Marcus Ermler / 30.01.2020 / 06:18 / Foto: Fabian Nicolay / 171 / Seite ausdrucken

Ist die AfD pro-jüdisch?

Zum Jahresende 2019 positionierte der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen sich und seine Partei als „durch und durch pro-jüdisch“. Eine Aussage, die durchaus zu überraschen vermag angesichts des über allem schwebenden Vorwurfs, die AfD sei eine im Kern antisemitische Partei, wie es ihr jüngst ja auch CSU-Chef Markus Söder vorwarf. Manch Ehemaliger aus den eigenen Reihen attestierte Teilen seiner eigenen Partei sogar, dass sie dem Nationalsozialismus nahe stünden. 

Denkt man an die Karrieren von Wolfgang Gedeon und Doris von Sayn-Wittgenstein in der AfD, erscheinen beiderlei Einschätzungen nicht aus der Luft gegriffen. Gedeon ist bis heute nicht aus der AfD ausgeschlossen worden, obwohl er in seinen Schriften davon redet, dass das Judentum an einer „Versklavung der Menschheit im messianischen Reich der Juden“ arbeite und der Holocaust „ideologisiert und theologisiert“ werde zu einer „neuen Staatsreligion“. 

Ebenso brachte Gedeon 2017 Resolutionen für einen Bundesparteitag der AfD ein, die davon sprachen, dass „Antisemitismus nicht wissenschaftlich, sondern im Wesentlichen ideologisch begründet“ sei, es einen „regelrechten Meinungsterror im Hinblick auf jüdische Themen“ gäbe sowie „wirtschaftliche Sanktionen und Boykottmaßnahmen gegenüber Israel (sog. BDS-Politik)“ notwendig seien. Lautstarker Widerspruch gegen Gedeons Thesen war damals nicht vernehmbar.

Der neue Co-Parteivorsitzende Tino Chrupalla kündigte in seiner Bewerbungsrede Ende November 2019, nach Bericht der WELT, zwar an, „alles dafür [zu] tun, dass Gedeon nie wieder bei einem Parteitag auftreten könne“. Doch WELT-Redakteur Matthias Kamann kommentierte dies als „wohlfeiles“ Signal, es müsse „eine Selbstverständlichkeit sein, dass eine Partei, die sich demokratisch nennt, mit Gedeon nichts zu tun haben will und ihn achtkantig rauswirft“.

Dass dies nicht passiert, verwundert nicht. Denn selbst eine Landesvorsitzende Doris von Sayn-Wittgenstein, deren Nähe zum Nationalsozialismus evident zu sein scheint, konnte nur mit großem innerparteilichen Widerstand aus der Partei ausgeschlossen werden, da insbesondere der „Flügel“ rund um seinen thüringischen Spitzenmann Björn Höcke vor drei Jahren Sayn-Wittgenstein noch zur Parteivorsitzenden küren wollte.

Berühmt-berüchtigte Dresdner Rede

Auch besagter Höcke blieb mit seinen vielfach kritisierten Aussagen vom „Denkmal der Schande“ und einer „erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad“, die er im Januar 2017 in seiner berühmt-berüchtigten Dresdner Rede äußerte, nahezu unberührt. Sowohl Bernd Lucke als auch Frauke Petry scheiterten in ihrer Zeit als AfD-Vorsitzende in den Jahren 2015 wie 2017 mit dem Versuch, Höcke wegen „übergroße Nähe zum Nationalsozialismus“ aus der Partei auszuschließen beziehungsweise ihn seiner Ämter zu entheben. Statt Höcke verließen später Lucke und Petry mitsamt ihrem Gefolge die AfD. Gerade im Fall von Petry, die sich dezidiert israelsolidarisch äußerte, ein Austritt nicht ohne Folgen für die weitere politische Ausrichtung der AfD.

Denn Höcke und seinen „Flügel“ zeichnete in der folgenden Zeit eine besondere Aufarbeitung des NS-Unrechtsregimes aus. So relativiert Höckes Thüringer AfD in einem „Alternativen Bericht“ zur Enquete-Kommission „Rassismus und Diskriminierung“ des Thüringer Landtages vom September 2019 recht unverhohlen den Nazi-Terror, indem sie dort eine Dualität zwischen „Rassenwahn der Nationalsozialisten“ und dem „Rassismuswahn der Multikulturalisten“ konstruiert.

