Rainer Bonhorst / 03.05.2025 / 06:15 / Foto: Pixabay / 133 / Seite ausdrucken

Ist jeder Vierte gesichert rechtsextrem?

Fast ein Viertel der deutschen Wähler sind, wie es scheint, gesichert rechtsextrem. Denn so viele wählen die AfD. Und die hat ja jetzt vom Verfassungsschutz das vernichtende Urteil erhalten. 

Und nun sitze ich im Bus und schau mir die Leute an. Und komme nicht weiter. Man sieht es den Leuten nicht an. Nur die Afrikanerin mit den beiden süßen Kindern ist wahrscheinlich nicht gesichert rechtsextrem. Aber mein blonder Nachbar? Er sieht ganz schön nordisch aus. Ist er vielleicht gesichert? Oder das Gegenteil? Ein blonder Linksextremer? Schwer zu sagen. Links ist das Extreme offenbar nicht ganz so gesichert wie rechts.

Jedenfalls, soweit es nach unserem Verfassungsschutz geht. Ist der blonde Ungesicherte neben mir vielleicht sogar ein V-Mann bei den Gesicherten? Dann wäre er ein gesicherter Staatstragender. Oder ein Geläuterter, also ein ehemals gesicherter Rechtsextremer, der sich zum Staatsträger gewandelt hat.

Ach, der jüngste Bericht des Verfassungsschutzes zur AfD wirft viele Fragen auf. Unter anderem, ob nicht nur die Partei sondern auch ihre Wähler gesichert rechtsextrem sind. Und ob man sie also verbieten sollte. Also jeden vierten Wähler verbieten? Das hätte den erstaunlichen Vorteil, dass die gesicherte Verliererpartei SPD auf einmal wieder zwanzig Prozent oder gar mehr kriegen würde. Also fast so viele wie die gesichert rechtsextreme AfD.

Die ganzen neuen Länder von den Wahlen ausschließen

Das wäre natürlich ein sozialdemokratischer Knüller, den die scheidende Innenministerin Nancy Faeser ihren Parteifreunden zum Abschied gemacht hätte. Aber mit so einem Wählerverbot ist das ja so eine Sache. Früher in Amerika konnte man sowas ja noch machen, indem man Schwarze nicht an die Wahlurnen ranließ. Aber heute? Bei uns? Bei so vielen? Und dann ist da noch Ostdeutschland. Da wählen die Leute ja massenhaft die nunmehr gesichert Rechtsextremen. Wahrscheinlich, weil sich so viele noch an die gesichert kommunistische Vergangenheit erinnern. Jedenfalls müsste man im Zweifel die ganzen neuen Länder von den Wahlen ausschließen. Ganz im Sinne von Bertolt Brecht, der unzufriedenen Politikern ja empfohlen hat, sich ein neues Volk zu wählen.

Da müsste aber zunächst einmal geklärt werden, wieviel Prozent Gesicherte es braucht, damit ein ganzer Laden als gesichert gelten kann. 25 Prozent? 50 Prozent? Oder was? Diese Frage stellt sich nicht nur in Bezug auf die Wähler sondern auch in Bezug auf die nun offiziell gesichert rechtsextreme Partei. Wie viele ihrer Mitglieder fallen unter die Kategorie der Gesicherten. Der Fromme sagt, dass ein fauler Apfel den ganzen Apfelkorb verderben kann. Aber faule Äpfel gibt es in jedem Obstkorb. In der Politik möchte man es schon ein bisschen genauer wissen.

Fragen wir doch einfach mal beim Verfassungsschutz nach. Die müssen es ja wissen. Wie bitte? Die verraten das nicht? Weil sie so geheim sind? Schade, jetzt ist man auf Schätzwerte angewiesen. Und da kommt schon einiges zusammen. Offensichtlich faule Äpfel sind im AfD-Korb keine Mangelware. Warum wirft man die nicht einfach raus aus dem Korb? Da blieben doch noch eine Menge essbarer Äpfel übrig. Aber leider, ohne die Faulen wäre man nicht die größte Oppositionspartei, sondern womöglich nur so dürftig wie die künftige Koalitionspartei, die inzwischen Muskeln spielen lässt, die sie gar nicht hat.

