Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Berlin-Lichtenberg setzt in Sachen Demokratie neue Maßstäbe. Die Parlamentsmehrheit aus SPD, Linken und Grünen will allen Abgeordneten künftig vorschreiben, wie sie ihre Anträge zu formulieren haben. „In der Tagesordnung können nur Drucksachen behandelt werden, welche eine gegenderte Sprache beachten“, steht in einem Antrag der SPD zur Änderung der Geschäftsordnung der BVV. Wer also nicht ideologiegerecht formuliert, sondern in traditionellem, alltagsgebräuchlichem Deutsch, wird von wesentlichen Rechten eines Abgeordneten ausgeschlossen. Ein Demokratieverständnis, das sehr tief blicken lässt.
Nun könnte man wiederum sagen, dass es sich trotzdem um eine Marginalie handelt. Amtsdeutsch ist ohnehin kein sprachlicher Genuss, da kann man einem Antrag auch noch Gendersternchen und Unterstriche hinzufügen. Doch das Problem ist der Geist dahinter. Formulierungen sind auch inhaltsrelevant. Man kann die Inhalte jeweils mehrheitlich ablehnen, doch wenn man beginnt, mit Formulierungsvorschriften, bestimmte Inhalte von der der parlamentarischen Behandlung auszuschließen, dann wird es heikel. Denn es wird sicher nicht beim sprachlichen Gendern bleiben.
"Jetzt jagt er keine 'Grenzverletzer' mehr, sondern Gender-Verletzer"
Der linke Bezirksbürgermeister Michael Grunst kann sich auch weitere neue Regelungen in der Geschäftsordnung vorstellen, beispielsweise eine „quotierte Frau/Mann-Redeliste“, wie er dem Tagesspiegel sagte. Mit klaren ideologischen Regeln hatte Grunst schon in seiner Jugend kein Problem. Vor dem Mauerfall bereitete er sich auf der Offiziershochschule der Grenztruppen darauf vor, ebendiesen, wie auch jede Flucht, zu verhindern. Jetzt jagt er keine „Grenzverletzer“ mehr, sondern Gender-Verletzer.
Aber Schluss mit den billigen Sprachspielen, denn es ist ernst: Wenn Parlamente wirklich anfangen, Anträge von Abgeordneten nach Geschäftsordnungsregeln zu zensieren, dann ist es eine Beschneidung der Abgeordnetenrechte. Es macht es nicht besser, dass viele derer, die für diese Gender-Zensur-Regel für Bezirksparlamentarier stimmen, vor allem im Sinn haben, damit die AfD zu treffen. Die nämlich hat als Partei beschlossen, den „Genderwahn“ nicht mitzumachen. Ist die neue Regelung in Kraft, müsste die AfD mit jedem Antrag, der auch behandelt werden soll, gegen parteiinterne Beschlüsse verstoßen.
Die CDU-Fraktion lässt immerhin auch verlauten, die angestrebte Regelung begrenze „demokratische Teilhabe und wäre von uns abzulehnen“. Doch was passiert, wenn der Beschluss kommt? Klagt jemand deshalb dagegen? Doch eher nicht, denn das Ganze wirkt ja nur wie eine hauptstädtische Provinzposse. So könnte sich die fortschrittliche Praxis nach und nach auf leisen Sohlen etablieren und mit ihr der Gedanke, dass man Abgeordneten auch inhaltsrelevant vorschreiben kann, was sie wie formulieren und beantragen dürfen und was nicht.
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