Thomas Rietzschel / 18.01.2021 / 13:00 / Foto: Pixabay / 89 / Seite ausdrucken

Jetzt tut Ahnenforschung not

Der Berliner Witz ist unübertroffen, unterdessen auch der Aberwitz, der Wahnwitz. So will der Senat der deutschen Hauptstadt, den Teufel, den er an die Wand malt, jetzt mit dem Beelzebub austreiben. Als erste Landesregierung möchte die Berliner – rot, knallrot und grün besetzt – eine „Migrantenquote im öffentlichen Dienst“ einführen, wie der Tagesspiegel letzte Woche meldete.

Entsprechend dem Anteil der Zugewanderten an der Stadtbevölkerung soll sie bei 35 Prozent liegen und gesetzlich festgeschrieben werden. Betroffen wären davon der gesamte öffentliche Dienst, die Verkehrsbetriebe, die Verwaltung, sämtliche Ämter, Stiftungen, auch die Gerichte und die Staatsanwaltschaften. Heißt: Migranten sollen „künftig bei Auswahl- und Einstellungsverfahren bei gleicher Qualifikation bevorzugt werden, wenn sie in einer Verwaltung unterrepräsentiert sind.“ So weit, so populistisch. 

Nur zieht eben jede Bevorzugung einer Gruppe immer die Zurücksetzung anderer nach sich. Kurzum: Mit einer Diskriminierung der Bio-Deutschen soll der vermeintlichen Ausgrenzung der Zugewanderten vorgebaut werden. Und das, obwohl der Anteil der Migranten in der Berliner Verwaltung bereits 12 Prozent beträgt, gar 38 im Polizeidienst. Dass er weiter steigen wird, liegt schon im Zuge der demographischen Entwicklung. Man könnte den Dingen ruhig ihren Lauf lassen, auf die natürliche Vermehrung vertrauen. Nicht so in Berlin. Da bedarf es einer gesetzlichen Fixierung. Es wird ein Problem aus etwas gemacht, das keines ist, schon gar nicht in der Metropole, die die Stadt sein will.

Ich war auch ein Berliner

Ich habe selbst einige Jahre als Korrespondent dort gelebt, was nun auch schon etwas zurückliegt. Doch bereits damals verstand es sich von selbst, dass mir auf Ämtern oftmals Beamte gegenübersaßen, deren Akzent verriet, dass sie „selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurden“. Das verzögerte die Verständigung bisweilen, unmöglich machte es sie nie. Man kam so selbstverständlich miteinander aus wie mit dem türkischen Gemüsehändler um die Ecke oder der Bedienung im vietnamesischen Restaurant. 

Indes, wo wären die Ideologen aller Zeiten geblieben, hätten sie sich je um die Realität gekümmert? Was würde aus der Politik, betrachtete sie das Normale als normal. Sie muss Probleme erschaffen, um sich in Szene zu setzen, wenn es sein muss mit Gesetzen, die sich über das Grundgesetz hinwegsetzen. Verfügt es doch gleich im Artikel drei des ersten Paragraphen: „Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“ 

Darauf nichts mehr zu geben, ist ein starkes Stück, zu dem man sich erst einmal versteigen muss. Was nimmt sich der Berliner Senat da heraus und vor allem: Weshalb tut er das? Geht es nur darum, im Strom des Zeitgeistes den Kopf sichtbar über Wasser zu halten? Wozu dieser vorauseilende Gehorsam gegenüber den Zugereisten? Sind sie womöglich schon mehr integriert, als es den multikulturellen Aktivisten lieb ist? Bangen sie um ihre Aufgabe? Oder weshalb sonst faseln sie von einer „strukturellen Diskriminierung“, die außer ihnen kaum jemandem auffallen will?

Diskriminierung gegen Diskriminierung

Wollen sie sich vorsorglich andienen, um ihre Posten behalten zu können, sobald die Zugereisten dran sind? Wollen sie Migranten mit Sonderrechten ausstatten, weil sie insgeheim fürchten, es könne kommen, wie es ihr Lieblingsfeind Thilo Sarrazin, der politische Unhold, vorhergesagt hat, nämlich dass die Muslime bis 2050 am Ziel ihres Marsches durch die deutschen Institutionen sein könnten? 

Immerhin wissen Linke und Grüne aus eigener Erfahrung, was dann möglich ist. Setzen sie sich doch selbst locker über die Verfassung hinweg, wenn es darum geht, das Land nach ihren multikulturellen und antikapitalistischen Visionen umzubauen, Schritt für Schritt, etwa mit der Einführung einer „Migrantenquote“ zur Überwindung einer vermeintlichen „strukturellen Diskriminierung“ durch Einführung einer neuerlichen Diskriminierung.