Jedenfalls hat die AfD, die sich von ihren faulen Äpfeln nicht trennen mag, nun den Salat. Gesichert rechtsextrem. Folgt nun das Verbot? Das dürfte schwer werden. Nach den bisherigen Erfahrungen mag die AfD gesichert rechtsextrem sein, aber keineswegs gesichert verbotswürdig. Da lässt man lieber die Finger davon, damit man sie sich nicht verbrennt.

Wie im Hotelaufzug, wenn einer gefurzt hat

Was tun also? Einen Schuldigen suchen, der oder die mitverantwortlich für den Aufstieg der unerwünschten Partei ist? Da gäbe es Kandidaten. Aber bei denen ist es wie im Hotelaufzug, wenn einer gefurzt hat: Alle schauen sich vorwurfsvoll an, und keiner will es gewesen sein. Auch Nancy Faeser nicht, die ja – wie ihre ganze Partei – durchaus als Mitverantwortliche infrage käme. Wegen ständigen Entfernens von den Wünschen und Problemen des Wahlvolks. Auch die allzu grünlich gewordene CDU kann den Unschuldsengel nur spielen. Von den echten Grünen ganz zu schweigen. Aber die wollen nun mal ihr Ding durchziehen, ohne Rücksicht auf Risiken und Nebenwirkungen.

Und nun sitzt die zum Kollateralschaden erklärte Partei unübersehbar, aber offiziell unberührbar im Bundestag. Fast so breit wie die Unionsparteien. Und die anderen Parteien schauen neidisch hinüber und hätten gerne auch viele Sitze wie die Ausgestoßenen. Und Alice Weidel, die mit einer Frau mit Migrationshintergrund in einer eingetragenen Partnerschaft lebt, sitzt in der ersten Reihe. Als wandelnde Verkörperung der Frage, was heutzutage eigentlich gesichert rechtsextrem ist.

 

Rainer Bonhorst, geboren 1942 in Nürnberg, arbeitete als Korrespondent der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) in London und Washington. Von 1994 bis 2009 war er Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen-Zeitung.

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Alfons Hagenau / 03.05.2025

Ist jeder Vierte gesichert rechtsextrem? — Nein, jeder,  der der Meinung ist, dass die Deutschen ein „Volk“ seien. Oder die Türken oder die Palästinenser oder die Chinesen oder, oder, oder. Denn der hat einen „ethnischen Volksbegriff“, der gegen die Menschenwürde verstößt, weil z.B. Deutsche - die es nicht gibt - bekanntlich eine bessere Sorte Mensch sind. Eigentlich betrifft das also alle, der Verfassungsschutz darf deshalb jetzt absolut jeden überwachen - hat nur noch nicht jeder begriffen! NB: Der Schutz nationaler Minderheiten ist damit auch rechtsextrem, weil dieser von einem „ethnischen Volksbegriff“ ausgeht. Auch das GG ist somit in Teilen ein rechtsextremes Pamphlet.

Karl-Heinz Vonderstein / 03.05.2025

Naja, einige Prozent davon sind wohl rechtsextrem. Aber die meisten wohl nicht. Der Journalist und Fernsehmoderator Georg Restle meinte auf X, man solle die von der AfD nicht mehr in Talksendungen einladen und ihnen eine Bühne geben. Man solle nur noch über die AfD reden. Ähnliches schrieb auf X Katrin Göring-Eckart von den Grünen. Ich frage mich, was die für ein komisches Demokratieverständnis haben und merken es selbst noch nicht mal.

Rainer Möller / 03.05.2025

Marx’ Drehbuch sah ja schließlich eine Periode der Diktatur vor. Wir können uns aber freuen:  Danach kommt die Demokratie wieder. Weil wir dann alle die gleichen Meinungen und Interessen haben und freiwillig die gleiche Partei wählen. Freuen wir uns auf das, worauf wir uns freuen können! Das wirklich Erstaunliche ist m.E., dass das alles so lange gedauert hat. Und das bloß weil Adenauer es gewagt hat, 1949 nicht die medial erwünschte Koalition mit der SPD zu bilden, sondern eine alternative Koalition mit zwei kleineren Rechtsparteien (FDP und DP, der BHE kam erst später). Der Mann muss, verglichen mit Merz, wirklich ein Held gewesen sein.

