Ronald Reagan und Donald Trump, zwei Zirkuspferde aus dem amerikanischen Show-Geschäft, sie zogen aus, um das politische Establishment zu zertrampeln. Beide waren Renegaten. Republikaner Reagan war früher eingeschriebener Demokrat, der Republikaner Trump hat sogar die Clintons unterstützt. Er ist presbyterianischer Christ und so konservativ, daß es weh tut. Wie einst Reagan. Ist the Donald die Wiedergeburt von the Ronald?
Die volkspsychologische Situation von 1980, als Reagan zum Präsidenten gewählt wurde, war der von 2016 nicht unähnlich. Die Erinnerung an den verlorenen Vietnam-Krieg war noch frisch. Studentische Geiselgangster hielten das Personal der Teheraner US-Botschaft gekidnappt. Heute steht die amerikanische Politik vor einem Scherbenhaufen in Nahost. Die Vereinigten Staaten haben hinnehmen müssen, daß die Russen einen Teil der Ukraine shanghaiten. Und der Iran hat Washington einen Atomwaffensperrvertrag abgehandelt, den viele Kritiker für eine schmetternde Niederlage des Westens halten. Die Amerikaner sehen sich kollektiv gedemütigt. Sie brauchen dringend einen Erlöser.
Trump hat den Wahlslogan, mit dem Reagan erfolgreich war, übernommen (wenn nicht geklaut): "Let's make America great again." Was den Ostküsten- und den Westküsten-Populisten sonst noch verbindet: Trump ist, ebenso wie früher Reagan, gegen Abtreibung, für Volksbewaffnung, für eine restriktive Einwanderungspolitik, für radikale Steuersenkungen, für mehr Militär, gegen einen freieren Welthandel, er ist, wie Reagan, ein Freund von Fast Food und kein Freund der Gewerkschaften. Sein Faible für Putin fällt freilich aus dem Rahmen.
Michael Reagan, der Sohn des großen Kaliformiers, sieht nicht gern, dass sich der Immobilientycoon als Erbe seines Vaters an die Rampe spielt. Er sagt, es gebe nur wenige Gemeinsamkeiten. Ja, beide hätten ihre Meinung wohl mal geändert. Aber Dad habe für einen Wertewandel viele Jahre gebraucht, Trump schaffe das in 24 Stunden. „Er hängt sein Mäntelchen in jeden Wind, der ihm Thermik verspricht.“
Paul Kengor, Politikwissenschaftler am Grove City College in Pennsylvania, geht mit seinem Urteil noch weiter. "Trump ist der Anti-Reagan.“ Vor 37 Jahren wäre das ein Kompliment gewesen.
Nach 27 Minuten war der Sheriff tot
Reagan war und Trump ist dem Härte-Mantra verpflichtet. Ronald Reagan war ein eiserner Kommunistenfresser. Er trat an, um das "Reich des Bösen“ totzurüsten. Und das hat er auch geschafft. Wenn auch nur mit der ungewollten Unterstützung des liberalen Sowjetreichsverwesers Michail Gorbatschow.
Sie gehörten beide nie zu den Stillen im Lande. Unvergessen Reagans scherzhaft gemeinte Mikrophonprobe vom 13. August 1984, die leider auf Sendung ging: "Liebe Landsleute, ich freue mich, Ihnen sagen zu können, dass ich ein Gesetz unterzeichnet habe, das Rußland für immer verbietet. Wir beginnen in fünf Minuten mit der Bombardierung." Der Scherz hätte leicht zu einem globalen Showdown führen können.
Ronald Reagans Waffe war nicht das Florett, sondern die Nagelkeule. Einmal, so erzählte er, habe er als im Fernsehen einen Sheriff gespielt, der meinte, im Amt ohne Colt auskommen zu können. "Nach 27 Minuten war ich tot." Aus dieser Erfahrung hat er seine Schlüsse für die amerikanische Sicherheitspolitik gezogen.
Reagan paukte gegen den Widerstand etlicher Verbündeter und der Friedensbewegung gnadenlos den Nato-Doppelbeschluß durch, der letztlich das atomare Übergewicht der Sowjetunion verhinderte. Und zwar mit Unterstützung des deutschen Kanzlers Helmut Schmidt, der ihm zwar vom geistigen Zuschnitt fern, aber in der Sache nahe stand.
Reagan war der Mann mit dem weißen Hut. Die mit den schwarzen Hüten fand er keiner Kommunikation für würdig. Mit Terroristen verhandle er nicht, sagte er im Oktober 1983 nach einem verheerenden Sprengstoffanschlag in Beirut, bei dem 241 US-Soldaten starben. Und auf Vorhaltungen, man müsse gegebenenfalls auch widrige Tatsachen zur Kenntnis nehmen: "Fakten interessieren mich nicht."
