischen den verschiedenen Gruppen, zu denen wir Mäuse uns so – zu Parteien oder Denkrichtungen – zusammenfinden.
Wenn alles nur ein makabres Spiel dunkler Mächte ist, dann brauchen wir uns wirklich nicht gegeneinander in Stellung bringen lassen. Andererseits heißt es dann aber doch, wir Mäuse sollten uns nicht länger als solche behandeln lassen, sondern irgendwie doch Mut fassen und unser Schicksal in die eigene Hand nehmen. Aber welchen Sinn soll das haben, wenn selbst die Spitzenpolitiker nur Marionetten sind und wir alle viel zu klein und mit zu wenig Hirn, um das große Ganze auch nur annähernd zu begreifen?
Das ist ein eher diffuses Herumschleichen um den heißen politischen Brei. Stattdessen sollte man die richtig wahrgenommenen politischen Merkwürdigkeiten innerhalb des vorhandenen gesellschaftlichen Rahmens durchleuchten und einordnen. Denn diese Frage stellt sich in der Tat, wie es dazu kommen kann, dass eine so offensichtlich altersgeschwächte Person wie Joe Biden zum Spitzenkandidaten der „Demokraten“ zur Präsidentenwahl ausgerufen werden kann.
Wie konnte Joe Biden seine Nominierung durchsetzen?
Dazu gehört, dass der Niedergang seiner kognitiven Kräfte sich zunächst nicht so deutlich angekündigt hat. Noch vor einem Jahr, als sich die Konkurrenten um die Nominierung aufstellten und sich das Bewerberfeld abzeichnete, war Biden offensichtlich in der Lage, auf einer Bühne vor echtem Publikum zu stehen und an einer Debatte teilzunehmen, ohne Teleprompter.
Auch war Biden immer schon eine eher mittelmäßige Figur, aus intellektueller Sicht, kein brillanter Analytiker, sondern ein Pragmatiker der Macht, ein ganz normales politisches Gewächs, dem es, einmal im US-Senat angekommen, aufgrund seines gemütlichen Heimat-Staats Delaware nicht schwergefallen ist, sein Amt über Jahrzehnte zu verteidigen. Dazu gehören die Sitten im US-Parlament, wo das Senioritäts-Prinzip die Karrieren mitbestimmt. Man arbeitet sich dort hoch, fast wie auf einer Beamten-Laufbahn, bekommt Ausschuss-Mitgliedschaften und Vorsitzfunktionen zugewiesen, gewinnt durch das, was man heute „netzwerken“ nennt, über die Jahre immer mehr Einfluss, der einem kaum je wieder genommen wird, solange man seinen Wahlkreis behält.
Noch dazu hatte Joe Biden immer schon eine leicht defekte Verbindung zwischen Gehirn und Mund, sprich: er hat sich immer schon „Versprecher“ geleistet, ist über seine eigenen Gedanken gestolpert bei Vorträgen. Die Amis nennen das „gaffes“, und sie sind es bei dem Mann lange gewohnt. Deshalb ist es zunächst nicht aufgefallen, wenn seine rhetorischen Leistungen im Wettbewerb um die Präsidentschafts-Nominierung nicht gerade überwältigend waren.
Außerdem gab es keine wirkliche Alternative zu ihm – aus Sicht der einflussreichen Kreise, die bei den „Demokraten“ bisher im Hintergrund den Ton angeben. Bernie Sanders, den mehr oder weniger dem Kommunismus zuneigenden Senator aus Vermont, der in seinem Leben nie eine nutzbringende Arbeit geleistet und auch als ewiger Senator nie etwas Bedeutendes auf die Beine gestellt hat, hat man schon vor vier Jahren zu verhindern gewusst, als er beinahe Hillary Clinton zur Seite gedrängt hätte.
Senatorin Elizabeth Warren, deren Biographie mit Lügen gepflastert ist, etwa der, sie habe das Blut amerikanischer Ureinwohner in ihren Adern, wodurch sie eine höchst lukrative akademische Position erringen konnte, ist ähnlich weltfremd wie Sanders und wäre den Wählern der politischen Mitte in Amerika wie ein Rotes Tuch vorgekommen.
Die jetzt als „running mate“ eingesetzte Senatorin Kamala Harris aus Kalifornien, die sich dort über Jahre einen Ruf als unnachgiebige Strafverfolgerin erworben hat, war zwar zunächst sehr aussichtsreich in den Wettbewerb gestartet, sah ihre Umfragewerte aber rasant abbröckeln, musste aufgeben und hat an keiner einzigen der „Vorwahlen“ ihrer Partei teilgenommen.
Über den Rest des breiten Bewerberfelds kann man getrost hinwegschweigen, denn niemand sonst hätte aus Sicht der „Demokraten“ ernsthaft eine positive Ausstrahlung in breite Wählerkreise versprochen, schon aus Mangel an Bekanntheit, an politischer Kompetenz und Glaubwürdigkeit.
Die Strippenzieher haben sich selbst ausgetrickst
Das heißt: Joe Biden war der einzige verbliebene Bewerber mit Aussicht auf großen Zuspruch der Wählerschaft, den man mehr oder weniger als „Mann der Mitte“ anbieten konnte. Und deshalb haben die entscheidenden Strippenzieher im Hintergrund alles daran gesetzt, ihm den Durchbruch gegenüber seinen Mitbewerbern, und das hieß dann vor allem wieder Bernie Sanders, zu verschaffen.