In ihrem Positionspapier „Leitkultur, Identität, Patriotismus“ vom Mai 2018 geht die Thüringer AfD noch einen Schritt weiter und hält fest, dass die Aufarbeitung der NS-Diktatur und des Holocausts dazu diene, „die Nation mit ihrer Geschichte verächtlich zu machen“ und „alles Deutsche aus der Welt zu schaffen“, um so „zu einem geschichtslosen Volk zu werden“. Eine bizarre Verdrehung der Geschichte: Nicht „alles Deutsche [soll] aus der Welt“ geschafft werden, vielmehr unternahmen die Nazis alles dafür, „alles Jüdische aus der Welt zu schaffen“.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland, der Jüdische Weltkongress und die Leiter von KZ-Gedenkstätten protestierten wiederholt gegen derlei „Geschichtsleugnung“. Ronald Lauder, der Vorsitzende des Jüdischen Weltkongresses, nannte die AfD nach ihrem Einzug in den Bundestag im September 2017, so berichtete es damals die WELT, eine „schändliche reaktionäre Bewegung, die an das Schlimmste an Deutschlands Vergangenheit erinnert und verboten werden sollte“. In Bezug auf Höcke sprach Lauder im Interview mit der WELT vom März 2017 weiter davon, dass dessen Aussage vom „Mahnmal der Schande“ über das Berliner Holocaust-Denkmal „eine Schande“ sei, wie „die gesamte AfD“. Weiter ergänzte Lauder:

Diese Partei hat keinen Platz in Deutschland. Ich hoffe, dass sie bald von der politischen Bühne verschwindet […] Björn Höcke hätte nie [vom Wall Street Journal] interviewt werden dürfen. Was er in seiner Rede in Dresden und gegenüber dem Wall Street Journal‘ sagte, war absolut schockierend und abstoßend. Er klang wie ein Fürsprecher von Hitler. Für mich ist klar, dass sich die AfD der extremen Rechten anbiedert. Sie spielt mit dem Feuer.“

Derlei Einschätzungen passen so auch in das Bild, welches Benjamin Weinthal, ein wissenschaftlicher Mitarbeiter der Foundation for Defense of Democracies, gegenüber dem Jewish News Syndicate im Oktober 2017 von der AfD zeichnete. So sei die AfD „keine Neo-Nazi-Partei in der Tradition der NPD“, obwohl es Mitglieder gäbe, die „den Nazismus glorifizieren“. Weinthal merkte an, dass die AfD in der Konsequenz dieser bedenklichen Diffusion gleichermaßen wie die Linkspartei „brandgefährlich für Israel und in Deutschland lebende Juden“ sei.

Phalanx AfD-naher NS-Verharmloser

Eine besondere Rolle nimmt dabei Götz Kubitscheks Sezession ein, die als Theorieblatt und ideologischer Stichwortgeber des Höcke-Flügels gilt. Die Sezession sticht mit Verharmlosungen der NS-Zeit wie des Holocausts hervor. So im Artikel zur „jüdischen Frage“ von Siegfried Gerlich vom Dezember 2010, der Gemeinsamkeiten zwischen Nationalsozialismus und Zionismus entdeckt haben wollte:

Trotz evidenter völkischer Affinitäten verbarg die zeitweilige politische Allianz zwischen Zionisten und Nationalsozialisten doch nie die asymmetrische Rivalität zweier sich auserwählt dünkender Völker, von denen gerade der Führer des stärkeren die Vernichtung des schwächeren anstrebte und schließlich auch durchführte.

Auch Martin Sellner, der Sprecher der Identitären Bewegung Österreichs, reiht sich in diese Phalanx AfD-naher NS-Verharmloser ein. So behauptet Sellner in seinem Artikel „Der Schuldkult ist nicht postmodern“ aus dem März 2019 eine Wesensähnlichkeit zwischen dem „Vernichtungsantisemitismus des NS“ und einem „Vernichtungsantifaschismus, der seine Erlösung darin sucht, den unsichtbaren und dadurch omnipräsenten Nazi ausfindig und unschädlich zu machen“. 

