In Malawi fand gerade ein friedlicher Machtwechsel statt. Und auch sonst sind manche afrikanische Staaten viel demokratischer als ihr Ruf. Jüngste Entwicklungen in Deutschland geben da eher Anlass zur Sorge.
Wie ich bereits auf der Achse schrieb, wird von der westlichen Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommen, wenn es in afrikanischen Staaten friedliche Machtwechsel gibt. Ein seltener Vorgang in Afrika. Hier wird nicht das häufig zu beobachtende Muster widergespiegelt: Die Amtszeit eines alternden Präsidenten und ehemaligen Hoffnungsträgers neigt sich verfassungsgemäß dem Ende entgegen, doch der Staatschef will unbedingt noch länger im Amt bleiben (Beispiel: „Das Problem Afrikas im Allgemeinen und Ugandas im Besonderen sind nicht die Menschen, sondern die Führer, die zu lange an der Macht bleiben wollen“, – sagte Ugandas Langzeitpräsident Yoweri Museveni, als er 1986 an die Macht kam). Doch ein weiteres Mal lief es anders. Jetzt ist ein weiterer Staat im südlichen Afrika hinzugekommen.
Malawi in Südostafrika (23 Millionen Einwohner) wurde nach der Unabhängigkeit von Großbritannien von 1966 bis 1993 von dem Arzt Dr. Kamuzu Hastings Banda – der in der Öffentlichkeit grundsätzlich mit Zylinderhut auftrat – diktatorisch regiert. 1993 wurde er in einem friedlich verlaufenden Referendum abgesetzt. Bis dahin war die Regierungspartei die einzige zugelassene Partei.
Nach dem Referendum wurde ein Mehrparteiensystem beschlossen. Der Präsident wird alle fünf Jahre in direkter Abstimmung neu gewählt. Das Rechtssystem orientiert sich nach britischem Recht. Malawi ist ein weitgehend christlich geprägtes Land und hat Erfahrung mit demokratischen Regierungswechseln. Deshalb zählt das Land zu den stabilsten des Kontinents.
Noch nie erlebte das Land einen Bürgerkrieg und das Verfassungsgericht hatte schon einmal eine Wahl (2020) wegen massiver Manipulationsvorwürfe („signifikante Anwendung von Korrekturflüssigkeit“) annulliert. Das war bislang nur einmal, 2017 in Kenia, möglich. Der kenianische Supreme Court erklärte die Wiederwahl von Kenias Präsident für ungültig (nicht im Einklang mit der Verfassung).
Dieses Mal wurde von internationalen Beobachtern bestätigt, dass die Wahl transparent und glaubwürdig verlief. Vor gut einer Woche waren in Malawi Präsidentschaftswahlen. Zu Wahl standen der Amtsinhaber Lazarus Chakwera (70) von der „Malawi Congress Party“ (MCP) und Peter Mutharika (85) von der „Democratic Progressive Party“ (DPP). Nach der Abstimmung hatten beide Politiker – wie in Afrika häufig der Fall – verkündet, gewonnen zu haben. Am 24. September hat Chakwera (ehemaliger Pastor) seine Niederlage eingeräumt und Mutharika zum Wahlsieg gratuliert. Der frühere Anwalt Peter Mutharika war bereits von 2014 bis 2020 Staatschef.
Warum sollte uns diese Wahl interessieren?
Nach Ansicht von Beobachtern ist das Wahlergebnis weniger ein Votum für Mutharika, sondern ein Protest gegen Chakwera wegen der sich stetig verschlechternden Wirtschaftslage, steigenden Lebenskosten, Treibstoffknappheit und hoher Arbeitslosigkeit. Die Landwirtschaft ist in Malawi der bedeutendste Arbeitgeber, größte Devisenbringer und Versorger des Binnenmarktes. Exportiert werden Tabak, Tee, Kaffee und Zuckerrohr. In neuerer Zeit werden Cannabisprodukte angebaut. Das Land hofft auf fortschreitende Legalisierung von Cannabis auf den Abnehmermärkten in der EU und Nordamerika. Malawi verfügt über zahlreiche Erzvorkommen, wie Uran, Niobium, Grafit, Ilmenit, Bauxit und seltene Erden. Die Minen befinden sich allerdings erst im Aufbau.
Warum sollte uns diese Wahl interessieren? Deutsche Medien schreiben gerne, dass sie die Durchführung von demokratischen Wahlen in Afrika bezweifeln. Für die Zweifel gibt es in einigen Autokratien gute Gründe. Dort wird tatsächlich aus der Demokratie eine Farce gemacht. (Erlebt habe ich dies zum Beispiel in Guinea und Kamerun.) Aber es gibt auch transparente, glaubwürdige Wahlen, wie gerade in Malawi, und keine Demokratie-Simulation.
Natürlich wäre es undenkbar bei uns, dass Vertreter anderer Parteien etwa einen Kandidaten aus politischen Gründen – mit dünnen Argumenten – von der Wahlliste streichen, wie etwa in Kamerun. Bei uns würden doch sicher Gerichte die Entscheidung – wie Kenia und Malawi – aufheben, weil Grundregeln der Demokratie verletzt wurden. Auch würden bei uns die öffentlich-rechtlichen Medien die Meinungsvielfalt vorleben und keine einseitige Ausrichtung wie in Kamerun dulden. Oder?
