Isoliert Erdogans Türkei

Von Michael Rubin.

Erdoğan zeigt mehr als deutliche Sympathien für die größten Feinde der NATO wie China, Russland und Iran. Dem sollte die NATO einen Riegel vorschieben und die Türkei vorerst isolieren. 

Am 2. September 2024 hat die Türkei offiziell den Beitritt zur BRICS-Gruppe der Schwellenländer beantragt. Die Hinwendung der Türkei zu den BRICS erfolgt zu einem Zeitpunkt, zu dem Präsident Recep Tayyip Erdoğan auch den Wunsch signalisiert, die Türkei von einem Dialogpartner innerhalb der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO), dem von China und Russland geführten Kooperationsblock, zu einem Beobachterstaat, wenn nicht gar zu einem Vollmitglied zu machen.

Der Beitritt der Türkei zu den BRICS ist zwar einerseits ein stillschweigendes Eingeständnis der Tatsache, dass Erdoğans Träume von einer türkischen Top-Ten-Wirtschaft an den Untiefen seiner eigenen Misswirtschaft gescheitert sind; die türkische Wirtschaft rangiert heute auf Platz 18 in der Welt und sinkt weiter ab. Die umfassendere Herausforderung ist hingegen diplomatischer Natur. Die BRICS sind zwar technisch gesehen eine Wirtschaftsgruppe, haben aber auch eine breitere Bedeutung, da Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, von denen sich das Akronym BRICS ableitet, versuchen, ein alternatives Finanzsystem zu schaffen, das den US-Dollar als Hauptwährung für den internationalen Handel untergraben würde. Kurz gesagt, Erdoğan verbündet sich wieder einmal mit Moskau und Peking, um Europa und die Vereinigten Staaten zu schwächen.

Die nächste US-Regierung sollte das türkische Angebot als diplomatisches Äquivalent zum Kauf des S-400-Flugabwehrsystems betrachten. Anstatt S-400 nur als einen verlorenen Rüstungsauftrag zu betrachten, erkannte die Trump-Administration, dass Erdoğans Hinwendung zu Russland eine ständige Herausforderung darstellt. Die Integration von S-400 in die türkische Verteidigung würde bedeuten, dass NATO-Geheimnisse an Kreml-Ingenieure weitergegeben werden. Selbst wenn die Türkei S-400 mit einer Brandmauer versehen würde, könnte sie eine Bedrohung für die F-35 Joint Strike Fighters darstellen, die die Vereinigten Staaten und die NATO als Rückgrat der künftigen Verteidigung gegen Russland oder China beibehalten wollten. In unmittelbarer Nähe zu den F-35 stationiert, könnte das S-400-Radar der Türkei helfen, die Tarnkappenflugzeuge perfekt zu verfolgen. Um der Bedrohung zu entgehen, stimmte die Trump-Regierung zu, die US-Militärinvestitionen in der Türkei zu reduzieren und die Türkei aus dem F-35-Programm herauszunehmen.

Dem Illiberalismus zugeneigt

Mit der BRICS-Bewerbung und Erdoğans Wunsch, der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit beizutreten, ist es an der Zeit, die militärische Isolierung auf den diplomatischen Bereich auszuweiten. Die Türkei hat schon vor langer Zeit aufgehört, sich so zu verhalten, wie es ein NATO-Mitglied tun sollte; anstatt das Bündnis zu stärken, untergräbt sie es. Die Türkei sollte zwar nicht mehr Mitglied der NATO sein, doch war es nicht möglich, sie auszuschließen, da der NATO-Vertrag keinen Ausschlussmechanismus für abtrünnige Mitglieder vorsieht.

Die Hinwendung der Türkei zu BRICS und SCO unterstreicht, dass diese rechtliche Pattsituation nicht mehr länger haltbar ist. Um einen sehr drastischen Vergleich zu bemühen: Eine gleichzeitige Mitgliedschaft in der NATO und der SCO ist so, als wäre man gleichzeitig Mitglied der National Association for the Advancement of Colored People (NAACP) und des Ku-Klux-Klan. Die BRICS mag nicht so radikal sein wie die SCO, aber sie bewegt sich zusehends in diese Richtung. Während Indiens Wirtschaft zur drittgrößten der Welt aufsteigt, gibt es Anzeichen dafür, dass Indien die Gruppe möglicherweise verlässt, weil sie seine Interessen nicht mehr vertritt.