Fritjof Meyer, von 1966 bis 2002 als Leitender Redakteur für Ost- und Außenpolitik beim Spiegel arbeitend, durfte in der Sezession im April 2007 in seinem Artikel „Davon haben wir nichts gewußt“ als „linksliberaler Kronzeuge für Holocaust-Leugner“ wirken, wie es die DIE WELT bereits 2002 in Bezug auf Meyers fragwürdige Neuberechnungen der Ermordeten des Konzentrationslagers Auschwitz einordnete. So beschwor Meyer, dass „die Versuche nicht [enden], eine Kollektivschuld der diktatorisch regierten Bevölkerung an den Staatsverbrechen zu behaupten, natürlich nur bei den Deutschen“. Es gäbe eine Konstruktion einer deutschen „‚vast majority‘, die vom Judenmord nicht nur gewußt, ihn auch gewünscht habe und zum eigenhändigen Vollzug bereit gewesen sei“. 

Im Magazin Novo sezierte Achgut.com-Autor Nico Hoppe im September 2019 in seinem Artikel über Rechte Gräben“ die „Illiberalen um Götz Kubitschek“ und dessen „Antaios-Verlag aus Schnellroda“. So sei „das Verhältnis der Schnellrodaer zu Israel und den USA“, als „mindestens ambivalent, in vielen Fällen von einer tiefen Aversion geprägt“ zu klassifizieren. Weiter äußern die Schnellrodaer sich „abfällig über das ‚USA- und Israel-Partisanentum‘ Liberalkonservativer“. Schließlich schreibt Hoppe über das Verhältnis zum Antisemitismus und Israel:

Im Gegensatz zum prowestlichen Teil findet man in den Verlautbarungen und Texten des Schnellrodaer-Umfelds statt eines konsequenten Eintretens gegen Antisemitismus vages Geschwätz von einer Antisemitismuskeule; statt Solidarität mit der einzigen Demokratie im Nahen Osten Verständnis für Antizionismus, das sich auch noch als differenziert aufspielt; statt einer weithin normalisierten Erinnerungskultur beschwörendes Geraune vom alles umfassenden Schuldkult.“ 

„USA- und Israel-Partisanentum“

David Berger, bis Juli 2019 Mitglied des Kuratoriums der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung, formulierte im Januar 2020 in Richtung der „patriotischen“ Schnellroader seine Kritik „Hört endlich auf, vom Schuldkult zu reden“. Man höre „solche und ähnliche Aussprüche […] immer öfter im Lager derer, die sich gerne als ‚Patrioten‘ bezeichnen“, so Berger. Und beschreibt die Intention derjenigen, die eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ reklamieren, als das Sehnen nach einer Zeit, „endlich den Jahren des Nationalsozialismus […] und den damit verbundenen Verbrechen der Schoah weniger Aufmerksamkeit zu widmen als bisher geschehen“.

Was Kubitschek selbst unter einem „USA- und Israel-Partisanentum“ versteht, umreißt er in seinem Artikel „Die peinlichen Musterschüler“ von Ende Januar 2020. Während der AfD-Bundestagsabgeordnete Petr Bystron in einer Rede eine unheilvolle Kontinuität von der Appeasement-Politik der 1930er Jahre hin zur aktuellen Beschwichtigungspolitik gegenüber dem iranischen Mullah Regime anmahnt, sieht Kubitschek hierin eine „Instrumentalisierung des Holocausts zu politischen Zwecken“, um sich „an die Spitze einer bedingungslos israelfreundlichen Politik“ zu setzen und „Auschwitz als Argument für den ‚Regime Change‘ in anderen Ländern“ zu verwenden.

Der „Liberalkonservativismus“ erfährt von Götz Kubitschek eine militarisierte Freund-Feind-Klassifizierung, die zutiefst antisemitisch konnotiert ist. In dieser werden kritische liberal-konservative Geister als Cuckservatives bezeichnet, deren „friendly fire“ das „Ergebnis harmloser, harmoniesüchtiger Beschwichtigungskonservativer“ sei, „so hilflos, aufklärungsgläubig und unmännlich, daß man Mitleid bekommt“. Die Bezeichnung Cuckservative benutzen übrigens US-amerikanische Suprematisten – also solche die bekanntlich an eine Überlegenheit der weißen Rasse glauben – um weiße Politiker damit zu brandmarken, dass diese unbewusst die „Interesse von Juden und Nicht-Weißen“ fördern. 

