Gastautor / 13.01.2022 / 14:00 / Foto: Jesus Solana / 61 / Seite ausdrucken

Jetzt zerlegt es die Vereine

Von Maximilian Stein.

Maximilian Stein ist das Pseudonym eines Lesers, der uns vor einigen Tagen unter seinem richtigen Namen die folgenden Zeilen schrieb. Wir veröffentlichen diesen Text, weil er so authentisch darüber berichtet, was die 2G-Regeln konkret für Sport- und andere Vereine in der Provinz bedeutet, die dort eine immense Bedeutung haben.

Gestern war ein Wendepunkt in meiner persönlichen Sicht auf das Corona-Regime im Lande.

Bisher habe ich das Geschehen eher mit Kopfschütteln als mit Angst oder Wut beobachtet. Wissen Sie, ich wohne auf dem Land (Grüße an Cora Stephan – ich mag ihre Beiträge sehr – es stimmt alles. Und einen Notstromer habe ich jetzt auch), mit guten Nachbarn und weit weg von Lärm, Hektik und Haltung. Wofür Andere einen Kurzurlaub brauchen, brauche ich nur Freizeit – alles was man sonst zur Erholung benötigt, ist immer da, vor meiner Haustür. Von hier aus kann man schon fast amüsiert zusehen, wie die urbanen haltungs- und meinungsgestählten Eliten mit ernster Miene und verbissenem Eifer ihr Lebensumfeld zerstören. Leider auch das der Anderen, aber hey, ich kann die Welt nicht vor ihrer eigenen Dummheit retten – wenn sie es so wollen, sollen sie machen. Kneipe zu oder 2G? – Was soll‘s? Im Keller steht der Wein und das Bier, der Grill im Garten, der Kamin im Wohnzimmer, der Nachbar eine WhatsApp-Message weit weg – meistens braucht es die nicht einmal, der Nachbar kommt auch unaufgefordert zum Plausch herüber und er hat es noch nie geschafft, zur Unzeit in meinem Garten zu stehen, was sicher am Bier liegt, das er meist dabei hat. Is’ hier so. An Gemeinschaft mangelt es uns also auch nicht. Wir kommen soweit klar. 

Kurz vor Weihnachten habe ich mich dabei ertappt, eine alte Technik aus DDR-Zeiten angewandt zu haben. Ich kenne unsere Tierärztin recht gut, aber nicht so gut, dass ich mir sicher wäre, wie sie zum Umgang der Leute mit Corona steht. Also musste ich zum Gesprächsauftakt herausfinden, wie ihre Position ist, ohne meine eigene zu schnell preiszugeben. Kein Problem – das ist eine Standard-Methode aus dem Werkzeugkasten eines jeden DDR-Bürgers. Sie funktioniert hervorragend, vor allem, wenn sie das Gegenüber auch beherrscht – ich hätte nur nie gedacht, dass ich sie nochmal brauche. Nach kurzem Gespräch verabschiedete sie mich mit den Worten (sinngemäß): „Das hat es nicht mal zu Honeckers Zeiten gegeben, dass man die Leute so gegeneinander aufhetzt. Es ist eine Schande!“

Das hat mich ziemlich nachdenklich gemacht. Sind wir schon wieder so weit? Ich habe mich dann wie immer mit einer lautlosen Schimpftirade wieder aufgebaut: „Ihr blöden Wessis*, ihr rennt mit wehenden Fahnen in eine Diktatur und wisst nicht einmal, wie man damit umgeht. Wir Ossis* können es noch, wir kommen einigermaßen klar.“

Per WhatsApp die Büchse der Pandora geöffnet

Seit gestern schaffe ich es auch mit der schönsten stillen Schimpftirade nicht, mich wieder aufzubauen. Mir fällt nicht mal eine ein. 

Wir hatten im (Sport-)Vereinsvorstand darüber gesprochen, wie wir weitermachen mit der neuen Verordnung. Technisch kein Problem, 2G+: Nachweis, Listen, Vor-Ort-Test, usw. Man hat sich ja daran gewöhnt. Plötzlich wurde mir klar, was anders ist als bisher: Wir müssen Leute ausschließen! Vereinsmitglieder, die seit Jahren im Verein sind und uns unterstützen! „Warum soll denn ein getestetes ungeimpftes Mitglied bedrohlich sein und ein getestetes geimpftes nicht?“ „Es ist halt so vorgegeben. Wir können doch nichts dafür und jetzt machen wir das so. Eh‘ wir gar nichts anbieten… Und überhaupt – sollen sie sich doch impfen lassen!“ Damit war die Diskussion vorerst beendet.

