Eran Yardeni
Die Krux mit dem Antisemitismus in seiner angepassten Form als Antizionismus ist, dass er den bedrohten Juden ein angeblich plausibles Erklärungsmuster für ihre elende Situation bietet. Weil der Antizionismus den weltweiten Judenhass sowohl geografisch als auch begrifflich und zeitlich lokalisiert, bietet er dem Opfer einen politischen Trost: Angeblich geht es nicht mehr um Rassismus sondern nur um Politik. Und Politik kann beeinflusst werden. Und genau dieser Aberglaube, dass es zwischen dem Antizionismus und der Politik Israels eine Kausalbeziehung gibt, verleitet viele Juden zu dem trügerischen Glauben, dass ihr Schicksal tatsächlich in den Händen der Israelischen Regierung liegt. Der Weg zum Selbsthass wird so kürzer denn je.
An Beispielen fehlt es nicht. Am Wochenende veröffentlichte die israelische Zeitung „ISRAEL HAYOM“ einen vierseitigen Bericht über die Einstellung des türkischen Durchschnittsmenschen zu Israel. Interessant aber war vor allem die Einstellung der in der Türkei lebenden Juden zu der heutigen Spannung zwischen Erdogan und Netanjahu.
„Premierminister Erdogan ist kein Antisemit sondern Antiisraelist“ Erzählt Mordechei, ein 83 jähriger Jude aus Istanbul. „In der Türkei werden die Juden geschätzt, keiner hat Probleme mit Juden, und wir fühlen uns nicht bedroht und haben auch keine Angst.“
Warum man am Eingang der NEWE SHALOM Synagoge in Istanbul strenger kontrolliert wird als am Ben Gurion Flughafen, hat der nette alte Mann nicht erklärt. Genau so rätselhaft bleibt, nach dieser selbsttäuschenden und naiven Einstellung, der gegen die europäischen Juden gerichtete islamische Antisemitismus, der unter den in Europa lebenden Türken weit verbreitet ist. Wie kann man diese gesellschaftliche Entwicklung mit der Antizionismus-Theorie in Einklang bringen?
Was Mordechei nicht verstehen will ist, dass für den Antisemiten, der sich als Antizionist darstellt, jeder Jude ein latenter Zionist ist, unabhängig von der Frage, wo er gerade lebt oder welche Einstellung er zum Zionismus hat. Die Juden werden so „prophylaktisch“ gehasst. Aus der Perspektive der Antisemiten kann der Jude seinen latenten Zionismus nicht loswerden, genau wie ehedem seine “rassischen” Merkmale.
In diesem Zusammenhang soll auch die tragische Rolle der in den islamischen Ländern existierenden jüdischen Gemeinden bedacht werden. Ihre bloße Existenz wird herangezogen, um die Antizionismus-Theorie zu bestätigen. Denn wenn Juden in islamischen Ländern leben können, zeigt dies doch, dass es dem Antizionismus nur um Israel und um seine Politik geht - und nicht um das jüdische Volk an sich.
Die Kinder von Mordechai leben inzwischen alle in Israel.