Da sich viele der etablierten Parteien Europas als schwache, um nicht zu sagen schlechte Freunde erwiesen haben, hält Israel Ausschau nach neuen europäischen Partnern.
Vieles hat sich verändert seit dem Amtsantritt von Donald Trump. Auch das Verhältnis der israelischen Regierung zur Europäischen Union. Frühere Rücksichtnahmen haben sich verflüchtigt. Wozu nicht zuletzt der Gaza-Krieg beigetragen hat, den Israel trotz der feindseligen Obama-Biden-Administration und der Störversuche aus London, Paris und Berlin im Sinne von Israels strategischen Interessen weiterführt. Da sich die etablierten Parteien Europas als schwache, um nicht zu sagen schlechte Freunde erwiesen haben, hält Israel Ausschau nach neuen europäischen Partnern.
Das moralische Versagen der europäischen Linken und Liberalen nach dem 7. Oktober 2023, der offenen Kriegserklärung des militanten Islam gegen unsere Zivilisation, gegen Israel und den gesamten Westen, hat hiesige Politiker darüber nachdenken lassen, ob man nicht bessere, verständigere Partner in Europa finden könnte als die Parteien des Mainstream. Auch die israelische Linke, ohnehin seit Kriegsbeginn stark in ihrer Bedeutung reduziert, hat ihrer Enttäuschung über das feige Zurückweichen der europäischen Linken offen Ausdruck gegeben. „All I Want to Say to the International Left Is – Go to Hell“, schrieb Kolumnistin Lilach Volach in der prononciert linken Tageszeitung HaAretz am 25.10.23. Der gegenwärtige Oppositionsführer und frühere Premierminister Yair Lapid, Vorsitzender der zweitstärksten Partei Israels, Yesh Atid, nannte die europäische Linke in einem Artikel Three Questions to the Global Left in der Times of Israel „antisemitisch“.
Nicht anders die „Parteien der Mitte“: auch hier blockierten pro-islamische Sentiments und Rücksichten eine klare Reaktion auf das größte Juden-Pogrom seit dem Holocaust. Der Blick der israelischen Regierung wanderte folglich weiter nach rechts, zu den Ausgestoßenen des europäischen Politikbetriebs. Zu den sogenannten „Populisten“, den Parteien mit der großen, wachsenden Wählerschaft. Nicht selten sind sie inzwischen die wählerstärksten, doch durch ein Kartell der Etablierten am Regieren gehindert und der verleumderischen Wut der Medien ausgesetzt. Diese Parteien haben oft schon seit längerem Interesse an Kontakten zur israelischen Regierung gezeigt, und lange wurden solche Annäherungen durch Einflussnahme der europäischen Regierungen und Intervention der offiziellen Sprecher der Juden des betreffenden Landes behindert.
Heftige Angriffe im Vorfeld
Schon 1995 versuchte der damalige Parteivorsitzende der italienischen Alleanza Nazionale, Gianfranco Fini, Israel zu besuchen. Sein Besuch wurde verhindert, nicht zuletzt durch Proteste der jüdischen Gemeinden Italiens. Es brauchte weitere acht Jahre, bis November 2003, ehe Fini, der sich in der europäischen Politik längst als unerschrockener Unterstützer Israels profiliert hatte, in Jerusalem als offizieller Staatsgast empfangen wurde. Er war damals Außenminister und Vize-Premier im Kabinett Berlusconi. Ähnliche bewegte Vorgeschichten hatten die Annäherungen anderer rechter Politiker an den jüdischen Staat. Sie wurden von europäischen Medien massiv delegitimiert oder Schlimmeres. Gegen Geert Wilders, Vorsitzenden der holländischen Freiheitspartei, die bei den Parlamentswahlen 2023 stärkste Partei wurde, begann der holländische Geheimdienst AIVD Ermittlungen nach dessen Israel-Besuch 2008 wegen „Verbindungen nach Israel und ihrem möglichen Einfluss auf seine Loyalität (gegenüber dem holländischen Staat)“, wie damals israelische Zeitungen zu berichten wussten.
