Das Tuch verkörpert Rebellion, Aufsässigkeit, Jugend, Linkssein, Unangepasstsein. Es hat eine ebenso weibliche wie männliche Komponente. Passend zum derzeit modernen Verwischen des Geschlechterunterschiedes. Es wirkt hart und weich zugleich. Es ist wohl kein Zufall, dass das Tuch, nachdem es seit den 80ern doch etwas aus dem Blickfeld geraten war, wieder in ist. Den Zeitgeist trifft. Dagegen wirkt die Kippa tatsächlich altbacken auf den hippen, linken Westler. Und in den Augen der Linken steht das Tuch für den Kampf der Gerechten. Den „Befreiungskampf“. Das macht es doppelt attraktiv. Auch Che Guevara hat diese weibliche Seite neben einer eher jugendlichen Männlichkeit. Wegen seiner langen Haare, und wegen seines teils entschlossenen und gleichzeitig etwas verträumten Blickes. Passt wunderbar zu harten Männern wie auch zur Feministin oder der verliebten Jugendlichen. Es geht um Identifikation. Die gestaltet sich bei der Kippa offensichtlich schwieriger.
Ewig cool? Die postulierte „Ewigkeit“ und alle „tausendjährigen Reiche“, die Menschen so aufrichten, können manchmal sehr kurz sein. Gott sei Dank!
Kufiya gegen Kippa? Palästinenser gegen Juden? Links gegen Rechts?Sie betonen immer so die Unterschiede! Im Interesse des Friedens und der Völkerverständigung (Tschuldigung, Herr Habeck) sollte man sich lieber auf das gemeinsame besinnen, und das ist ganz klar der Vollbart! So wohl konservative Muslime als auch orthodoxe Juden tragen ihn, germanische Rausch- sowie Hipster-, Bohemien- und Ökobärte können sich nahtlos anschließen. Auch die bedeutendsten deutschen Denker trugen ihn gerne voll: Ich nenne mal völlig willkürlich L. Feuerbach, K. Marx und und H.M. Broder. Aus Österreich fällt mir nur Conchita Wurst ein. Vorsicht hingegen vor Schnauzbärten: Nietzsche, Saddam Hussein, Petry und na Sie wissen schon. Lassen wir uns also alle einen Vollbart wachsen und tanzen gemeinsam friedvoll um den Erdenrund.
Da ist was dran. Die Kufya gibt zudem ein praktisches Kopftuch für linke Frauen ab, und es lassen sich selbstgepflückte Möhren, Gurken und Rucolablätter, ach überhaupt jegliches Obst und Gemüse damit transportieren. Selbstversuche, natürlich mit harmlosen Smoothiebehältern bzw. Wattebällchen, haben darüber hinaus ergeben, dass das Werfen von Mollies und Pflastersteinen mit einer Kippa auf dem Kopf ganz und gar unproduktiv ist; mehr als 3/4 der Testzeit musste dafür aufgebracht werden, die Kippa wieder auf dem Haupthaar auszurichten. In der Kufya verheddert man sich zwar ab und zu, dies fällt bei einer Berechnung der Gesamtleistung aber so gut wie nicht ins Gewicht.
Rein technisch habe ich die Befürchtung, dass bei Überbeanspruchung eines Körperteils dieses über die Maßen erhitzen würde, so dass eine großflächige Bedeckung nicht ratsam ist. Freilich dürfte in diesen konkreten Fällinnen und Fällen eine exzessive Nutzung desselben nicht zu erwarten sein.
Wir haben es hier eher mit dem Gegensatzpaar “aufdringlich missionierend” - “gar nicht missionierend” zu tun, welches auch auf dem Laufsteg des Lebens zum Tragen kommt.
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