Claudio Casula / 09.04.2015 / 23:05 / 10 / Seite ausdrucken

Jakob der Spinner

In Amerika kann sich jeder Verrückte problemlos eine Waffe zulegen. Von dem „im Zweifel linken“ Jakob Augstein darf man annehmen, dass er das ganz furchtbar findet. Allerdings ist da dieser Mr. Horovitz. Er hat sich eine Schusswaffe zugelegt, seit sein Nachbar, ein Mann mit krimineller Vergangenheit, der auch häuslicher Gewalt nicht abgeneigt ist, ihm jeden Morgen über den Zaun zuruft, dass er Mr. Horovitz und seine Familie sehr bald kaltmachen werde.

Als der Nachbar schließlich eine großkalibrige Waffe erwerben will, plädiert Augstein vehement dafür, ihm eine zu verkaufen. Das sei nur recht und billig, denn Mr. Horovitz habe ja auch eine, und das raube der Nachbarschaft die Stabilität. Außerdem sei Mr. Horovitz ein unangenehmer Zeitgenosse, der solle sich mal nicht so haben, wenn der Nachbar Waffengleichheit fordere.

Alles klar? Näheres entnehme man dem wirren Elaborat, mit dem der SpiegelOnline-Kolumnist Jakob Augstein heute seine israelkritische Anhängerschaft beglückte und mit dem er sich nachdrücklich für einen der vorderen Plätze in den nächsten „Top Ten Anti-Semitic/Anti-Israel Slurs“ des Simon Wiesenthal Centers empfiehlt.

Augstein ist davon überzeugt, dass Israel über Nuklearwaffen verfügt. Nun, wenn überhaupt, dann ist dem seit mehr als viereinhalb Jahrzehnten so, ohne dass der jüdische Staat jemals den möglichen Einsatz von Atomwaffen im äußersten Notfall auch nur angedeutet, geschweige denn ein Land in seiner ekelhaften Nachbarschaft je bedroht hätte – anders als umgekehrt, denn keine Woche vergeht, ohne dass ein iranischer Geistlicher, Politiker oder Militär Israel die baldige Vernichtung in Aussicht stellt, von den Kettenhunden der Ayatollahs etwa im Libanon gar nicht zu reden.

Gegenwärtig unterstützt Teheran neben der radikalislamischen Hisbollah schiitische Milizen in Syrien und dem Irak sowie die Huthi-Milizen im Jemen, ist ohne Zweifel der eifrigste Unterstützer dschihadistischen Terrors und eine weitere Gefahr für die gesamte, ohnehin schon am Abgrund stehende Region.

Die eigene Bevölkerung hält die Islamische Republik seit nunmehr 36 Jahren unter der Knute, richtet hin, foltert, hängt Schwule an Baukränen auf und lässt Ehebrecherinnen steinigen. Augstein sieht das nicht so, der „Iran sei ja nicht die Karikatur, die wir uns malen“, ob in Öl oder Acryl lässt er offen, ebenso wie die Frage, ob es statthaft sein könnte, uns für diese Freveltat beizeiten mit halbautomatischen Waffen niederzumähen.

Der „Economist“ schreibe schließlich, dass der Westen „ein veraltetes und verzerrtes Bild von Iran habe“; offenbar hat sich dort vieles zum Guten gewendet, ohne dass es außer dem ominösen „Economist“-Redakteur und Jakob Augstein jemand mitgekriegt hätte. Es gebe keinen Anlass, so der Hamburger Millionär weiter, „die Machthaber von Teheran für verrückter zu halten als ihre Pendants in Washington und Jerusalem“, denn für einen Linken unserer Tage sind ein brutaler Gottesstaat und zwei liberale Demokratien eine Soße, wenn die Aversion gegen diese beiden Demokratien – zufällig von jeweils sechs Millionen Juden bevölkert – nur ausgeprägt genug ist.

Die gefährlichste Region der Erde, in der täglich Hunderte und Tausende hingemetzelt werden, bringt Augstein nicht um den Schlaf, dafür die gefühlt von Israel verursachte Instabilität des Nahen und Mittleren Ostens, denn, nicht wahr, „israelische Flugzeuge (haben) 1981 Ziele im Irak bombardiert und 2007 in Syrien“ – dergestalt die Stabilität verhindernd, die ein atomar bewaffneter Irak unter Saddam Hussein und ein atomar bewaffnetes Syrien unter Assad gewiss garantiert hätten.

Es sei eine Anomalie, so Augstein, dass Israel die einzige Atommacht im Nahen Osten sei, daher gönnt er den Ayatollahs, die ihre Anhänger auf den Straßen Teherans „Tod, Tod Israel“ skandieren lassen, eigene Nuklearwaffen. Obwohl es natürlich auch noch anders ginge: „Wer Iran die Bombe verweigern will, muss sie Israel nehmen“, meint Augstein, der auch nichts dagegen hätte, wenn die Zerstörung des jüdischen Staates mit konventionellen Waffen bewerkstelligt würde.

„Die iranische Bombe kommt sowieso – na und?“ Das fasst ganz wunderbar zusammen, was der Linke Jakob Augstein aus der Geschichte gelernt hat – nämlich den eliminatorischen Antisemiten von heute unter keinen Umständen in den Arm zu fallen.