Daher verwundert es nicht, dass auch die Ende März 2025 in Jerusalem veranstaltete International Conference on Combating Antisemitism schon im Vorfeld heftigen Angriffen durch Politiker und Medien ausgesetzt war. Die Konferenz wurde organisiert von Amichai Chikli, dem israelischen Minister für Angelegenheiten der jüdischen Diaspora, zuständig für die Probleme der im Ausland lebenden Juden. Chikli, Anfang Vierzig, ist der in Israel geborene Sohn eines französischen Rabbiners und einer Künstlerin, er kam durch Naftali Bennetts Yamina-Partei ins Parlament und trat später zum Likud über, inzwischen eine der bemerkenswertesten Stimmen der jungen Politiker-Generation Israels. Als früherer Offizier einer Elite-Einheit, zugleich scharfsichtiger Intellektueller, hat er die neue Bedrohungslage der europäischen Juden erkannt. Er sieht das Problem in der Islamisierung Europas und der zunehmenden inneren Schwäche der europäischen Staaten, wodurch sich militante Muslime zum Ausleben ihres religiös motivierten Judenhasses ermutigt fühlen.
In Israel werden die anhaltenden Aufmärsche islamischer Israel-Hasser, begleitet von europäischen linken Gruppen und anderen Sympathisanten, begreiflicherweise mit großer Sorge beobachtet. Der Überfall der Hamas, begleitet von massiven Raketenangriffen der Hisballah im Libanon, der Huthi im Jemen, schließlich sogar mit ballistischen Raketen durch das Regime im Iran, wurde von weltweiten Aktionen militanter Muslime begleitet, von Massendemos, Hausbesetzungen und Blockaden ganzer Universitäten, außerdem von einer zunehmend antiisraelischen Stimmung in den Mainstream-Medien. Von den europäischen Juden wird der muslimische Judenhass heute als die mit Abstand stärkste Bedrohung wahrgenommen, auch unabhängige Statistiken belegen diesen Tatbestand, während ihn Politik und Medien zu ignorieren versuchen.
Der Vorteil der demonstrativen Absagen
So legt das deutsche Bundeskriminalamt seit Jahren manipulierte Berichte vor, in denen beispielsweise muslimische Sprechchöre, die zur Vergasung von Juden aufrufen („Hamas, Hamas, Juden ins Gas“) in eiskalter Verdrehung der Tatsachen als „rechtsradikal“ eingestuft werden. Da die Nazis Juden vergast haben, so die Begründung solchen Zahlenschwindels, sei der Aufruf dazu per se „rechtes Gedankengut“. In ähnlicher Weise ignorieren auch die führenden Politiker nach Kräften die islamische Gefahr. Wie könnte man von Parteien wie den Grünen oder Sozialdemokraten, die angesichts ihrer schwindenden Wählerschaft um muslimische Stimmen buhlen, irgendeinen Versuch zur Lösung des Problems erwarten? So führt der Aufstieg des Islam unweigerlich zu einem Rechtsruck in der europäischen Politik. Die neuen rechten Parteien sind die einzigen, die das Problem der Islamisierung offen adressieren, während es die anderen leugnen und verdrängen.
Was läge daher für Israel näher, als Kontakte zu den rechten Parteien aufzunehmen? Die Empfindlichkeiten früherer Dekaden verblassen angesichts der neuen Bedrohung. Auf der Rednerliste der Konferenz fanden sich neben israelischen Politikern wie Premierminister Netanyahu, Außenminister Gideon Sa’ar, Natan Sharansky und Veranstalter Chikli führende Vertreter der europäischen Rechten wie Jordan Bardella, der Vorsitzende des Rassemblement National, die französische Europa-Abgeordnete Marion Marechál-Le Pen, der britische Militärexperte Colonel Richard Kemp, die bekannte Islam-Kritikerin Ayaan Hirsi Ali, der evangelikale Prediger Mike Evans, die ungarische Abgeordnete Kinga Gál als Abgesandte von Viktor Orbáns Fidesz-Partei, der ehemalige US-Botschafter David M. Friedman, der frühere Präsident von Paraguay, Horacio Cartes, der spanische Abgeordnete Hermann Tertsch und andere Gäste aus zahlreichen Ländern.
