Gunter Weißgerber / 07.02.2020 / 13:00 / 30 / Seite ausdrucken

Je suis Thomas Kemmerich!

Am 5. Februar 2020 löste Thomas Kemmerich (FDP) den geschäftsführenden Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Die Linke) ab. Es war ein den parlamentarischen Regeln entsprechender demokratischer Vorgang. 

Das Kabinett Ramelow I wurde bekanntlich am 27. Oktober 2019 abgewählt. Seitdem repräsentierte Bodo Ramelow den Freistaat Thüringen geschäftsführend auf Landesebene und im Bundesrat. Eine Koalitionsbildung auf Mehrheitsbasis gelang ihm nicht. Die von ihm favorisierte Minderheitskoalition aus Die Linke/SPD/Die Grünen erarbeitete infolgedessen einen Minderheitskoalitionsvertrag, zu dessen parlamentarischer Umsetzung immer mindestens vier Stimmen aus den oppositionellen Fraktionen notwendig gewesen wären – ein höchst problematisches Verfahren, welches in Bälde zu Neuwahlen geführt hätte.

Am 6. Februar 2020 kündigte Ministerpräsident Kemmerich seinen Rücktritt unter der Voraussetzung von Neuwahlen an. Ein korrekter Vorgang. Helmut Kohl tat das nach dem konstruktiven Misstrauensvotum vom 1. Oktober 1982 gegen Helmut Schmidt in ähnlicher Weise. Die Neuwahl zum Deutschen Bundestag fand dementsprechend am 6. März 1983 statt. Helmut Kohl und die Union fuhren damals mit 48,8 Prozent einen deutlichen Sieg vor der SPD mit 38,2 Prozent ein. Mit dem Koalitionspartner FDP (6,9 Prozent) konnte Helmut Kohl seine Amtsgeschäfte, sozusagen vom Makel des Misstrauensvotums bereinigt, weiterführen.

Thomas Kemmerich sollte sich an Helmut Kohl diesbezüglich ein Vorbild nehmen und die Zeit bis zu Neuwahlen intelligent nutzen. Gelegenheit hierzu wird er sehr schnell erhalten. In Thüringen muss MP Kemmerich gemäß den Regularien nun alles tun, damit die jetzige unerquickliche Situation durch die korrekte Auflösung des Landtages und daraus folgenden Neuwahlen durch den Souverän – das Volk – gelöst werden kann. 

Regierte und Regierende müssen ein Interesse an diesem Prozess haben. Eine Neuwahl des Ministerpräsidenten vom jetzigen Landtag, der dann vielleicht wieder Ramelow heißt, wäre zwar leninistisch logisch, dem freiheitlich geschulten Blick vieler Thüringer wohl eher abträglich. Volksfrontklamauk à la Nationale Front, Walter Ulbricht und Erich Honecker sind seit 1989 out und sollen es bleiben. 

Chance als volkswirtschaftlicher „Retter des Vaterlandes“

Dem Urteil der Zeitgenossen, sich in dieser Situation Neuwahlen zu widersetzen, mag sich aussetzen, wer will – zu raten ist dazu keiner Partei. Eindeutig schuld an der Situation sind SPD und Grüne, die 2014 entgegen vieler Warnungen, auch aus ihren Reihen, den Tabubruch RRG unter einem linken Ministerpräsidenten begingen. Eindringlich wurde damals vor einem daraus folgenden massiven Erstarken der AfD gewarnt. Quod erat demonstrandum q.e.d. – siehe Landtagswahl 2019.

Ministerpräsident Kemmerich besitzt nun sogar die Chance, als volkswirtschaftlicher „Retter des Vaterlandes“ in die Geschichte einzugehen. Er ist Bundesratsmitglied und steht für vier Stimmen in dem Gremium. Er kann also sofort den ideologisch irrigen Rückbau des Standortes Deutschland zumindest mildernd beeinflussen. Je suis Thomas Kemmerich!

Im Gegensatz zu Hans Eichel (SPD), der 1999 im Bundesrat als geschäftsführender Ministerpräsident der Steuerreform 1999/2000/2001 zustimmte, ist Thomas Kemmerich „richtiger“ Ministerpräsident. Seine Rücktrittsankündigung ist für den Status ohne Belang. Die Wahlverlierer sollten sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst werden! Alles, was sie aktuell als Botschaft in die Republik senden, lässt sich auf die schwierige Formel bringen:

„Willst Du ein guter Christ- oder Freidemokrat sein, dann musst Du zwingend einen linken Ministerpräsidenten wählen!“ Das ist nicht gesund. Nicht für Thüringen, nicht für die Bundesrepublik. Der tragische Umkehrschluss lautet nämlich „Wer keinen linken Ministerpräsidenten will, der kann nur noch AfD wählen“. 

