Thilo Sarrazin / 12.12.2023 / 10:00 / Foto: Achgut.com / 55 / Seite ausdrucken

Jetzt kommt die Stunde der Wahrheit

Das Bundesverfassungsgericht hat es der Ampel-Regierung untersagt, die nicht verbrauchten Kreditermächtigungen des Corona-Hilfsfonds auf den Fonds für Energieversorgung und Klimaschutz zu übertragen. Das kann das Ende der Ampel bedeuten, es sei denn, die CDU lässt sich auf einen "Kompromiss" ein.

Ende 2021 entschied die von SPD, Grünen und FDP neugebildete Koalition, die nicht verbrauchten Kreditermächtigungen des Corona-Hilfsfonds auf den Fonds für Energieversorgung und Klimaschutz zu übertragen, wo sie ab 2023 ausgabewirksam werden sollten. Das war eine klare Umgehung der seit 2009 im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse, die eine Überschreitung der Kreditobergrenze von 0,035 Prozent des BIP nur bei unvorhergesehenen extremen Notlagen gestattet.

Die Finanzierung von Maßnahmen zur Unterstützung der Energie- und Klimawende erfüllte dieses Kriterium von Anfang an nicht. Man konnte hierzu zwar seit Jahrzehnten unterschiedliche Einschätzungen haben, unvorhergesehen war hier aber nichts. Gegen diese Zweckentfremdung der Kreditermächtigungen des Corona-Fonds klagte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion vor dem Bundesverfassungsgericht, und mit dessen Urteil vom 15. November 2023 bekam sie umfassend recht.

Jährlichkeit, Jährigkeit und Fälligkeit

Das Gericht bezog sich in seinem Urteil auf die klassischen haushaltsrechtlichen Prinzipien der Jährlichkeit, Jährigkeit und Fälligkeit:

- Jährlichkeit: Der Haushaltsplan muss vor Beginn des Haushaltsjahres durch das Haushaltsgesetz festgestellt werden.

- Jährigkeit: Die Haushaltsermächtigungen gelten nur für das laufende Haushaltsjahr und verfallen danach grundsätzlich ersatzlos.

- Fälligkeit: Im Haushaltsjahr dürfen nur die Einnahmen und Ausgaben veranschlagt werden, die auch in diesem Jahr voraussichtlich kassenwirksam werden.

Natürlich kann die öffentliche Hand auch unter strikter Beachtung der o.a. haushaltsrechtlichen Prinzipien vernünftig und mit langfristiger Orientierung wirtschaften:

Es gibt im geltenden Haushaltsrecht vielfältige Möglichkeiten, auch langfristig laufende große Investitionsvorhaben so zu finanzieren, dass ihre Durchführung durch das Haushaltsrecht nicht behindert wird. Zuzugeben ist allerdings, dass die Finanzierung aus großen Schuldentöpfen, die noch dazu der parlamentarischen Kontrolle weitgehend entzogen werden können, weitaus bequemer und flexibler sein kann.

Das Urteil war ein Paukenschlag

Die Ampel-Regierung hat es jedoch übertrieben. Die Ende 2021 erfolgte Umwidmung der nicht benötigten Corona-Kreditermächtigungen verstieß so eklatant gegen Geist und Buchstaben der erst 2009 eingeführten verfassungsrechtlichen Schuldenbremse, dass sich das Verfassungsgericht zum Einschreiten genötigt sah, um zentrale Formulierungen des Grundgesetzes nicht der freizügig interpretierenden Beliebigkeit preiszugeben. Das Urteil war ein Paukenschlag. Es stellt die ganze Strategie infrage, Nebenhaushalte aufzubauen und so die Schuldenbremse zu umgehen. So war es nur folgerichtig, dass die Ampel-Koalition die Verabschiedung des Bundeshaushalts 2024 aufschob.