Der Rest der Gruppe hingegen ist dem Illiberalismus zugeneigt. Brasilien und Südafrika z.B. untergraben die Redefreiheit und Eigentumsrechte. Das neue Mitglied Äthiopien hat versucht, einen Völkermord an seiner Tigray-Bevölkerung zu begehen. BRICS ist zunehmend eine Organisation, die Autokraten und denjenigen, die die liberale Ordnung umstürzen wollen, Schutz bietet. Es ist doch ganz einfach: Während Russland und der Iran (der den BRICS am 1. Januar 2024 beigetreten ist) nun die beiden größten Bedrohungen für die NATO darstellen, signalisiert Erdoğan seinen Wunsch, mit diesen beiden eine Partnerschaft einzugehen.

Die Diplomatie ist ein wichtiges Instrument

Es kann keinen Aufschub mehr geben. Solange die Türkei in der NATO bleibt, müssen die Vereinigten Staaten und Europa sie unter Isolation setzen, damit sie NATO-Interessen nicht an die Feinde verrät. Die Türkei sollte mit Sanktionen und Maßnahmen konfrontiert werden, die ihrem Image und ihren Fähigkeiten ebenso schaden wie der Ausschluss aus dem F-35-Programm.

Hier könnte die diplomatische Haltung der USA gegenüber dem Iran und Russland als Wegweiser dienen. Das Gesetz über Auslandsmissionen (Foreign Missions Act) erlaubt es dem Außenminister beispielsweise, die Reisefreiheit ausländischer Diplomaten in den Vereinigten Staaten zu beschränken. Sollten iranische Diplomaten bei den Vereinten Nationen in New York beispielsweise einen Radius von 25 Meilen überschreiten, drohen ihnen Inhaftierung und Ausweisung. Diplomaten aus Weißrussland, Kuba, Eritrea, Nordkorea, Russland, Syrien und Venezuela unterliegen in Washington und/oder New York ähnlichen Beschränkungen. Chinesische Diplomaten hingegen müssen Reisen und Treffen offiziell anmelden. Angesichts der diplomatischen Hinwendung der Türkei zu China, Russland und Venezuela gehört das Land ungeachtet seiner NATO-Mitgliedschaft eindeutig auch auf diese Liste. Sicherlich würde die Türkei im Gegenzug verlangen, dass sich amerikanische Diplomaten nicht aus Ankara, Istanbul oder Izmir entfernen; doch diesen Preis wäre es wert. Die Sanktionen müssten nicht dauerhaft sein. Sollte die Türkei ihre BRICS-Bewerbung zurückziehen und ihre Mitgliedschaft in der SCO aufgeben, könnten Washington und Ankara ihre Beziehungen einfach wieder auf den Status quo ante zurückführen.

Die Diplomatie ist ein wichtiges Instrument, aber es geht nicht nur darum, fröhlich Raki zu trinken oder mit türkischen Kollegen türkische Köstlichkeiten und Baklava zu probieren; vielmehr muss eine wirksame Diplomatie die staatliche Politik auf die Realität von Partnern oder Gegnern abstimmen. Im Fall der Türkei ist es Zeit für eine sofortige Quarantäne.

Dieser Beitrag erschien zuerst im Middle East Forum.

Michael Rubin ist Direktor für politische Analysen beim Middle East Forum und Senior Fellow am American Enterprise Institute.

Foto: Montage achgut.com / Pixabay.de

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Marc Greiner / 20.09.2024

Wahre Worte. Mit Trumps Wiederwahl ein realistischer Wunsch. Hoffen wir das Beste.

gerhard giesemann / 20.09.2024

Noch besser: Wir schenken der Russerey Byzanz, wenn er dafür die UA in Ruhe lässt. Auf die Türkerey insgesamt können wir dann eh verzichten, nervt bloß.