Um das zu verhindern, müssen CDU und FDP unbedingt freie Hand für ihre Politikansätze bekommen! Wer CDU und FDP in den an die SED erinnernden Kampf gegen rechts zwingt, der macht zuerst CDU und FDP und dann das Land kaputt. 

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Rudhart M. H. / 07.02.2020

Thüringer ! Besinnt Euch auf Eure eigenen Kräfte! Schickt die oberschlauen Wessis mit einem kräftigen Tritt nach Hause ! Ihr braucht weder einen hessischen Geschichtslehrer , wo sowieso keiner genau weiß , wer den dazu gemacht hat, noch braucht Ihr einen Herrn Ramelow oder einen Oberfrisör Kemmerich ! Wer PGH auflöst und sich dann das beste Stück selbst einverleibt , der ist doch allemal schon mehr als suspekt. Und schon gar nicht dürft Ihr akzeptieren, daß irgendwelche sich als Großmuftis generierende Partei-Granden , aus Berlin oder sonstwoher einfliegen , nur um bei Euch mal etwas aufzuräumen! Wo gibt es denn so etwas ? Weisungskompetenz aus Berlin, das hatten wir schon mehrmals ,- ... und mehrmals ist es bereits schief gegangen! Thüringer ! Nehmt endlich das Heft in die Hand und zeigt dem Rest der Republik, was Förderalismus und was Demokratie eigentlich heißt und bedeutet!

Michael Löhr / 07.02.2020

Je suis noch klar bei Verstand. Neuwahlen wird es nicht geben, der alte wie der neue MP heißt Ramelow, weil CDU und FDP von den aktuellen Umfragen und dem medialen Shitstorm so dermaßen eingeschüchtert sind, dass sie gar nicht anders können. Die Blumen kann man ihm dann aber auch vor die Füße werfen, wobei, das gibt ja wieder einen Shitstorm.

Detlef Fiedler / 07.02.2020

Ihre Träume in allen Ehren, werter Herr Weißgerber, aber die CDU in ihrer Gesamtheit hat vollständig versagt. Denn man glaubte jahrzehntelang der Machterhalt der Kanzlerin käme dem eigenen Machterhalt gleich. Wichtig ist und war für die CDU nur die Teilhabe an der Macht, welche Mitgliedern der Kanzlerpartei gewährt wird. Es wurde jedoch sträflich übersehen, dass die Kanzlerin ausschliesslich am persönlichen Machterhalt, an ihrer persönlichen linken Agenda interessiert ist. Gleichgültig ob die eigene Partei dabei immensen Schaden nimmt. Von der Bevölkerung dieses Landes ganz zu schweigen. Damit zeigen sich offen die Folgen der Sozialisation der Kanzlerin. Nicht mit offenem Diskurs, nicht mit Argumentation oder Überzeugungsarbeit soll Politik gestaltet werden. Sondern durch einseitige, rechtswidrige Entscheidungen unter Umgehung des Parlaments und der demokratischen Rechtsstaatlichkeit, mit gesellschaftlicher Ausgrenzung, durch politischen und sozialen Druck sowie durch DDR-Propaganda. Die CDU wird Ihren Erwartungen nicht entsprechen, eher wird sie zerrissen. Die FDP samt Kemmerich ist umgefallen, damit obsolet. Und die SPD ist faktisch bereits mit der SED verschmolzen. Es gibt keine Alternative zur Alternative.