Sebastian Laubinger / 03.05.2025

Interessant ist besonders, dass die SPD ein gewaltiges Medienimperium unterhält, und die Regierungsparteien mittels “Bürger"geld ihre Klientel fest an sich binden—fast so eng wie in der römischen Republik. Wer sich’s in der sozialen Hängematte bequem gemacht hat, ist auf Gedeih und Verderb seiner Regierung ausgeliefert. Lustig, dass das Gutachten geheim bleiben muss. Was die vom Herrn Bonhorst erwähnten ekligen Gestalten angeht, so möchte ich, ohne des whataboutisms bezichtigt zu werden, gerne darauf verweisen, dass besonders bei der SED—PARDON, sie heißt jetzt ja, “Die Linke” auf gar keinen Fall weniger anzutreffen sind, die unsere Republik nur zu gerne überwinden würden. Aber darüber spricht man (natürlich?) NICHT.

Th. Gerbert / 03.05.2025

Man sollte das Verfassungsschutz-Gutachten veröffentlichen - Stellen, die Rückschlüsse auf Quellen (sprich: Undercover-Agenten) zulassen, kann man ja schwärzen. Hält man es unter Verschluss, stärkt man nur den Märtyrerstatus der Partei. Natürlich sind nicht alle Wähler der AfD rechtsextrem. Allerdings muss man sich fragen, wie man eine Partei wählen kann, wo mal die SS in Teilen exkulpiert wird, mal ein wenig mit Nazisprech geflirtet wird. Von Personen, die großen Rückhalt in der Partei zu haben scheinen, und auf die man offenbar nicht verzichten mag.

Günter H. Probst / 03.05.2025

Die Stufe 2 des Verfahrens in das Verbot wurde gezündet. Nach Jahren des Verdachts mußte die Bürokratie zu einem Ergebnis kommen. Entweder den Verdacht aufheben oder ihn bestätigen. In einem Staat, in dem die Stalinisten in SEDNachfolgeparteien unbehelligt ihr Unwesen treiben könnnen, und in der die überkommenen Parteien Wesentliches, wie Innere und Äußere Sicherheit, Energieversorgung, Infrastrukturerhalt, usw. nicht auf die Reihe bekommen, ist die Ausschaltung von erfolgreichen Alternativen für die politisch Herrschenden überlebenswichtig. Gut, daß man sich auf den Staatsstreich der Hitleristen, aber nicht auf die Gruppe Ulbricht stützt. Das Verbot wird durch die Verknüpfung von Menschenwürde und Staatsangehörigkeit vorbereitet. Obwohl witzigerweise immer noch gilt, daß ein Kind, daß von deutschen Eltern abstammt, die deutsche Staatsangehörigkeit qua Geburt erhält, und das GG davon ausgeht, daß es vom Deutschen Volk kraft dessen verfassungsgebenden Gewalt gegeben wurde, stützt sich die Rechtsradikalismusthese der Verfassungsschutzbürokratie auf den Widerspruch zwischen ethnisch völkischer Abstammung und Staatsangehörigkeit. Dabei galt im Mai 1949, als das Grundgesetz verabschiede wurde, noch der Grundsatz, daß Deutscher ist, wer von deutschen Eltern abstammt. Die Verfassungsfeindlichkeit wird dadurch hergestellt, daß derjenige, der die Masseneinwanderung skeptisch sieht, und die Staatsbürgerschaft nicht verschleudern möchte, als Fremdenfeind, und damit als Menschenfeind gewertet wird, der gegen die Menschenwürde verstößt. So wird dem Verfassungsgericht das Tor zum Verbot geöffnet.

Karl Emagne / 03.05.2025

Volksgemeinschaften nach ethnischer und religiöser Identität zum veralteten, rechtsextremen Modell zu erklären, welches längst von der multikulturellen Moderne verdrängt wurde, ist die Kernaussage des Gutachtens zur AfD. Und die Deutschen, die zu schon länger “hier” Lebenden degradiert werden, erst gar nicht dazu befragen zu wollen, ein nicht auszuräumendes demokratisches Defizit. Der logische Trugschluss “unserer Demokraten” offenbart sich bereits im “hier”, dem Platzhalter für einen volks- und grenzenlosen Staat, den es nirgends auf der Welt gibt, auch nicht auf dem Flecken Land, der einmal Deutschland hieß. Dafür wird das linksradikale Konstrukt aber grenzenlos übergriffig. Die Bilderstürmer laufen sich gegen die 25% vorwiegend ethnisch Deutschen warm, deren Feinde sie sind. Für eine integrative multikulturelle Gesellschaft ist das kein besonders guter Anfang. Sondern vielmehr die Bestätigung für ihr höchstwahrscheinliches Scheitern.

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