Aus der gegenwärtigen Sicht 

- ist nicht absehbar, dass es im Bundestag eine verfassungsändernde Mehrheit gibt, um die Problematik durch ein „Sondervermögen“ ähnlich wie bei den 100 Mrd. Euro für die Bundeswehr zu lösen;

- ist nicht absehbar, dass die FDP ihren Widerstand gegen Abgabe- und Steuererhöhungen aufgibt;

- ist nicht absehbar, dass die SPD nennenswerten Einsparungen im Sozialbereich zustimmt;

- ist nicht absehbar, dass die Grünen Abstriche bei den Subventionen für und Investitionen in die Klimawende akzeptieren.

Einfach abwarten

Wenn sich an dieser Konstellation nichts Grundsätzliches ändert, wird die Ampel-Koalition zu einem noch unbestimmten Zeitpunkt lange vor dem nächsten regulären Wahltermin, der für September 2025 ansteht, zerbröseln. 

Für die CDU/CSU-Opposition wäre es jetzt die beste Strategie, diese Entwicklung einfach abzuwarten. Dazu fehlt ihr jedoch der Schneid. Verschiedene CDU-Ministerpräsidenten haben Angst um große aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds geförderte Projekte in ihren Ländern. So wird der Oppositionsführer Friedrich Merz aus den eigenen Reihen unter Druck geraten, nach einem „Kompromiss“ zu suchen. Zeigt er sich dabei zu nachgiebig, so könnte die CDU/CSU eine einmalige historische Chance verpassen, das Ende der Ampel-Koalition herbeizuführen.

Mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag wäre ein neuer schuldenfinanzierter Sondertopf, für was auch immer, jederzeit möglich. Ich halte das für den falschen Weg. Wenn die Union ihn geht, sollte sie als Gegenleistung große Einsparungen bei Bürgergeld und Asylfinanzierung fordern. Ob sie den Mut dazu hat?

Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche.

Foto: Achgut.com

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janblank / 12.12.2023

Die aktuelle Schlüsselfigur ist Lindner. Bleibt er da hocken bis 2025 in dieser Koalition, ist seine Partei weg vom Fenster. Beendet er diesen Alptraum mit entsprechendem Pomp und Trara, kann es für die FDP bei Neuwahlen deutlich über 10 % Prozent geben. Der Wähler ist ja auch dankbar. Das Problem ist aber, dass selbst wenn es für ein konservatives Bündnis aus CDU, FDP, AfD eine satte Bundestagsmehrheit gäbe, diese keine Chance im Alltag hätte. Behörden, Schulen, Universitäten und Medien sind nahezu vollständig in rotgrüner Hand. Und diese lässt sich kaum vom Wählerwillen beeindrucken. Hält verschwiegen und märtyrerhaft zusammen, Graswurzelrevolution gegen den Oppressor, und all den Scheiß aus dem sozialistischen Rechtfertigungsbaukasten. Es ist wie Deutschland nach 1945. Man konnte einfach nicht alle Nazis ersetzen. Und die hatten ja nun angesichts Trümmerlandschaften und Leichenbergen, auch vor sich selbst nichts mehr zu melden. Ich fürchte, dass es ohne diese “Kur durch Realität” auch dieses mal nicht gehen wird. Gott sei diesem Land gnädig!

Arthur Sonnenschein / 12.12.2023

Die Regierung wird die Vorhaben, die veranschlagt, aber nicht finanziert sind einfach aufschieben um den Haushalt verabschieden zu können. Die Regierungsparteien haben sich diesbezüglich einfach noch nicht geeinigt. Die SPD liebäugelt natürlich mit einem Bündnis mit der Union ohne Neuwahl, in der auch die Gruenen oder die FDP wieder mit von der Partie sein könnten. Das gäbe den Sozis Zeit sich neu aufzustellen. Vermutlich laufen hinter dem Rücken von Merz diesbezüglich schon Kontakte mit Kiel und Düsseldorf. Sollte das klappen, würde Angie auch bereit zur Aufnahme in die Stiftung sein. Wahrscheinlicher bleibt aber, dass die Koalition sich rettet. Die Folge dieser anstehenden Einigung wird ein massiver Linksruck sein, den Scholz ja bereits auf dem Parteitag ankündigte. Das Potential der Linken liegt brach, und ein radikaler Linkskurs würde auch die AfD zugunsten der Sozis deutlich mehr Stimmen kosten als die gruselige SWk.