Höcke selbst greift dieses Cuckservative-Schema in seinem Angebot zur Regierungsbildung in Thüringen auf, wenn er davon spricht, dass „seine dezidiert patriotischen Position […] in einem anti-nationalen Mainstream in besonderem Maße diesem Beschuß ausgesetzt [sei], zu dem sich mitunter auch ein ‚friendly fire‘ verschreckter Liberalkonservativer“ geselle. Als Reaktion auf Kritiken von David Berger und Dieter Stein, dem Chefredakteur des Jungen Freiheit, an seiner Person nannte Höcke im Geiste von Kubitscheks Einordnung in Freund und Feind jene dann „Feindzeugen“, die „sich bei öffentlichen Auftritten zu einem Kammerjäger-Jargon hinreißen“ lassen, um „Zwietracht in unsere Reihen zu tragen und schwelende Konflikte zu schüren“.

Und auch Martin Sellner folgt Höckes Feindzeugen-Rhetorik in seinem Sezession-Artikel „Was fehlt: ein neurechtes Kontinuum“ vom Mai 2019, wenn er den „Cuckservatives“ vorwirft, dass diese „sich ängstlich in die scheinbar subjektive ‚Mitte der Gesellschaft‘ flüchten, die ideengeschichtlich-objektiv das linksliberale Lager ist“ und diese ferner „im Gehorsam gegenüber den Besatzungsmächten ihre ‚rechts von uns ist nur der Nazi‘-Politik“ durchzusetzen erachten; eine reichsbürgerliche Litanei Sellners, die sich stimmig zu seiner NS-Verharmlosung gesellt.

Proisraelische Allianz aus Transatlantikern und Evangelikalen

Verwirren mögen so dann die Aussagen des medial später in die Nähe des Nationalsozialismus gerückten Höcke-Intimus und Brandenburgischen AfD-Chefs Andreas Kalbitz, der im April 2018 zur Gründung eines „Freundeskreises Israel“ im Brandenburger Landtag äußerte, dass „der Holocaust als singuläres Verbrechen in der deutschen Geschichte […] zur Solidarität mit Israel“ verpflichte und für ihn „die Auseinandersetzung mit den dunkelsten Kapiteln der deutschen Geschichte […] zur Erinnerungskultur“ gehöre. Inwieweit in diesen Worten bereits Kubitscheks Taktik der „Selbstverharmlosung“ diffundiert, kann die dokumentierte frühere Nähe Kalbitz' zu NPD-Funktionären nur mutmaßen lassen.

Ebenso überraschen mögen Statements von Petr Bystron, nicht nur AfD-Obmann im Auswärtigen Ausschuss, sondern ehedem vom Verfassungsschutz aufgrund seiner Unterstützung der Identitären Bewegung beobachtet, dass „die Bundesregierung […] mit Ihrer bisherigen, Israel feindlichen Politik aufhören“ müsse. So solle sie die „Hisbollah verbieten, die Finanzierung von UNRWA und israelfeindlicher NGOs beenden, Hamas-Aktivisten in Deutschland verhaften, und aufhören, in für das Land überlebenswichtigen Fragen gegen Israel in der UNO zu stimmen“. In seinem Artikel The two pariahs, Israel and AfD, should work together für das israelische Nachrichtenportal Arutz Sheva schrieb Bystron im September 2019 (ins Deutsche übersetzt): 

Weg von toten Denkmälern, die niemandem helfen, und hin zu einem lebendigen, atmenden und kämpfenden Staat Israel, dem einzigen Holocaust-Denkmal, das immer von Bedeutung sein wird! […] Ein starkes, stabiles Israel ist der einzige Weg zum Frieden im Nahen Osten.“

Freilich lassen bereits die Analysen von Hoppe und Berger wie auch die Aburteilung von israelsolidarischen Liberalkonservativen zu im „Interesse von Juden und Nicht-Weißen“ handelnden Cuckservatives erahnen: Es gibt doch Kräfte in der und um die AfD, die sich in einer dezidierten Israelsolidarität und Antisemitismuskritik befleißigen. Oder in Worten der Schnellroader: in einem „Israel-Partisanentum“.

Offizielle Pressemitteilungen und Statements der AfD zum Thema „Israel“ legen eine proisraelische Allianz aus Transatlantikern und Evangelikalen nahe, die sich im Wesentlichen um ihre beiden Berliner Führungspersonen Georg Pazderski beziehungsweise Beatrix von Storch schart. Ergänzt um eine innerparteiliche Gruppierung der „Juden in der AfD“, deren Wirkmächtigkeit aufgrund ihrer erst kurzen Existenz und eingeschränkten medialen Repräsentanz schlicht noch nicht qualifizierbar ist.

