Der mutmaßliche Mord an George Floyd durch einen Polizisten führt seit einer Woche in den USA zu landesweiten Protesten, in denen sich erhebliche Gewalt entlädt: Von Ausschreitungen über Vandalismus bis hin zum blanken Terror ist alles mit dabei, was die ursprüngliche Demonstration gegen Polizeigewalt diskreditiert und pervertiert.
Der US-amerikanische Präsident Trump macht für diese ausufernde Gewalt, nach Bericht der WELT, die Antifa-Bewegung in Amerika verantwortlich und kündigte an, diese künftig als Terrororganisation einstufen zu wollen. Trump sagte dazu, dass „die Gewalt und der Vandalismus […] von der Antifa und anderen gewaltsamen Gruppen des linken Flügels angeführt“ werden.
In der Jerusalem Post heißt es weiter, dass Robert C. O’Brien, der nationale Sicherheitsberater des US-Präsidenten, „friedliche Demonstranten“ wolle, „die echte Bedenken hinsichtlich Brutalität und Rassismus haben“ und diese dabei auch in der Lage sein sollen, „zum Rathaus zu gehen“ oder „eine Petition an ihre Regierung zu richten“, jedoch könnte sie nicht von „linken Antifa-Kämpfern“ gekapert werden, die dabei „hauptsächlich Gemeinden in den afroamerikanischen und hispanischen Teilen unserer Stadt niederbrennen“.
„Antisemitismus als Aktivismus getarnt“
Doch nicht nur das. Selbst vor Antisemitismus machen die Marodeure nicht Halt. Die Jerusalem Post berichtet davon, dass in Los Angeles Synagogen und jüdische Geschäfte zerstört und geplündert wurden. Congregation Beth Israel, eine der ältesten Synagogen in Los Angeles und über die Jahre spirituelle Heimat vieler Überlebender des Holocaust, wurde dabei auch mit den antisemitischen Graffitis „Fuck Israel“ und „Free Palestine“ beschmiert (ein Bild findet man hier). Das Jewish Journal zitiert Liora Rez, die Direktorin von „Stop Anti-Semitism“, mit den Worten:
„Wieder einmal sehen wir, dass abscheulicher Antisemitismus als Aktivismus getarnt wird. Eine Synagoge in dieser schrecklichen Zeit zu zerstören, bedeutet nichts anderes, als ein zerbrochenes Land weiter zu spalten.“
Das Simon Wiesenthal Center, eine jüdische Menschenrechtsorganisation, die sich seit ihrer Gründung im Jahr 1977 mit Antisemitismus, Rassismus, Hass und Terrorismus auseinandersetzt sowie den Holocaust erforscht, erklärte, dass es „seit Beginn dieser Krise in der vergangenen Woche […] Synagogen, Schulen und Unternehmen in jüdischem Besitz während der Unruhen ins Visier genommen wurden“ und schrieb dazu weiter:
„Antisemiten nutzen in Los Angeles den Schutz des Protests gegen den Tod von George Floyd, um die Synagoge anzugreifen und den jüdischen Staat zu verunglimpfen. Schlicht und einfach Antisemitismus!“
Paul Koretz, ein Mitglied des Stadtrats von Los Angeles, dessen Vater 1939 aus Nazi-Deutschland floh, verurteilte gegenüber dem Jewish Journal die Angriffe auf jüdische Institutionen und kritisierte, dass man zwar „Brände und Plünderungen beobachtete“, jedoch den „antisemitischen Hassverbrechen und Vorfälle[n]“ nicht nachgegangen sei. Koretz wies zudem darauf hin, dass die Statue von Raoul Wallenberg beschmiert wurde. Wallenberg war ein schwedischer Diplomat, der tausenden von ungarischen Juden während des Holocaust das Leben rettete und von Adolf Eichmann deswegen als „Judenhund Wallenberg“ diffamierte wurde. Koretz kommentierte all diese Vorkommnisse schließlich so:
