Von Wolfgang Mayr
Zeitgleich, wenn auch nicht zusammen, traten am vergangenen Sonntag Matteo Renzi und Silvio Berlusconi auf. Die beiden ehemaligen Ministerpräsidenten des mittelinken Partito Democratico und des rechten Bündnisses um Forza Italia versuchten – der eine in Florenz, der andere in Mailand – ihre Anhänger auf den Wahlkampf einzustimmen. Im Frühjahr sollen die Bürger Italiens ihr neues Parlament wählen. Nach langer Zeit war eine Regierung ausnahmsweise die gesamte Legislaturperiode im Amt.
Renzi schied vor einem Jahr aus dem Politikbetrieb aus, weil die Bürger seine ehrgeizige Verfassungsreform ablehnten. Zuvor hatte Renzi als PD-Parteichef seinen Parteikollegen Letta abgeschossen und ihn als Ministerpräsidenten ersetzt. Seit seinem Ausscheiden versucht Renzi, seine Partei – einen höchst zerstrittenen Haufen aus ehemaligen linken Christdemokraten und Euro-Kommunisten – zu einen. Seit der Wahlschlappe in Sizilien strampelt sich Renzi verzweifelt ab. Sein Sonntags-Appell: Rückt zusammen. Er ist auf der Suche nach Partnern.
Silvio Berlusconi, der 1994 mit seiner national-konservativ-liberalen Forza Italia die Politik aufmischte, scheint es leichter von der Hand zu gehen. Bei den Regionalwahlen in Sizilien holte sein wiederbelebtes Bündnis „Centro Destra", Mitte-Rechts, fast 40 Prozent der Stimmen. Um Forza Italia herum gruppieren sich die Lega und der sizilianische Ableger der inzwischen zerbröselten Rechtspartei Alleanza Nazionale sowie weitere rechtslastige Grüppchen.
Berlusconi geht davon aus, dass er auch bei den gesamtstaatlichen Wahlen im Frühjahr 40 Prozent holen wird. Ob er aber als Spitzenkandidat antreten darf, ist offen. Wegen einer gerichtlichen Verurteilung belegte das Parlament Berlusconi mit einem Bann. Er hofft nun auf eine positive Entscheidung durch den Europäischen Gerichtshof.
Mehr Sex, weniger Steuern
Berlusconi wollte den starren und erstarrten Politik-Betrieb Italiens mit einer liberalen Revolution aufbrechen. Was von dieser Revolution übrig blieb: Sex-Parties mit Migranten-Kindern in seiner Nobel-Villa Arcore bei Mailand, seine Freundschaft mit dem ehemaligen libyschen Diktator Gaddafi und sein Männerbund mit Russlands Präsident Putin. Die angekündigte Modernisierung der italienischen Republik blieb eine Ankündigung.
Viele Wähler von Forza Italia wechselten in den vergangenen Jahren zur Liste Cinque Stelle von Beppe Grillo. Berlusconi will die abtrünnigen Wähler wieder zurückholen, bietet seine Allianz aus Mitte bis ganz Rechts als Alternative an. Er wirbt auch mit einem neuen Regierungsprojekt. In der 20-köpfigen Regierung sollen künftig nur mehr acht Politiker des Bündnisses sitzen, ansonsten Vertreter der Zivilgesellschaft. Berlusconi meint damit Unternehmer und Freiberufler.
Der inzwischen 81-jährige Berlusconi gibt sich kampfeslustig. Es sei ihm gelungen, Sizilien zu erobern, sein Bündnis liege jetzt klar vorne. Das sei sein Verdienst, ließ er die Öffentlichkeit wissen. Noch mehr sei möglich, deshalb werde er sich in den Wahlkampf stürzen. Seine Botschaft: Weniger Staat, weniger Steuern. Sein Konzept gegen die grassierende Steuerhinterziehung: Noch geringere Steuern.
Als einen ungemütlichen Gegner empfindet Berlusconi die Liste Cinque Stelle. Deren Spitzenkandidat Di Maio nennt Berlusconi einen Meteoriten, der stark glüht, aber am Ende verglühen wird. Di Maio wisse nicht, was Arbeit ist, spöttelt Berlusconi zurück. Die einzige Arbeit, die Maio verrichtet habe, sei Stadion-Wart beim SC Napoli gewesen, um gratis die Spiele anschauen zu können. Genüsslich verwies Berlusconi auf die erfolglose Arbeit der Bürgermeister von Cinque Stelle. Ob in Rom oder Turin und anderswo, die Bürgermeister von Beppe Grillo haben sich im Apparat gefangen. Der versprochene Aufbruch fand nicht statt.
Neue Parteien drängen ins Licht
Während für Berlusconi Grillo und seine nicht fassbare „Bewegung" ein Problem zu sein scheint, sind die ausgeschiedenen PD-Linken ein möglicher Stolperstein für Renzi. Auf der linken Seite versuchen zwei ehemalige PD-Parteichefs, Bersani und D’Alema, ihr Glück. Gemeinsam mit dem Kommunisten Nicola Fratoianni basteln sie an einem Links-Bündnis.
Bersani und D’Alema sind seit mehr als 50 Jahren in der Politik. Spuren haben sie keine hinterlassen. D’Alema, in der ehemaligen kommunistischen Partei ein grauer Apparatschik, war kurzzeitig Ministerpräsident. Statt den demokratiegefährdenden Interessenskonflikt von Berlusconi, Chef von Forza Italia und Eigentümer mehrerer TV-Sender, aufzubrechen, arrangierte sich der Kommunist mit dem Anti-Kommunisten. Bersani hatte vor fünf Jahren den Wahlkampf des PD total vermasselt und somit auch einen ordentlichen Wahlsieg. Beide, D’Alema und Bersani, sind schlechte Verlierer, nörgelnde Jammerer.
Beide wollten nach ihren Niederlagen zurücktreten, beide machten weiter. Sie verweisen auf die kommunistische Gewerkschaft CGIL, welche die zaghaften Arbeitsmarktreformen wieder zurückdrehen möchte, zusammen mit der entstehenden neuen Linken.
Gestandene PD-Politiker wie die ehemaligen Bürgermeister Fassino von Turin und Pisapia von Mailand appellieren an die alte neue Linke, in den PD zurückzukehren. Der ehemalige Ministerpräsident Prodi, in seiner Amtszeit von den linken Bündnispartnern ständig genert, und sein Vize Veltroni, erfolgreicher Bürgermeister von Rom, fordern ebenfalls D’Alema und Bersani auf, ihren linksideologischen Kampf gegen Renzi einzustellen. Nur eine geschlossene Reform-Linke habe eine Chance, warb Prodi um ein Ende des linken Familienstreits. Die Linke stellt sich taub, aus persönlichem Hass auf Renzi.
Ständig werden neue Parteien gegründet, Rifondazione Comunista, Sinistra Italiana, Partito Comunista, La Mossa del Cavallo; weitere Gründungen sind zu befürchten.
Wahlen werden damit für die Linke nicht zu gewinnen sein.