Silas Loy / 12.12.2023

Das menschengemachte CO2 soll am Treibhauseffekt eine Wirksamkeit von 0,12% haben. Diese Stellgrösse -und erst recht nur eine Reduktion- ist also lächerlich gering, das ist praktisch nichts. Die deutschen Staatsausgaben für die “Klimapolitik” dagegen gehen in die hunderte Milliarden. Diese gigantische Geldverbrennung hat also weder irgendeinen Einfluss auf “das Klima”, noch bringt sie wenigstens ein überzeugendes alternatives technologisches Konzept zustande (“Vorreiterrolle”, s.a. Haferburgs “Mythenkillerfolge” hier auf Achgut). Das kann man sich also komplett sparen und dann stimmt es auch mit dem Haushalt sofort.

Richard Reit / 12.12.2023

Solange die CDU Opposition nur simuliert, geht es weiter mit Vollgas in Richtung Wand.Die CDU, auf die so viele ihre Hoffnung setzen, würde eher mit den Grünen koalieren, als mit der AfD.Mehr muss man nicht wissen.

Wolf Holstein / 12.12.2023

Die CDU wird sich in die Falle locken lassen. Dafür stehen: Die Geldwünsche der noch herschenden CDU Granden in den Ländern und der völlig planlos agierende Herr Merz mit einem Stab im Rücken, der lediglich auf den Sturz von Merz hinarbeitet. Dabei wäre die Lösung einfach und würde der CDU ein Come Back ohne Beispiel bescheren. 1. Warten, bis die Koalition zerbricht. 2. Neuwahl mit einem Ergebnis für die CDU wohl um die 30 Prozent (Die Wähler vergessen eben schnell, wer eigentlich 16 Jahre regiert hat) 3. Bildung einer Minderheitsregierung mit 100 Tage Programm : Mit völligem Kurswechsel in den Bereich Asyl (Aussetzen des §16 und 16a ff.auf mindests 10 Jahre, Abschiebung aller abgelehnten Asylanten - sofort Stopp von Bargeldzahlungen für diesen Personenkreis und Schluss mit Zahlungen an Staaten, die diese Leute nicht zurücknehmen, Sparprogramm im Sozialhaushalt von mindestens 50 Milliarden Euro, Zahlungsstop für alle NGO´s, Reduktion der Ministerien auf 10, Bau von Gas- und Atomkraftwerken in den nächsten 5 Jahren mit Hochdruck, dafür gesetzliche Grundlagen schaffen, Arbeitspflicht für alle nicht kranken Sozialhilfeempfänger, 15 Prozent Rentenerhöhung für alle im Bereich bis 1300 Euro, die mindestens 20 jahre in die RV eingezahlt haben, diplomatische Offensive zur Lösung des Ukraine-Konflikts und Wiederaufnahme der Gaslieferungen aus Russland, Kündigung des Verbrenneraus der EU und massive Förderung der Bereiche Technik, Medizin und ‘Forschung an Deutschlands Universitäten, Ende der Zwangsbeiträge zum ÖRR und Reduktion des ÖRR Auftrags auf reine Nachrichten sendungen. Nach 12 Monaten Neuwahl: Wo würde die CDU dann stehen? Aber: Glaubt jemand, die CDU wäre dazu in der Lage und hätte überhaupt das Personal?

Thomas Taterka / 12.12.2023

, die wieder versemmelt wird . ( Ergänzung der Überschrift )

Peter Blom / 12.12.2023

Ein bloßes Ränkespiel zur Ablenkung des Publikums. Auch Corona war keine Notlage, also schon dieser Fond verfassungswidrig. Die ganze Regierung ist das und das Gericht…., Kommentar überflüssig. Wen interessiert es, ob die CDU Faschisten, die Ampelfaschisten ablösen? Mich sicher nicht.

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