Wie heute üblich, sagten einige Eingeladene demonstrativ ab, weil ihnen andere nicht passten, so der als „Philosoph“ firmierende Publizist Bernhard-Henri Lévy aus Protest gegen die Einladung von Bardella und Marion Marechál, ferner der britische Chefrabbiner, dessen Gemeinde zunehmend in muslimische Geiselhaft gerät, der deutsche „Antisemitismus-Beauftragte“ Klein oder der Grünen-Politiker Volker Beck, Vorsitzender der vom deutschen Auswärtigen Amt dirigierten Deutsch-Israelischen Gesellschaft, die man aus Höflichkeit eingeladen hatte. Dass die Konferenz dadurch von halbherzigen Mitläufern befreit war, erwies sich als eher förderlich für einen offenen, intensiven Gedankenaustausch „Hauptziel der Konferenz“, hieß es in der Einladung, „ist die Sensibilisierung für die wichtigsten Triebkräfte des modernen Antisemitismus und die Auseinandersetzung mit den kritischen Herausforderungen, die sich aus den Entwicklungen seit dem 7. Oktober ergeben, sowohl für den Staat Israel als auch für die jüdischen Gemeinden weltweit.“
Schon die ersten Redner machten klar, wen sie für die „wesentlichen Triebkräfte“ („the key drivers“) des modernen Antisemitismus halten. Der israelische Außenminister Gideon Sa’ar warnte vor einer „radikalen Allianz der extremen Linken und der Islamisten, die Israel und den Westen bedroht“. Jordan Bardella, der junge Vorsitzende des französischen Rassemblent Nationale fühlte sich „angesichts des beunruhigenden Wiederauflebens des Judenhasses in ganz Europa und angesichts des Terrorismus, der unser Leben und unsere Werte zerstören will“, zur Solidarität mit Israel verpflichtet. Er sei „mehr denn je davon überzeugt, dass unsere Nationen ihre Kräfte im Kampf vereinen müssen“.
Vertreter der deutschen Partei Alternative für Deutschland waren nicht zur Konferenz eingeladen. Minister Chikli betonte die Pro-Israel-Haltung dieser Partei in vergangenen Jahren, wies aber auf neuere „radikale Äußerungen“ einzelner Mitglieder hin, sowohl, was Israel beträfe, als auch in Zusammenhang mit der deutschen Vergangenheit. Zeitungen deuteten an, er meine den neu gewählten Bundestagsabgeordneten Maximilian Krah, der durch beschönigende Aussagen zur SS einen Nerv jüdischer Empfindlichkeit getroffen hatte. Auch die Proteste des Co-Vorsitzenden der Partei, Timo Chrupalla, gegen deutsche Waffenlieferungen an Israel, durch die er sich in Gesellschaft der deutschen Grünen und Linken wiederfand, haben in Israel Misstrauen gegen die Alternative für Deutschland ausgelöst. „Germany’s rising far-right AfD is split over Israel“, konstatierte die Times of Israel im Februar 2025. Die Partei müsse, wenn sie an Annäherung zum jüdischen Staat interessiert sei, zunächst intern ihre Positionen klären.
Insgesamt ist die Annäherung der israelischen Politik an die Parteien der europäischen Rechten durch die Konferenz in Jerusalem ermutigt worden. Man rechnet in Jerusalem damit, dass rechte Parteien sehr bald auch die Außenpolitik ihrer Staaten beeinflussen werden, die Geldvergabe an militant islamische Organisationen, das Abstimmungsverhalten in der UN, die Unterstützung Israels in Kriegszeiten. Die International Conference on Combatting Antisemitism gilt als Ausgangspunkt für eine langfristige Zusammenarbeit zwischen Israels Regierung und den rechten Parteien zur Bekämpfung des Judenhasses in Europa und im Nahen Osten.
Dieser Text erschien zuerst in der Zeitschrift CATO, Heft 2/2025.
Chaim Noll wurde 1954 unter dem Namen Hans Noll in Ostberlin geboren. Sein Vater war der Schriftsteller Dieter Noll. Er studierte Kunst und Kunstgeschichte in Ostberlin, bevor er Anfang der 1980er Jahre den Wehrdienst in der DDR verweigerte und 1983 nach Westberlin ausreiste, wo er vor allem als Journalist arbeitete. 1991 verließ er mit seiner Familie Deutschland und lebte in Rom. Seit 1995 lebt er in Israel, in der Wüste Negev. 1998 erhielt er die israelische Staatsbürgerschaft. Chaim Noll unterrichtet neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit an der Universität Be’er Sheva und reist regelmäßig zu Lesungen und Vorträgen nach Deutschland.