Berliner Kreis der Israelsolidarität

Pazderski, ein ehemaliger Oberst im Generalstabsdienst, der unter anderem als „Abteilungsleiter für Logistik im NATO Joint Force Command in Lissabon“ diente und in der AfD nicht nur Fraktionsvorsitzender der AfD im Berliner Abgeordnetenhaus ist, sondern auch Berliner Landesvorsitzender und von 2017 bis November 2019 einer der drei stellvertretenden Bundessprecher. Von Storch hingegen, eine evangelikale Christin, die Abgeordnete sowie Antisemitismusbeauftragte der AfD-Bundestagsfraktion ist und die Position einer stellvertretenden Vorsitzenden im Berliner Landesverband bekleidet. 

Einen Haken gibt es jedoch: Während von Storch parteiintern als unumstritten gilt, ist Pazderski, dessen polnischer Vater von den Nazis ins Deutsche Reich verschleppt wurde und dort Zwangsarbeit leisten musste, unlängst auf Betreiben des Höcke-Flügels nicht erneut zum stellvertretenden Bundessprecher der AfD gewählt worden und hatte bereits 2017 in der mit Neonazis anbandelnden Doris von Sayn-Wittgenstein eine von Höckes Mannen auserkorene Gegenkandidatin bei der Wahl zum Parteichef.

Pazderski und von Storch bilden einen Berliner Kreis der Israelsolidarität, der sich beispielsweise für die Einstellung der Zahlungen an die Palästinensische Autonomiebehörde einsetzt, welche „Fördergelder […] an die Terroristen verteilt“, für ein Verbot einer „Hamas-Konferenz von Judenhassern in Berlin“, für eine Ende des „anti-israelische[n] und antisemitische[n] Al-Kuds-Marsch[s]“ oder auch für eine „Abschiebung aller Hisbollah-Mitglieder“ sowie für ein „Verbot der Hisbollah“. Besonders Beatrix von Storch zeichnet sich im Bundestag mit proisraelischen und antisemitismuskritischen Reden aus:

Antisemitismus in jeder Form ist eine Schande, und Antisemitismus ist ein Angriff auf unsere jüdischen Bürger. Es ist ein Angriff auf die Grundlagen unserer westlichen Zivilisation […] Wir in Deutschland haben aufgrund unserer Geschichte eine ganz besondere Verantwortung, und zu dieser bekennen wir uns ausdrücklich […] Jüdisches Leben und jüdische Tradition gehören zu Deutschland, sie haben immer zu Deutschland gehört. Sie sind ein wichtiger Teil unseres kulturellen Erbes. Das müssen wir vor Angriffen schützen. Und dazu gibt es keine zwei Meinungen.“

Thomas Maul, unter anderem Autor der ideologiekritischen Zeitschrift Bahamas sowie von Achgut.com, hat daher bereits vor anderthalb Jahren in einem Vortrag im linksalternativen Conne-Island konstatiert, dass es „vor Einzug der AfD […] es solche proisraelischen und antisemitismuskritischen Reden im Deutschen Bundestag nicht gegeben [hat], schon gar nicht von der jeweiligen ganzen Fraktion geteilt“; Maul erneuerte Anfang 2019 diese Einschätzung in seinem Achgut-Artikel „Die Untergangs-Besoffenen“

Die Dialektik der AfD-Israelsolidarität

In einem in der israelsolidarischen linken Szene kontrovers diskutierten Facebook-Post stufte Maul die AfD „zuweilen gar als parlamentarischen Arm materialistischer Ideologiekritik“ ein, „wofür die inzwischen einigermaßen bekannte Rede Gaulands zur Gründung Israels ja nur ein Beispiel von vielen“ sei. 

Eine Analytik, der sich unabhängig hiervon auch Rafael Korenzecher in der Jüdischen Rundschau anschloss. So habe es „vor dem Einzug der AfD ins Parlament niemals derartige proisraelischen und Antisemitismus-kritischen von der ganzen Fraktion zugestimmten Reden im Deutschen Bundestag gegeben“. Korenzecher ergänzte, indem er sich explizit auf an die JR-Redaktion gesandte Schreiben von jüdischen Lesern bezog, denen „eben genau das […] an der neuen Opposition“ gefalle:

Die AfD ist zur Zeit die einzige mit Israel solidarische und wirklich Antisemitismus-kritische Partei im Parlament. Und sie hat sofort und ohne Wenn und Aber den Umzug der amerikanischen Botschaft und die Anerkennung Jerusalems als ewige, historisch legitimierte, jüdische Hauptstadt Israels begrüßt.“ 