Auch von „einem Paradigmenwechsel in der Begrifflichkeit“ ist bereits die Rede. „Das Wort Integration“, heißt es, wäre „nicht mehr zeitgemäß“. Da die gesamte Gesellschaft von Migration geprägt sei, verwendet die Integrationsbeauftragte des Landes, Katarina Niewiedzahl, lieber den Begriff der „Migrationsgesellschaft“, was immerhin die Chance in sich birgt, dass sich die Bio-Deutschen auch irgendwie als Flüchtlinge ansehen könnten, als bevorzugte Anwärter auf diesen oder jenen Posten in der Berliner Verwaltung. Irgendwie sind wir doch alle von draußen gekommen, Nachkommen der Hurenkinder der Hunnen, der Römer oder Wikinger, um den Rhein herum auch der Franzosen.

Ahnen-Forschung könnte bald wieder not tun, wenn Stellensuchende aufgefordert werden, ihre fremdländische Abstammung nachzuweisen. Für mein Teil habe ich bereits herausgefunden, dass die Großmutter väterlicherseits aus dem Böhmischen. dem heutigen Tschechien kam und erst durch die Heirat nach Sachsen zur Deutschen wurde.

Welch ein Glück, wäre ich gerade auf Stellensuche in Berlin. Aberwitzig und dennoch wahr. 

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Leserpost

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Werner Arning / 18.01.2021

Ja, aber ob Böhmen und Tschechien so richtig zählen? Das Augenmerk dürfte auf den kürzlich Zugereisten aus arabischem, afrikanischem und natürlich türkischem Raum liegen. Afghanen, Syrer, Nordafrikaner dürften gefragt sein. Iraner, Sudanesen, Äthiopier dürften gute Chancen auf Anstellung haben. Osteuropäer, Nordeuropäer, Amerikaner, Kanadier und Westeuropäer kommen eher weniger in Frage. Die brauchen keine Quote. Die schaffen das auch so. Böhmer und Tschechen sind uns eigentlich nicht bunt genug. Womöglich sind sie sogar rechts. Wer weiß. Muslimisch wäre schon einmal gut. Christen bitte nur, wenn es nicht anders geht. Außerdem müssen wir den Anteil der jeweiligen Herkunftsländer in Bezug auf die Berliner Bevölkerung repräsentieren. Wir sagen Migrationshintergrund. Aber komm, ihr wisst schon, wen wir meinen. Jedenfalls keine Niederländer, Engländer, Amerikaner oder Österreicher. Stellt euch nicht so schwer von Begriff an. Denn dann gäbe es ja gar kein Zusammenleben auszuhandeln. Wie langweilig.

Andreas Zöller / 18.01.2021

Habe auch einen Migrationshintergrund. Mein Vater zog vom Rheinland ins Sauerland und wurde so ein, wie man es in meiner kleinen Stadt nennt, Büterling.

S.Niemeyer / 18.01.2021

Macht sich doch gut für Wählerstimmenfang - am 26. September 21 finden die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus statt (gleichzeitig Kommunalwahlen, dabei Wahlrecht ab 16 J., wie in weiteren 10 Bundesländern). Kleine Ergänzung zum französischen Einfluss: die napoleonischen Truppen waren lange auch in Berlin, ganz abgesehen von den Hugenotten, deswegen z.B. der Französische Dom.

Fred Burig / 18.01.2021

Nach “christlichem Verständnis” sind wir hier in Deutschland doch alle irgendwie “Ausländer”! Denn das Paradies von Adam und Eva kann keineswegs in oder in der Nähe von Berlin gewesen sein ! Das hätte selbst Gott nicht gewollt! .... andererseits könnte der biblische “Sündenfall” doch irgendwie in Berlin passiert sein, sonst hätte Gott nicht als Strafe dafür gesorgt, dass besonders im und um den Reichstag eine solche “Degeneriertheit” grassiert. MfG

Kristina Laudan / 18.01.2021

Dann fehlen nur noch die Quoten für alle anderen Merkmale, die ein Mensch haben kann: Haarfarbe (ich bin mir SICHER, dass Rothaarige unterrepräsentiert sind!), Körpergröße, Schuhgröße, Gewicht (Wetten, dass es nicht viele Adipöse in der Verwaltung gibt?)

Wolfgang Fischer / 18.01.2021

Migrationshintergrund….? Reicht auch Beutegermane? Ich bin gebürtiger Ossi und konnte mir das nicht aussuchen. Ich hatte einfach nur Glück!

Charles Brûler / 18.01.2021

Die Nazis haben es mit dem Sozialdarwinismus probiert. Die SPD und die Grünen versuchen es mit der Artenvielfalt und der Biodiversität. Letztendlich ist beides ein biologistisches und rassistisches Gesellschaftskonzept. Man schaut auf Rasse und Herkunft, statt auf den Menschen zu schauen.

Kim Loewe / 18.01.2021

Gab es nicht schon mal ähnliches in Deutschland? Früher hat man, weil den Christen Geld- und Bankgeschäfte untersagt waren, absichtlich Juden angesiedelt, die das übernehmen konnten. Später schlug diese “Willkommenskultur” dann ins Gegenteil um, wie man weiß. Das gibt in keiner Weise Grund zur Hoffnung.

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