„Unter dem Deckmantel des Protests haben einige ihre antisemitische Agenda vorangebracht […] Synagogen und jüdische Institutionen wurden mit antisemitischen Parolen beschmiert und verwüstet […] Ich verurteile diese Handlungen, da sie einen Affront gegen alle Menschen des jüdischen Glaubens darstellen […] Wir dürfen niemandem aus irgendeinem Grund erlauben, mit Hasshandlungen gegen unsere Gemeinde und Nachbarn davonzukommen.“
Von „Black Lives Matter“ zu „Palestinian Lives Matter“
Beim Onlinemagazin The Forward, welches sich an ein jüdisch-amerikanisches Publikum richtet, erfährt man, dass sich unter die Demonstranten auch solche mit dem Slogan „Palestinian Lives Matter“ mischten, die „die Brutalität der amerikanischen Polizei mit der Ermordung von Palästinensern durch israelische Soldaten verglichen“. Prominente Unterstützer, wie die britische Sängerin Dua Lipa, teilten dabei das antisemitische Statement des amerikanischen Regisseurs Vin Arfuso, dass Morde wie der an George Floyd „JEDEN TAG in Palästina [geschehen], bezahlt durch unsere Steuergelder“. Mit „Palestinian Lives Matter“ folgt man offenkundig der BDS-Kampagne, die verkündete:
„So wie die israelischen Besatzungstruppen dazu dienen, das Apartheidsystem gegen die Palästinenser*innen weiter zu verfestigen, so dienen die US-Polizeikräfte nur dazu, das System der Vormachtstellung und Privilegien der US-amerikanischen Weißen weiter zu verfestigen […] Für unsere schwarzen Brüder und Schwestern ist Ihre Widerstandsfähigkeit angesichts der brutalen Entmenschlichung eine Quelle der Inspiration für unseren eigenen Kampf gegen das israelische Besatzungsregime, den Siedlerkolonialismus und die Apartheid.“
Und dabei gäbe es auch Verbindungen zwischen den USA und Israel, denn einerseits würde „Israels Unterdrückungsregime“ die „indigene Bevölkerung Palästinas“ (sic!) mit „militärischer Finanzierung und bedingungsloser Unterstützung der US-Regierung […] enteignen, ethnisch […] säubern und als niedrigere Menschen herab[...]setzen“. Und andererseits würden „paramilitärische[...] Polizeiabteilungen“ der USA, „darunter die Polizei von Minnesota“, von „Israel ausgebildet“.
Deutschlands Faktenfinder: „Die Antifa“ gibt es gar nicht
In Deutschland hört man von alledem nichts. Vielmehr löste die Meldung, dass Trump die US-Antifa als Terrororganisation einstufen wolle, in der Blase der linksgrünen Polit- wie Medienboheme mit ihrer mehr offensichtlichen als versteckten Vorliebe für die Antifa-Bewegung den Verteidigungsmodus aus.
Der tagesschau-Faktenfinder Patrick Gensing schreibt, dass es „die Antifa“ nicht gäbe, vielmehr stehe der Begriff „für Antifaschismus oder Antifaschistische Aktion“ und es handele sich nicht um eine „feste Organisation, sondern um ein Aktionsfeld“. Dennoch würde „von Rechtsradikalen […] immer wieder das Feindbild Antifa als einflussreiche, weit verzweigte Organisation dargestellt“.
So sieht die tagesschau daher in den USA auch ganz andere „organisierte“ Kräfte wirken, nämlich „Mitglieder nationalistischer Gruppen, die die Proteste nutzen wollten, Hass gegen Schwarze zu schüren und einen Rassenkrieg zu provozieren“. Im Münchner Merkur heißt es, Kritiker warnen, „nicht Antifaschisten [würden] die größte Gefahr für die USA darstellen, sondern Rechtsextremisten“.
Der SPIEGEL schreibt dazu, dass „sich Indizien [jetzt häufen], dass noch ganz andere Extremisten die Wut der Straße nutzen“, und es gebe „zahlreiche Hinweise darauf, dass Rechtsradikale hinter etlichen Eskalationsversuchen stünden“. Das SPD-nahe RedaktionsNetzwerk Deutschland unterstellt Trump, dass dieser nicht die „soziale Ungerechtigkeit und Rassismus“ als Auslöser für die Ausschreitungen halte, sondern letztere „für ein linkes Komplott“.