Nicht bei uns zu Hause. Meine Frau sagte: „Ich mache da nicht mit! Überlege doch mal: Wenn wir nicht das ‚Glück‘ gehabt hätten, eine Infektion durchzumachen, wären wir jetzt auch raus! ‚Das ‚Glück!' Jetzt redet man schon vom ‚Glück‘, krank gewesen zu sein! Nein, ich beteilige mich daran nicht. Unter diesen Umständen gehe ich nicht zum Training, selbst wenn ich ,darf'! Jetzt bin ich mal solidarisch, und zwar mit denen, die ausgesperrt werden!“ „Und unsere große Wettkampfveranstaltung im Frühjahr?“ „Auch 2G. Ich mache da nicht mit!“ „Dann ist das Thema Geschichte. Ohne unsere Beteiligung wird das höchstwahrscheinlich nichts.“ „Dann ist es so! Ich stand 89 nicht auf der Straße, um mich jetzt an so etwas zu beteiligen!“

Starker Tobak. Irgendwie mussten wir den Vorstand behutsam auf das Problem hinweisen. Also eine abendliche WhatsApp in die Gruppe gestellt (sinngemäß): „Es könnte sein, dass für unsere Wettkampfveranstaltung im Frühjahr Helfer ausfallen, weil sie die 2G-Regel nicht erfüllen können. Uns fallen da X, Y und Z ein, die schon mal fehlen. Mit Helfern war es immer knapp, und die drei waren zuverlässig – es wird schwer, auf sie zu verzichten. Wer weiß, wen es noch betrifft...“ 

Die Büchse der Pandora war geöffnet.

Verein vor der Zerreißprobe

Zum Glück stand noch Hopfentee im Keller. Während meine Frau zu Bett ging, arbeitete mein Kopf. Die 2G-Regel ist schlicht und scheint einfach der nächste Schritt zu sein, aber sie ist viel mehr als das. Das wurde mir brutal klar. Wir, die Vereine, werden damit zu Werkzeugen der Durchsetzung eines verfassungswidrigen Zwangs gemacht. Wir werden missbraucht, um gesunde Menschen zu einer Impfung zu zwingen, die für den Fremdschutz, um den es angeblich geht, erwiesenermaßen untauglich ist. Das „+“ am 2G macht das allen klar. Und es macht noch mehr klar: nämlich, dass es gar nicht um Schutz geht, sondern um Druck. Getestete Ungeimpfte unterscheiden sich von getesteten Geimpften hinsichtlich der von ihnen ausgehenden Ansteckungsgefahr nicht das kleinste bisschen, müssen aber fernbleiben. Die Krone setzt dem ganzen die Regel auf, dass Dritt-Geimpfte sich nicht testen müssen. Im Angesicht der seit Wochen bekannten bestenfalls marginalen Wirksamkeit der Impfung gegen die neueste Corona-Mutante kann man nicht deutlicher zum Ausdruck bringen, dass der Schutz der Leute vor Ansteckung nicht das Ziel dieser Maßnahme ist. Frau Giffey nimmt ja diesbezüglich auch kein Blatt mehr vor den Mund.

Unser Verein aber steht vor einer Zerreißprobe, und es ist vollkommen unklar, ob und wenn, wie er sie überstehen wird. Auf der einen Seite die, die nicht verstehen, „warum man sich nicht einfach impfen lässt,“ und auf der anderen Seite die, die sagen: „Nein, so nicht mit uns, wir machen da nicht mit!“ Unversöhnlich – wie von Medien und Regierung gewollt und herbeigetrötet. So wenig, wie die einen es mit sich vereinbaren können, unter diesen Bedingungen gemeinnützige Sportveranstaltungen zu organisieren, so wenig wollen die anderen verstehen, warum sie auf die Ungeimpften Rücksicht nehmen sollen – sind doch selbst schuld. Wir müssen zusammenhalten. Und "Wir" heißt nicht, dass Du auch gemeint bist. – Das Lachen bleibt einem im Halse stecken. 