Obwohl die Etablierten ihn für einen Dösbattel hielten, der ihrer festen Überzeugung nach niemals ins Weiße Haus einziehen würde, gewann Reagan 1980 die Präsidentschaftswahl gegen den glücklosen Jimmy Carter mit deutlichem Abstand.
Carter wurde in der entscheidenden Fernsehdebatte von Reaganscher Ironie mattgesetzt. Als er mit seiner Gesundheitsreform zu prahlen begann, griente der Herausforderer: „Here you go again“ – ach, er nun wieder. Das Publikum grölte vor Vergnügen, und das war´s.
Mit noch größerem Vorsprung warf Reagan 1984 den Demokraten Walter Mondale aus dem Rennen. Carter und Mondale waren dem robusten Charme des „ great communicators“, wie seine Freunde und Gegner ihn nannten, nicht gewachsen. Reagan nötigte sogar vielen Liberalen und Intellektuellen Respekt ab. Trotz seiner burschikosen Allüren und trotz seiner schlichten Ausdrucksweise: "Ich benutze kein zweisilbiges Wort, wenn es dafür auch ein einsilbiges gibt." Umgangssprachlich steht Trump ihm nahe. Auch dessen Reden haben häufig das Niveau eines Grundschülers.
Reagan hatte gute Manieren
Reagans politische Bilanz ist überwiegend positiv. Er hat dem Weltfrieden einen Dienst erwiesen, indem er den Sowjetimperialismus platt machte. Die deutsche Wiedervereinigung hätte es ohne ihn auch nicht gegeben. „Reagonomics“ generierten, vor allem über rabiate Steuersenkungen, ein beachtliches Wirtschaftswachstum (allerdings auch einen monströsen Schuldenberg und mehr soziale Ungleichheit).
Was Reagan vor allem von Trump unterscheidet: Er hatte gute Manieren, er legte Wert auf Etikette, er griff nie einen Gegner persönlich an. Trump dagegen benimmt sich wie ein Harley-Rocker beim Debütantinnen-Ball. Einen behinderten Reporter, der ihm mißfiel, am Rednerpodium nachzuäffen, nein, das wäre Reagan nicht passiert. Trumps Unbeherrschtheit kam in dem Fernsehduell am 26. September wieder zum Tragen.
Jedoch, Jeffrey Lord, ein ehemaliger Reagan-Helfer, sagte dem Londoner „Telegraph“: „Über Ronald Reagan hat die Elite gewitzelt, er sei ein B-Klasse-Kino-Star, er könne nie gewinnen. Und er gewann doch. Genau das passiert jetzt wieder. Ich fühle es.“ Der New Yorker Exbürgermeister Rudy Giuliani hat zu erkennen gegeben, daß er es so ähnlich sieht. Seine Aufholjagd hat Donald Trump in den vergangenen Wochen ein paar Prozentpunkte näher an Hillary Clinton herangebracht. In der TV-Debatte gingen sie wohl wieder verloren. Die Amerikaner, sagt Sloterdijk, seien ein Kindvolk. Sie mögen es, wenn einer Leben in die Bude bringt. Aber Trump ist offenbar selbst ihnen zu laut. Angeblich hat er wieder gelogen. Aber in Sachen Glaubwürdigkeit geben sie sich beide nicht viel..
Die Krawatte kürzer binden, kann entscheidend sein
Um zu gewinnen, muß der Wettbewerber aus Manhattan noch viel Kreide futtern. Er muß es unterlassen, Journalistinnen (wie neulich die Fox-News-Redakteurin Megan Kelly) als „Bimbo“ zu beschimpfen, „bei der das Blut aus was auch immer… läuft“, und er muß, wie aus Umfragen hervorgeht, seine Krawatte kürzer binden. Vor allem muß er dem Wahlvolk den Eindruck vermitteln, daß er das, was er heute sagt, morgen noch meint. Amerikanische Wähler finden politische Inhalte weniger bedeutend als europäische. In Sachen Wahrhaftigkeit geben sich beide Kandidaten nichts. Ihre Popularitätswerte sind gleichermaßen dürftig. Gewählt wird letzten Endes, wer als das geringere Übel angesehen wird.
In Trump-Kreisen kursiert ein altes Foto, auf dem der Finanzmogul zusammen mit der Ikone Reagan auf einem Empfang im Weißen Haus zu sehen ist. Dazu wird ein angebliches Reagan-Zitat gereicht: "Als ich diesem jungen Mann begegnete, hatte ich das Gefühlt, daß ich einem Präsidenten die Hand schüttelte.“ Die Reagan Library hat in Archiven in ganz Amerika nach einem Beleg für das Zitat gesucht. Sie hat keinen gefunden.