In der deutschen Politik hingegen heißt es: „Wir sind Antifa“
Bei ZEIT Online ist Trump daher der „erste Rassist des Landes“ und habe „keine Ahnung davon […], dass die USA einst am Zweiten Weltkrieg teilgenommen haben, um den Faschismus zu besiegen“ und auch nicht davon, dass „‚Antifa‘ die Abkürzung von ‚Antifaschismus‘“ sei. Die alte SED-Tageszeitung „Neues Deutschland“ klärt den Leser daher auf, was Antifa wirklich heißt:
„Es ist eine Arbeit. Es geht dabei um Recherche und Dokumentation von Neonazi-Tätigkeiten und darum, rechte Netzwerke offenzulegen. Antifa heißt Erinnerungspolitik […] Antifa heißt gelebte Solidarität mit Geflüchteten und marginalisierten Gruppen. Antifa heißt auch, sich Nazis auf der Straße, im Betrieb und im Alltag entgegenzustellen, um sie daran zu hindern, das zu tun, was sie tun würden, wenn man sie nicht daran hindert.“
Auf Twitter verkündigt der SPD-Parteivorstand in der Folge seine Solidarität mit der Antifa: „157 [Jahre] und Antifa. Selbstverständlich“. Dem schloss sich ebenso die SPD-Vorsitzende Saskia Esken an: „58 und Antifa. Selbstverständlich“. Den Slogan „Wir sind Antifa“ twitterten unter Anderem die „linksjugend ['solid] Thüringen“, die „Grüne Jugend Trier-Saarburg“, die „BUNDjugend Bayern“ oder auch die „Seebrücke Magdeburg“. Die Grüne Jugend missbrauchte hierfür das Andenken an den vor einem Jahr ermordeten CDU-Politiker Walter Lübcke.
Historische Antifa eine Bande von Terroristen und Antisemiten
SPD-Vorsitzende Esken reagierte auf die Nachfrage eines Followers, ob sie hier also eine Organisation unterstütze, die Deutschlands wichtigster Handelspartner als Terrororganisation einstufen könnte: Die „Antifa ist keine Organisation, Antifaschismus ist eine Haltung, die für Demokraten selbstverständlich sein sollte“, so Esken.
Ein unhistorischer Unsinn von Saskia Esken. Das Autonome Zentrum Heidelberg, also eine Antifa-Gruppierung, schrieb bereits vor Jahren zur „Geschichte der Antifaschistischen Aktion von 1932“, dass das Ziel der KPD mittels der „Antifaschistische Aktion“ seinerzeit war, „den immer stärker werdenden Terror der Nazis [zu] bekämpfen“ und „den faschistischen Schlägertrupps der Sturmabteilung (SA) konsequent entgegenzutreten“.
Auf diesen „antifaschistischen“ Gründungsmythos der KPD berief man sich bei der Neukonstitituierung der Antifa in den 1970er Jahren ausdrücklich. Dass die KPD der Weimarer Zeit obendrein eine Bande von Antisemiten war, die zum Kampf gegen „die jüdischen Kapitalisten“ aufrief und „Nieder mit der Judenrepublik“ schrie, macht es für die heutige Antifa auch nicht besser. Insbesondere dann nicht, wenn man sich den historischen KPD-Aufruf von „Tretet die Juden-Kapitalisten nieder, hängt sie an die Laterne, zertrampelt sie“ vergegenwärtigt.
Die Antifa „entweiht die Erinnerung an George Floyd“
In Deutschland ist man sich also im politischen wie medialen Antifa-Biotop einig darüber, sich mit den US-amerikanischen Gesinnungsgenossinnen solidarisch zu erklären, die Gewalt wie den Terror und die antisemitischen Ausschläge dieser Gruppierung vollständig auszublenden und lieber eine Antifa-Nebelkerze nach der anderen zu werfen.