Es scheint unterhalb der Wahrnehmungsschwelle vieler, vor allem der großen Sport-Verbände, zu liegen, welche Konflikte hier induziert werden und wie diese die Menschen in den Vereinen beschäftigen. 2G+ ist kein technisches Regelwerk zu Hygiene, wie es 3G war. 2G+ bedeutet Ausschluss von Mitgliedern ohne belastbaren Sachgrund. Die Durchsetzung wird den Vereinen aufgebürdet, die den betroffenen Mitgliedern die Tür weisen müssen. Nicht wenige Vereine drohen daran zu zerbrechen, da Mitglieder hinschmeißen werden. Sei es, weil sie ausgeschlossen werden, sei es, weil sie es nicht ertragen, Freunde und Bekannte so behandeln zu müssen. Gemeinnützige Vereine sind fragile Gebilde, trotzdem sind sie mit die wichtigsten Haltebolzen unserer Gesellschaft. In Vereinen leisten Menschen ehrenamtlich Millionen Arbeitsstunden, und sie tun das aus der Überzeugung heraus, der Gesellschaft etwas zurückgeben zu müssen. In Vereinen finden Kinder und Erwachsene wichtige Ankerpunkte... Ach, egal. Sollen sie sich doch impfen lassen. 

...oder absaufen.

Damit komme ich nicht klar.

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Leserpost

netiquette:

Dr. R. Möller / 13.01.2022

Wer an 2G+ Veranstaltungen teilnimmt, derartige Restaurants besucht und sich dem nicht verweigert ist auch nicht besser als Lauterbach. Wenn ich ins Restaurant gelassen werden aber nicht mein schwarzer Freund (Neger - nicht CDU) gehe ich dort mit Sicherheit nicht essen - nie wieder !

Stephan Maillot / 13.01.2022

Vielen Dank für die einfühlsame Schilderung, Herr Stein. Ich habe in meinem Verein auch schon so eine “Ansprache” hinter mir, dass ich unter den gegenwärtigen Bedingungen (Ausschluss von Ungeimpften) nicht mehr bereit bin, was zu machen. Zwei Dinge, die mir dazu durch den Kopf gingen: zum einen hat es sich für mich richtig angefühlt, den Ausstieg nur sehr “allgemein” zu begründen und auch nur auf mich selbst zu beziehen. Also so Formulierungen wie eben “unter den gegenwärtigen Bedingungen”, und dass es einem “persönlich so keinen Spaß mehr machen würde”. Es sozusagen als “persönliche Gewissensentscheidung” verkaufen, ohne dieses schwerwiegende Wort (“Gewissen”) in den Mund zu nehmen. Die Leute verstehen dann schon, wie das gemeint ist. Zweitens war es gut, irgendwie auch noch eine positive Perspektive zu liefern, selbst dann wenn man eigentlich nicht wirklich dran glaubt (ich glaube, ich habe irgendetwas von nächstem Sommer gemurmelt, wo die Bedingungen dann bestimmt wieder besser würden). - Ich hatte dann auch das Gefühl, dass das schon sehr anerkannt wird, man sogar eher “im Ansehen steigt”. Die Leute ahnen wohl schon, dass das moralisch grundfalsch ist mit dem 2G-plus. Mit dem Schmerz, ein Hobby nicht mehr ausüben zu können, muss man natürlich trotzdem klarkommen.