Andererseits, und hier lässt sich wiederum Korenzecher referenzieren, der im Einklang mit den Einschätzungen von Weinthal, Hoppe und Berger ist, beherbergt die AfD Strömungen „der mega-dummen rückwärtsgerichteten nationalen Überhöhungen und intolerablen antijüdischen Stereotype“ und „Ja – Antisemiten gibt es dort auch [sic!]“. Allerdings gäbe es sie „kein Stück weniger in allen bislang etablierten, besonders in den linken Parteien“, wobei „dort nur allzu durchsichtig als Israelkritiker getarnt und durch ihre Allianz mit den heutigen islamischen Judenmördern deutlich gefährlicher“.

Und hier schält sich letztlich die Dialektik der Israelsolidarität. Für die AfD gilt beides gleichermaßen: Sie ist die Partei der Israelsolidarität und Antisemitismuskritik wie auch das Sammelbecken von Judenfeindschaft, Antizionismus und Holocaust- wie NS-Relativierung. Ist sie also pro-jüdisch? Ja und Nein!

Foto: Fabian Nicolay

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Jens Richter / 30.01.2020

Mir ist nicht ganz klar, worin hier eine “Dialektik” besteht. Es gibt leider den sogenannten “Flügel”, dessen sich die AfD unbedingt entledigen muss, wenn sie glaubhaft bleiben bzw. werden will. Höcke et al können eine eigene Partei gründen oder einfach sich der NPD anschließen, der Partei ihres Herzens. Natürlich müssten sie dort auf Dienstwagen, Chauffeur und hohes Salär verzichten. Deshalb segeln sie lieber unter AfD-Flagge. Es ist Sache der Bundes-AfD, sich von diesem Flügel zu trennen und deutlich zu machen, dass dieser nicht die AfD repräsentiert. Man verkneife sich auch den “Whataboutismus”, dass die anderen Parteien dafür Linksradikale beherbergen. Schließlich möchte man doch eine aufrichtige Alternative sein zu den verlogenen “Alt-Parteien”, oder etwa nicht?

Susan Brenning / 30.01.2020

Eine Partei kann nicht “irgend etwas ” sein. Es können nur die Mitglieder “etwas” sein. Ein LKW fährt auch nicht in eine Menschenmenge, es ist der Fahrer. Sicher gibt es Mitglieder, die im weitesten Sinne Antisemitisch sind. Und sicher gibt es sehr viele Mitglieder, die Juden gegen Antisemiten schützen wollen. Wie Sie schrieben, geht eine weitaus größere Gefahr von der SED aus. Aber auch in der SPD sind erhebliche antisemitische Strömungen vorhanden. Ich persönlich würde einer jungen Partei mehr Zeit geben, um sich zu finden und unerwünschte Mitglieder auszusortieren. Immerhin haben es Alt-Parteien bis heute nicht geschafft, dass zu lösen. Und Parteiausschlüsse sind, zu recht, sehr schwer durchzuführen. Bei Sarrazin versucht man es mittlerweile schon seit 10 Jahren.  Ihren Beitrag finde ich bedauerlicher Weise nur in Teilen interessant. Er ist weder Fisch noch Fleisch. Zu Beginn an 3 Personen festgemacht, dann den Satz von Höcke, mal wieder, fehlinterpretiert, obwohl schon lange eine Klarstellung vorhanden ist und in der Mitte mehr als wirr durcheinander. Am Ende bleibt leider nur eine in sich nicht schlüssige Schlussfolgerung (wenn auch in Teilen nicht unrichtig). Nur bis dahin zu lesen war schon ziemlich zäh und hart. Das können Sie besser :)  .

Dolores Winter / 30.01.2020

Sorry, aber ich war von 1980 bis 1999 Mitglied bei den Grünen, dann 10 Jahre bei der Linkspartei und seit 2014 bin ich in der AFD. Die Berliner Grünen, insbesondere Ströbele, sind größtenteils nicht nur Israelgegner, sondern auch Antisemiten. Über die Linkspartei sagte Dietmar Bartsch zu Henryk Broder “Wenn wir uns von allen Antisemiten in der Partei trennen würden, müssten wir die Hälfte unserer Mitglieder rausschmeißen”. Solche Auswüchse habe ich in der AFD nie erleben müssen. Wenn es so wäre, wäre ich die erste, die Alarm schlagen würde.

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