Ralf Pöhling / 20.09.2024

Wer die Details kennt, der wird mich bestätigen: Erdogan und die AKP versuchen die Atatürk Türkei in das Osmanische Reich zurück zu transformieren und zeitgleich massiv an Einfluss in der EU zu gewinnen. Und das bereits seit über 20 Jahren. Unterstützt worden sind sie dabei finanziell und ideologisch von den Muslimbrüdern in der arabischen Welt. Die Türkei ist quasi gekapert und gegen die Interessen des laizistischen Militärs umgedreht worden, was den Rückfall der Türkei in die islamische Steinzeit vorher immer verhindert hatte. Man denke an den inszenierten Putsch 2016, mit dem die AKP das Militär unter einem False Flag Vorwand von Atatürk Anhängern gereinigt und durch fundamentale Muselmanen ersetzt hat. Die selbe Absicht haben sie hier in der EU und besonders in Deutschland über die CDU verfolgt. Man möge dazu die öffentliche Kommunikation der Türkei in Richtung Deutschland und EU in den Jahren der AKP Herrschaft bis 2020 in den Blick nehmen und dabei besonders darauf achten, wer sich in Deutschland der Türkei besonders angebiedert hat. Das waren meist Stimmen aus der CDU, insbesondere in NRW. Dass sie von dieser Absicht (zunächst) Abstand genommen haben, lag am aufbrausenden Widerstand aus den USA (Trump) bzw. besonders auch aus Deutschland (AfD). Das kam aber nicht nur aus den sichtbaren politischen Chefetagen, sondern vielmehr aus den Hinterzimmern, weshalb die Öffentlichkeit dies kaum in seiner enormen Bedeutung für die Sicherheit Europas wahrgenommen hat. An der eigentlichen Absicht der AKP Türken, die Türkei wieder zur osmanischen Großmacht zu entwickeln, hat sich jedoch wenig geändert. Einzig der Gegendruck hat vorerst zum Rückzug geführt. So lange die AKP und Erdogan an der Macht sind, ist größte Vorsicht im Umgang mit der Türkei angebracht. Da ein Rauswurf der Türkei aus der NATO nicht möglich scheint, bleibt die militärische Isolation oder im Härtefall die Auflösung und Ersetzung der NATO durch etwas neues. Ohne die Türkei.

Daniel Oehler / 20.09.2024

Warum wenden sich die Türkei und Saudi-Arabien zeitgleich vom Westen ab und den BRICS zu? Beides sind Nationen die sich als islamisch definieren. Die Vorstellung, den Westen mit seiner woken Ideologie zu unterstützen, ist schlicht undenkbar. Deutschlands arrogante Polit-“Elite” hat mit ihrem Auftreten in der Arabischen Welt - siehe Regenbogen-Binde von Frau Faeser in Katar- sehr deutlich gemacht, dass der Westen keinen Respekt für Kultur und Religion im Nahen und Mittleren Osten hat. Russland und China als Feinde? Das haben wir den USA und ihren Schoßhündchen in der EU zu verdanken. Deutschlandfan Herr Putin hat jahrelang versucht, sich dem Westen anzubiedern. Anstatt das sinnvoll zu nutzen, wurde jahrelang systematisch ein inzwischen blutiger Konflikt aufgebaut. Folglich hat Russland aufgehört, von Partnern im Westen zu reden. USA und EU haben es geschafft, Russland, Türkei und die Araber ins Lager Chinas zu treiben. China hat bisher den Westen als Handelspartner betrachtet. Aber wenn die USA penetrant auf Konflikt aus sind, wird man nicht wie in Deutschland devot den Bückling machen. Es ist schon krass, dass das von Kommunisten regierte China in der Wirtschaftspolitik weit weniger ideologisch handelt, als das grün-verpeilte Deutschland. Die wahren Feinde der Bürger der westlichen Staaten sind nicht andere Nationen, sondern die eigenen politischen Führer in ihrem ideologischen Fanatismus. Die EU wird weder durch Russland noch durch China ruiniert, sondern durch die Deindustrialisierung Deutschlands, die dafür sorgt, dass der wichtigste Zahlmeister Brüssels künftig ausfällt.

Karsten Dörre / 20.09.2024

Mmh, Ungarn verkauft Kriegskommunikationsgeräte an Iran und Hisbollah, welches Israel mühselig und aufwendig wieder vernichten muss.

christoph horrix / 20.09.2024

Dieser Artikel von einem durchgeknallten Neokons zeigt sehr schön, warum die Türkei auf dem richtigen Weg ist. Bessere Flugzeuge als F35 zu einem Drittel oder 1/5 des Preises können sie bei den Russen kaufen. Und nebenbei: Man sollte die UN aus den USA in ein anderes Land verlegen, vielleicht in die schöne Stadt Istanbul oder nach Kasachstan oder nach Brasilien. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Anscheinend haben die Russen Erdogan vor dem amerikanischen Putsch weiland mal gewarnt. Wer weiss es.

Klaus Keller / 20.09.2024

Der Iran wäre sicher auch sehr erfreut wenn der Westen die Türkei stärker unter Druck setzen würde. Dessen agieren wird auch in Syrien nicht gerne gesehen und effektive militärische Hilfe für die leidende Bevölkerung Palästinas gab es bisher auch nicht, sondern eher heiße Luft. Im Moment habe ich den Eindruck das die Türkei auf einem interessanten Balanceakt unterwegs ist. Ich glaube im übrigen nicht das man in den USA bald darauf drängt das die Türkei die NATO verlässt. Das dumme an der Türkei ist ihre geografische Lage. Wäre schon schade wenn die NATO abziehen müsste.

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