Stefan Riedel / 07.02.2020

E gibt in der CDU einen Unvereinbarkeitsbeschluss, der eine Zuammenarbeit CDU und Linke betrifft. Herr Mike Mohring ( Merkel-CDU?) als Steigbügelhalter der Wiederwahl von Bodo Ramelow ( SED;”... dass sich die Staatspartei der DDR 1989 lediglich umbenannte und danach noch dreimal den Namen wechselte – bis sie sich 2007 etwas anmaßend Die Linke taufte. Sie ist weder eine Neugründung noch eine Nachfolgepartei, sondern, wie ihr Schatzmeister Karl Holluba 2009 an Eides Statt erklärte, „rechtsidentisch mit der ,Die Linkspartei.PDS‘, die es seit 2005 gab, und der PDS, die es vorher gab, und der SED, die es vorher gab.“ , Hubertus Knabe). Ich befürchte, Herr Mohring gehört der neuen Berufspolitikergeneration (Ich-PolitAGs ) an, der der Souverän – das Volk – reichlich egal ist, solange er seinem persönlichen Vorteil ( Mandat, Parteiamt, Ministerposten, Dienstwagen,Altersbezüge…) im Weg steht. Das Gemeinwesen als Supermarkt für die Parteien.

B. Ollo / 07.02.2020

Herr Kemmerich könnte sich als Volkswirtschaftlicher Retter allein dadurch hervortun, dass er schleunigst die beamteten Staatssekretäre (und Landesbeauftragte) der Linkspartei in einstweiligen Ruhestand versetzt. Die haben dann nämlich nur eine Legislatur auf dem Buckel und erhalten im einstweiligen Ruhestand, sofern das in Thüringen auch so zutrifft, nicht die 71 Prozent ihrer aktiven Besoldung auf Lebenszeit. Das würde dem Steuerzahler je nach Alter der Personen nicht nur ein paar Millionen, sondern Tendenz hunderte Millionen ersparen.

Bernhard Freiling / 07.02.2020

Wie sollte Kemmerich, vergleichbar mit Kohl, die Zeit “klug” nutzen? Schon im Vorfeld der Parlamentsentscheidung wurde die Zeit scheinbar nicht klug genutzt. Verfügt er etwa über ein “Schattenkabinett”? Minister in Spe, freudig erregt mit den Hufen scharrend, darauf wartend, endlich das ihnen zugedachte Ressort übernehmen zu können? Gibt es so etwas ähnliches wie eine “Regierungserklärung” oder die vage Vorstellung davon? Etwas, mittels dessen Kemmerich und seine “Mannschaft auf Zeit” dieselbe “klug” nutzen könnten? Nach meinem Kenntnisstand: Nein! Meine Vermutung: Seitens Kemmerich war das ein Versuch dem Wählerwillen, der keine linke Regierung sehen wollte, zu entsprechen. Gut gemeint ;-), spontan und unüberlegt. Das hat er jetzt davon. ++ Noch ist er ja nicht zurück getreten. Theoretisch bleibt also die Möglichkeit, er könne im Hinterzimmer noch so etwas wie ein Übergangskabinett zusammen schmieden. Das allerdings nur handlungsfähig wäre mittels Duldung durch die AfD. ++ Kemmerichs politische Karriere dürfte ohnehin zu Ende sein. Wäre er ein Mann, würde er versuchen, die AfD aus der Schmuddelecke heraus zu holen. Dann hätte er sich in den Augen aller Anderen noch unmöglicher gemacht, was nach dem Theater der vergangenen Tage kaum vorstellbar erscheint, Deutschland aber einen riesigen Dienst erwiesen. Wie das? Die AfD könnte beweisen nicht die “Nazi-Partei” zu sein, als die sie verunglimpft wird, AfD-Wähler könnten wieder erhobenen Hauptes ihres Weges gehen, Deutschland wäre vom Stigma des aufkommenden Nationalsozialismus befreit und den Linksfaschisten in Berlin wäre die Antifaschisten-Maske vom Gesicht gerissen. Dann müßte man Kemmerich ein Denkmal bauen.

Peer Munk / 07.02.2020

Im Prinzip sehe ich es auch so. Befremdlich finde ich allerdings die Einschätzung, dass es falsch von Grünen und SPD war, mit den Linken zu arbeiten, weil dadurch die AfD erstarkte. Ansonsten gibt es also keine Einwände gegen eine Zusammenarbeit mit der Nachfolgepartei der SED, die in der zweiten Diktatur auf deutschem Boden herrschte? Schon irre.

August Klose / 07.02.2020

Sorry, aber nach dem Gestammel unmittelbar nach der Wahl und bei Marionetta Slomka im Haltungsfernsehen zweifle ich, daß Kemmerich das Format zum MP hat. Ich zweifle, dass der ein politisches Programm hat. Der wollte doch nur spielen und war, wie man an seinem Mienenspiel nach der Stimmenbekanntgabe genüsslich sehen konnte, erschüttert, dass er das Spiel gewonnen hatte.

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