Moritz Schauer / 13.01.2022

Hallo Sportsfreund Maximillian! Ich kann Ihre moralischen, ethischen und grundvernünftigen Gewissensfragen absolut und uneingeschränkt nachvollziehen. Es betrifft mich selbst: seit Ende November darf ich als ordentliches Vereinsmitglied nicht mehr die Sportstätten als zuvor begeisterter und maximal engagierter Trainer einer Jugendmannschaft betreten und kein Training mehr durchführen. Die Vereinsverantwortlichen setzen gleichermaßen rigoros wie unreflektiert die 2G-Regeln durch. Zuschauer wurden und werden ausgeschlossen, Sportler wurden ausgeschlossen - Trainer auch. Bis dahin hörte ich immer nur Jammern, es gäbe zu wenige Ehrenamtliche und auch unsere Mannschaften könnten mehr Sportler im Kader gebrauchen. Waren es in den letzten eindreiviertel Jahren doch eben jene Strukturen - die Sportvereine - die den Kindern und Jugendlichen versuchten, ein Ausgleich, ein wenig Zusammenhalt, soziale Verbundenheit und das Arbeiten an gemeinsamen (sportlichen) Zielen zu bieten, findet nun der Frontalangriff auf diese Rückzugsgebiete statt. Und die Verantwortlichen lassen sich zu Handlagern der entrückten Politikerkaste verdingen, machen dabei mit, sich selbst, diese recht autarken Gebilde, zu zerstören. Ich habe mit diesen handelnden Personen abgeschlossen, unentschuldbar und unverzeihlich sind diese Verstöße sogar gegen die eigene Vereinssatzung. Das Furchtbare ist, sie wissen es, daß sie mit dem Umsetzen der Verodnungen den Verein zerstören. Und sie machen bereitwillig dabei mit. Es widert mich an. Die letzte Bastion des sozialen Zusammenhalts , die ich als am robustesten angesehen hatte, wird sehenden Auges von Innen heraus hergegeben, obwohl von dort aus der größte und wirksamste Widerstand hätte ausgehen können.

j. heini / 13.01.2022

Ja, genau so ist es. Und nicht nur die Vereine setzen das durch, was als Pflicht nicht in Gesetzesform gegossen wird. Genau das ist das Umgehen des GrundG über das Privatrecht. Für mich haben die Regierenden ihre Legitimität verloren. Ob auch die Legalität wird das BVerfGE entscheiden, sollte eine entsprechende Klage eingereicht werden (können). Und Herr Palmer vertraut darauf, dass Urteile des BVerfG so spät ergehen, dass sie ohne Wirkung blieben. Und das gilt nicht nur für die Impfpflicht, sondern lässt sich erweitern auf das NetzwerkDG. Da ist m. W. auch noch nicht entschieden. Bis dahin ist die Pleitewelle umgegangen oder das Aufgeben.

Jochen Brühl / 13.01.2022

Ich habe vollstes Verständnis für die ungeimpften Vereinsmitglieder in solch einer Situation, obgleich ich selbst geimpft bin. Ich würde mich ebenso fern halten, insbesondere dann, wenn ich merke, dass ich durch die Regierung gegen “die verschwindend geringe Minderheit von Extremisten” vereinnahmt werde.

S. E. L. Mueffler / 13.01.2022

Seit beinahe zwei Jahren haben sich Chöre, Orchester nicht mehr zu regelmäßigen Proben treffen können. Zum Teil seit Jahrhunderten gepflegte Traditionen und einzigartige Klangkörper sind damit zerstört worden. Der “sound” ist weg. Es ist ein Verbrechen an unserer Kultur das seines Gleichen sucht.

Michael Hoffmann / 13.01.2022

Vereinsmitgliedschaften sind wie man sieht, nicht sehr solide, um durch Krisenzeiten zu tragen. Ich bin in keinem Verein Mitglied, habe aber einen sehr zuverlässigen christlich grundierten Freundeskreis. Der trägt meine Frau und mich durch alle Unbillen des Lebens. Ich bin im Rentenalter, kann das also mit Fug und Recht aus jahrelanger Erfahrung behaupten. Die derzeitige Situation fördert eher den Zusammenhalt - wahre Freundschaft eben. Dafür sind wir sehr dankbar.

Max Anders / 13.01.2022

Macht einfach nicht mehr mit - das ist das einzig Wirksame in dieser Schmierenkomödie. Ich kenne Vereine, die treffen sich trotz Lockdowns, Kontaktverboten und Auflagen und Repressalien ohne ansehen eines “G” Status´wöchentlich im privaten Keller und machen ihr Ding weiter. Schwierig wird, herauszuarbeiten, wer ein Judas sein könnte, um dann den jeweiligen Gastgeber und den Verein anzuzinken. Aber dafür hatten wir meistens ein gutes Gespür. Einfach machen und nicht fragen. Wer viel fragt bekommt eh nur blöde Antworten.

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