Das Simon Wiesenthal Center, welches sich als eine der ersten amerikanischen Organisationen über den „schrecklichen und brutalen Mord an George Floyd“ äußerte (so hier) und überdies dokumentierte, dass „Synagogen, Schulen und Unternehmen in jüdischem Besitz während der Unruhen ins Visier genommen wurden“, sieht dies dezidiert anders. So schreibt das SWC auf Twitter zur CNN-Meldung, dass Trump die Antifa-Bewegung als terroristische Organisation einstufen will:
„Notwendiger Schritt. Traurige Realität, dass die Amerikaner 2020 dem Terrorismus nicht nur von ISIS usw. begegnen müssen, sondern auch von inländischen Terroristen, die gewaltsam versuchen wollen, die amerikanische Gesellschaft und diejenigen, die uns schützen, zu zerstören.“
Die Antifa eine Terrororganisation wie der Islamische Staat! Später ergänzte das SWC noch, dass „gewalttätige Anarchisten von Küste zu Küste“ sowohl menschliches Leben als auch Unternehmen „niederbrennen und zerstören“ und so „das Gedenken an George Floyd, der von Polizisten ermordet wurde, entweihen“ würden. Bereits vor zwei Tagen positioniert sich das SWC in einer Mitteilung eindeutig. Die Rabbiner Marvin Hier und Abraham Cooper, Vorstand und Gründer beziehungsweise stellvertretender Direktor des SWC, wurden hierin zitiert mit den Worten:
„Niemand, egal unter welchen Umständen, hat das Recht, diese Tragödie zu nutzen, um Gewaltakte, Plünderungen und Diebstähle zu begehen. Dies entweiht die Erinnerung an George Floyd […] Das Plündern und Verbrennen von Privateigentum ist keine legitime Form des Protests. Die Ikonen der Bürgerrechtsbewegung wie Dr. Martin Luther King und andere Führer wie Caesar Chavez und Amerikaner, die ihr Leben dem Kampf für Gleichberechtigung gewidmet haben, müssen heute Nacht weinen […] Wir unterstützen unsere gewählten Beamten und Polizisten dabei, Recht und Ordnung auf die Straßen amerikanischer Städte zurückzubringen“
SWC wird unterstellt, sich „offen auf die Seite der extremen Rechten“ zu stellen
Auf dieses Statement des SWC gibt es bereits erste Reaktionen aus Deutschland. Michael Bonvalot, Autor der sozialistischen Tageszeitung „Neues Deutschland“ konstatiert, dass das SWC sich damit „offen auf die Seite der extremen Rechten“ stellen würde. Für den Politikwissenschaftler Ismail Küpeli, der in den Tageszeitungen „Neues Deutschland“ und der „Jungle World“ publiziert, gibt es daher keine „Fragen [mehr] über den aktuellen politischen Kurs der Institution“.
Und Martin Glasenapp, der Büroleiter der Linksparteivorsitzenden Katja Kipping in der Berliner Parteizentrale ist, begründet diesen „Kurs“ damit, dass das SWC eine „politische Lobby-Organisation“ sei. Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, konkretisiert, dass das SWC „wieder einmal als Lobbyorganisation der israelischen Rechten auf[trete]“ und attestiert, dass es „mit Simon Wiesenthal […] leider nur den Namen gemein“ habe und solch eine Aussage über die Antifa „dem Andenken des Nazijägers Wiesenthal […] unwürdig“ sei. Der grüne Europaabgeordnete Sergey Lagodinsky erklärte schließlich, dass „die moralische Legitimation dieses Centers endgültig im Eimer“ sei, was „schade, aber nicht überraschend“ sei.
Bezeichnend daran ist, dass all diese Aussagen über das Simon Wiesenthal Center, so auch von der BDS-Kampagne verbreitet werden, die das SWC nämlich zu einer „rechtspopulistische[n] Organisation“ eines „Paradigma[s] pro-israelischer Unterdrückung“ erklärt, die „kaum Aufmerksamkeit genießt, außer bei nationalistischen Akteuren wie der israelischen Zeitung ‚Jerusalem Post‘ oder bei Präsident Donald Trump“.
Wobei das SWC von der BDS-Kampagne auch in eine jüdische Weltverschwörung eingereiht wird, die „das israelische Ministerium für strategische Angelegenheiten, geleitet von Minister Gilad Erdan, das Wiesenthal-Zentrum, die Jerusalem Post und Henryk M. Broder“ einschließt. Dieser verschwörungstheoretische Irrwitz kommt Ihnen, lieber Leser, gerade bekannt vor? Wenn ja, haben sie meinen letzten Artikel „Der SPIEGEL und die Meise von Zion“ vom 1. Juni 2020 gelesen, in dem ich reflektierte, dass neben der bereits dort erwähnten BDS-Kampagne auch die Hardcore-Israelhasser von MLPD und DKP, als Nachfolgerinnen der antisemitisch kontaminierten KPD der Weimarer Republik, ebenso solch eine jüdische Konspiration wittern.
Vielleicht, und das soll dann auch der Schlusspunkt sein, träumen all die deutschen Verteidiger der US-Antifa von einem Kampf der antifaschistischen Guten gegen das faschistische Böse der Ära Trump. Dass sie hierbei mit Antisemiten und der BDS-Kampagne in einem Boot sitzen, scheinen sie billigend in Kauf zu nehmen. Und wenn dann eine jüdische NGO wie das SWC dieses Spiel nicht mitspielt, deklariert man die Nazi-Jäger der „Operation Last Chance“ einfach zu „extremen Rechten“ ohne „moralische Legitimation“. So geht Antifa im Deutschland des Jahres 2020.