Und sollte Bibi Netanyahu tatsächlich „Israel tief in die internationale Isolation geführt“ haben, müsste ihm Augstein alle paar Tage parfümierte Dankschreiben und kistenweise anständigen Rotwein zukommen lassen, denn genau das ist es ja, was sich der Sohn seines Vaters sehnlichst wünscht. Der jüdische Staat isoliert und sturmreif geschossen – allerdings von anderen, man selbst trägt diesmal keine Schuld, im Gegenteil, man hat ja immer wieder gewarnt.  - Vor Mr. Horovitz.

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Alexander Meichsner / 11.04.2015

Stilistisch hervorragend geschrieben, dabei die ideologische Verblendung herausarbeitend und die Verlogenheit in der Argumentation entlarvend. Vielen Dank!

Lukas Casutt / 11.04.2015

Ich lese gerne Artikel von Achse-Autoren. Dies, weil ich den Eindruck habe, dass sie wissen, von was sie schreiben, und dass es ihnen um Inhalte und nicht um Effekthascherei und einen “schmissigen” Schreibstil geht. Daher ein Detail am Rande - ein spiessiges und kleinkariertes, aber eines, das ich trotzdem erwähnen möchte: Der Autor schreibt “mit halbautomatischen Waffen niedermähen”. Eine halbautomatisch Waffe ist eine Waffe mit Magazin, bei welcher die Energie des ausgelösten Schusses dazu benutzt wird, die leere Patronenhülse auszuwerfen, eine neue Patrone in die Kammer zu befördern und den Hahn zu spannen. Im Unterschied zur vollautomatischen Waffe muss aber der Abzug für jeden Schuss einzeln betätigt werden. 1. Ich bin zwar Schweizer und möchte hier keine Deutschlektionen erteilen, aber ich meine, dass man nur mit vollautomatischen Waffen jemanden “niedermähen” kann. 2. Warum ist es in diesem Zusammenhang wichtig, zu erwähnen, dass die Leute ausgerechnet mit halbautomatischen Waffen getötet werden? Ändert sich am politischen Kontext etwas, wenn sie von einer Uzi durchlöchert oder mit dem Bajonett eines Langgewehres aus dem 1. Weltkrieg abgestochen werden? Bin ich ein Pendant, oder wurde hier die Genauigkeit der “Schmissigkeit” geopfert?

Walther Ehrmanntraut / 10.04.2015

Komisch. Niemals ist von Saudi Arabien die Rede wenn vom “Knechten Hinrichten und Foltern” geredet wird. Warum wohl?

Kati Schmidt / 10.04.2015

Kann man das als Lesebrief Spiegel schicken ? Wahrscheinlich bringen die das nicht, probieren lohn sich liebe Grüße Kati sShmidt

Karl-Hermann Leukert / 10.04.2015

Im Prinzip sollte jeder Staat Atomwaffen haben - wenn man Augstein konsequent zu Ende denkt. Und wieso eigentlich nur Staaten? Das ist kleinlich. Warum nicht auch Verlegersöhne? Was ist verrückt daran?

Maria Leuschner / 10.04.2015

Für Ihren Artikel einen riesengroßen Dank, Herr Casula! Vielleicht bin ich ja naiv, aber: können Sie diesen Beitrag nicht ebenso als Gastbeitrag an den “Spiegel” schicken - zur Gegendarstellung? Ist der Herr Augstein so indolent, oder macht es ihm einen luziferischen Spaß, oder noch insistierender nachgefragt: Welche seelischen Traumata muss man haben, um solche menschenverachtende Haltung jahraus-jahrein ohne jegliche innere Umkehr und Selbstbefragung zu offenbaren?

Ulrich Berger / 10.04.2015

Ich weiß nicht, wie das auf der “Achse” gesehen wird, aber meiner Erwartung nach würde der Iran SOFORT, nachdem er “ausreichend” Kernwaffen hätte, diese gegen Israel einsetzen. Mich würde es nicht wundern, wenn Augstein das klammheimlich auch so sähe - in freudiger Erwartung.

Wolfgang Schmid / 10.04.2015

Das Wort “Spinner” ist leider viel zu schwach. Er ist Idealist - und hinter dem Ideal ist das Übel am meisten verborgen, schreibt v.Doderer (oder war es K.Kraus?). Augstein hat sein Geld genommen, um seinen Schreiberling-Traum wahr werden zu lassen. Ihm geht es nicht um Vernunft oder Realität, sondern nur um das Aufrechterhalten seiner pupertären linken Ideal-Träume von einer besseren Welt. Und die ist simpel strukturiert wie alle Ideale. Für die geht man zumindest in Gedanken auch schon mal über Leichen. Nicht auszudenken, was passiert wär, wenn er zielgerichtet in die Politik gegangen wäre… Wenn ihn nicht dauernd seine Gesinnungsgenossen in ihre Talkshows zerren würden, wüsste man nicht mal, dass es den Freitag gibt. Ansonsten schreibt er unter Fast-Ausschluss der Öffentlichkeit. Und dementsprechend sollten Sie ihn auch nicht mehr beachten - so lange, bis ihm das Geld ausgegangen ist.

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