Wie man das gemacht hat? Man hat den zu einem bestimmten Zeitpunkt verbliebenen Bewerbern, die auf der mehr oder weniger pragmatischen Seite standen, also Biden dort Konkurrenz machten, nachdrücklich klargemacht, sie sollten jetzt den Weg für Biden frei machen, wenn sie irgendwann in Zukunft noch einmal eine wesentliche Rolle bei den „Demokraten“ spielen wollen. Auf der anderen Seite ist Elizabeth Warren noch eine kurze Zeit im Wettbewerb geblieben, um Bernie Sanders Stimmen wegzunehmen. (Nein, die weit links stehenden Politiker praktizieren im Zweifel nur ganz wenig Solidarität, wenn es um den eigenen Vorteil und um verletzte Eitelkeiten geht.) So konnte Joe Biden ein paar wichtige Vorwahl-Siege einfahren und zum quasi unvermeidlichen Spitzenmann stilisiert werden.
Erst nach und nach ist deutlich geworden, dass der gesundheitliche Niedergang bei ihm ernsthafte Probleme bereiten könnte, aber da war der Zug schon unterwegs und eine Korrektur praktisch ausgeschlossen. Einige haben spekuliert, ob die Partei noch vor dem Nominierungs-Parteitag die Notbremse ziehen und jemand anderen aufs Pferd setzen könnte, zum Beispiel auch die gute alte Hillary Clinton, die sich immer noch nicht eingestehen kann, dass sie es gegen Donald Trump völlig versaut hat, aus Hochmut.
Also man braucht keine schicksalhaften Mächte zu bemühen, oder dekadente Superreiche, die das alles arrangieren. Man kann die Vorgänge tatsächlich erklären ohne solche Hilfsgrößen. Zumal es sich bei den „Demokraten“ längst um nichts anderes handelt, jedenfalls im Großen und Ganzen und auf nationaler Ebene, als einen durch und durch korrupten Verein, dem es um nichts anderes geht als Macht und Einfluss. Dem wird alles untergeordnet, gnaden- und schamlos. Die ideologischen Versatzstücke, die schon von der „gemäßigt progressiven“ Hillary Clinton und ihrem gewaltigen Netzwerk-Apparat vorgetragen wurden, sie handeln alle ebenfalls nur davon, welche gesellschaftlichen Gruppen angeblich die benachteiligten Opfer seien und deshalb politisch protegiert, zu Macht und Genugtuung gebracht werden müssen.
(Und übrigens, wo wir gerade bei den Clintons sind: Die haben sich höchst erfolgreich auch mit ihrer Stiftung ein Ausmaß an Geld und Einfluss angehäuft, das seinesgleichen sucht und nur mit Oligarchen-Sippschaften wie in Russland verglichen werden kann. Das sind so die dunklen Mächte im Hintergrund, aber sie sind durchaus bekannt und wenig geheimnisvoll. Hinzu kommt reichlich Geld von Größen wie Michael Bloomberg, und ja, auch George Soros…)
Kein wirklicher politischer Wettbewerb
Die „Demokraten“ werden außerdem weitgehend dominiert durch die Lehrer-Gewerkschaften, die in Amerika über unvorstellbare Mengen Geld verfügen. Und dann gibt es natürlich noch die lokalen Gebietsmonopole der Partei in vielen großen Städten und praktisch allen Metropolen. Dort regieren sie seit Jahrzehnten unangefochten. Demgegenüber dürfte der in Deutschland berüchtigte „Kölner Klüngel“ zwischen dortigen SPD- und CDU-Größen ein philantropischer Glücksfall gewesen sein. Es gibt dort praktisch keinen echten politischen Wettbewerb, nur verfilzte Machtstrukturen und in Jahrzehnten verfestigte Seilschaften.
Und dann, um den Überblick abzurunden, beherrschen diese Linken weitgehend den gesellschaftlichen „Diskurs“, denn sie kontrollieren die Massenmedien, Hollywood, die Universitäten und die Giganten des Internet. Deshalb spielt es aus Sicht der Strippenzieher am Ende gar keine große Rolle, ob eine Figur wie Joe Biden überhaupt noch tragfähig ist. Dem Publikum wird vorgegaukelt, es sei alles in bester Ordnung mit dem guten alten Joe, und über den Präsidenten zieht man sich völlig abwegige Lügen aus den Fingern, wie schon seit vier Jahren in ununterbrochener Folge, bei gleichzeitigem offenem Machtmissbrauch durch alle zentralen „Würdenträger“ der „Demokraten“, angefangen beim Säulenheiligen Obama, der seine Geheimdienste in der Kampagne des politischen Gegners hat spionieren lassen, unter Mitwirkung seine Vize Joe Biden.
Politik ist vor allem ein Spiel um die Macht. Menschen, die nach Macht über Andere streben, und die auf dem Weg möglichst auch noch Ansehen und Reichtum erwerben wollen, hat es immer schon gegeben. Daran ist nichts Originelles oder Geheimnisvolles. Mit Katzen und Mäusen hat das nichts zu tun, sondern nur mit Korruption und Moneten, mit Kontrolle und Medienwirkung, mit Kämpfen und Machenschaften.