Volker Seitz ist Botschafter a.D. und Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“, dtv, 2021 (11. aktualisierte Auflage). Das Buch wurde seit dem erstmaligen Erscheinen (2009) mit jeder der zahlreichen Neuauflagen aktualisiert und erweitert. Von der ersten Auflage bis heute haben sich die Seitenzahlen fast verdoppelt. Das Buch hat durch seine Informationsdichte einen hohen Wert. Seine Aussagen gelten nach wie vor. Die so genannte Entwicklungshilfe subventioniert immer noch schlechte Politik. Solange immer Ausreden gefunden werden, warum korrupte Regime unterstützt werden sollen, werden auch die Fluchtursachen nicht verringert werden. Die Profiteure der Entwicklungshilfe behaupten: Hilfe funktioniert. Aber warum geht es heute den meisten afrikanischen Ländern schlechter als zum Ende der Kolonialzeit, fragt Seitz. Es würden kaum Arbeitsplätze vor Ort geschaffen und das breite Elend werde nicht beseitigt, weil Zielgruppen nicht in die Maßnahmen einbezogen werden.
Seitz wird nie pauschal, hebt immer wieder positive Beispiele hervor und würdigt sie im Detail. Ein Buch, das über weite Strecken auch Lesevergnügen bereitet,ist immer noch genauso aktuell wie zum Zeitpunkt seiner Erstveröffentlichung. Es richtet sich nicht an ein Fachpublikum. Der Autor bedient sich einer Sprache,die klar ist, sodass sie auch Lesern ohne jegliche Vorkenntnisse einen Zugang zu der Thematik - die uns alle betrifft - eröffnet.
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Beitragsbild: David Davies - https://www.flickr.com/photos/davies/15506957449/, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons

Lieber Herr Seitz,
vielen Dank für Ihren unermüdlichen Eifer, uns im Westen das Wesen Afrikas näherzubringen!
Leider sieht der Westen, insbesondere Deutschland, nur das, was er sehen will. Auch die Presse, von der man annehmen sollte, dass sie neutral informiert, ignoriert Themen wie demokratische Wahlen in Afrika – wahrscheinlich, weil diese nicht in das Weltbild bestimmter Redakteure passen.
@Volker Seitz: 'Deutsche Medien schreiben gerne, dass sie die Durchführung von demokratischen Wahlen in Afrika bezweifeln.' Naja, kommt drauf an. Afrika ist ein Kontinent. Auf dem Kontinent existieren etwa 50 Staaten. Für deutsche Medien kommt es immer drauf an WO 'demokratisch gewählt' wird und welche Regierung ihre Macht in Wahlen verteidigen muß. Ich kann mich nicht erinnern, daß deutsche Qualitätsmedien irgendwann 'die Durchführung von demokratischen Wahlen' in Namibia, Mocambique oder Angola bezweifelt haben. Dort regieren halt 'Froinde' - und gewinnen tun seit über 30/40 Jahren IMMER 'die Richtigen'. Klar. Sonst wären die Wahlen dort ja auch nicht 'demokratisch'. - @Volker Seitz: Betrachten Sie diesen meinen Beitrag heute einfach als kleine Frotzelei und ergänzende Anmerkung. Ich schätze Ihre Arbeit sehr. Danke, daß Sie uns an Ihrem Wissen und Ihren Kenntnissen teilhaben lassen. Und machen Sie hier auf der Achse unbedingt weiter! 'Das Bild Afrikas in deutschen Medien wird von den vier großen K's dominiert: Kriege, Krankheiten, Katastrophen, Krisen.' (Hans-Josef Dreckmann zugeschrieben). Hans-Josef Dreckmann, ehemaliger Leiter ARD-Studio in Nairobi informierte in den 80-er und 90-er aus und über Afrika - in vorbildlicher Weise. Heute ist er über 85 Jahre alt. Journalisten wie ihn, vermisse ich schmerzlich. Konnten Sie Dreckmann mal persönlich kennenlernen?
"Deutsche Medien schreiben gerne, dass sie die Durchführung von demokratischen Wahlen in Afrika bezweifeln. Für die Zweifel gibt es in einigen Autokratien gute Gründe." - Und die selben "wertewestlichen" Medien jubeln über durch EU-Geld finanzierte, gekaufte "Farbrevolutionen" und ggf. wahlweise weggesperrte Opposition in der Gegenwart in Moldawien, Georgien, Armenien, Serbien, EU-Mitglied Rumänien wie das sprichwörtliche "Grab".
Ich fand es immer bemerkenswert, dass die getrockneten Straucherbsen (toor dal) in Indien aus Malawi importiert wurden.
Bezüglich des Titelbildes scheint Herr Seitz mehr zu wissen, was er uns noch verschweigt. Ist der "Dickhäuter" vor dem Berliner Reichstag schon der Vorbote der von Botswana angebotenen 20 000 "Migrations-Fanten", die man "uns" aufdrücken will? Nicht daß "wir" uns falsch verstehen, ich fände es gut. Und Weideflächen haben wir ja auch genug, in den Wiesenreihen zwischen den geplanten "Solar-Feldern", die der bäuerlichen Lebensmittelproduktion nach und nach entzogen werden sollen.
Hallo Herr Seitz, man könnte den Malawisee um ein paar Meter anstauen und hätte Strom zu Hauf. Und eine Fischtreppe geht auch. Und Schleusen, Straßen, Brücken, Eisenbahnen. Wenn in D der Islam herrscht, gehen wir dahin, wir werden schließlich 120 Jahre alt.
Es gehört nun wirklich nicht viel dazu, dass es irgendwo auf der Welt demokratischer zugeht, als in „Unsere Demokratie“.