Von Olof Brunninge.
Sehen wir in Schweden schon deutlicher, was mit Verzögerung auch in Deutschland geschieht? Dort zeigt der Skandal um die Hamas-Beziehungen des schwedischen Sozialdemokraten Jamal El Haj die Gefahr der Unterwanderung der Politik durch Islamisten. Seine Partei verteidigt ihn frenetisch, denn er bindet Wähler in sozialen Brennpunkten.
Bei den jüngsten schwedischen Reichstagswahlen im Herbst 2022 sorgte die islamistische Kleinpartei Nyans (deutsch: Nuance) auch in Deutschland für Schlagzeilen. Zwar kam sie landesweit nur auf 0,44 Prozent der Stimmen und blieb weit unter der Vier-Prozent-Hürde, in einigen migrantisch geprägten Stimmbezirken konnte sie aber Ergebnisse über 20 Prozent einfahren. Bei den gleichzeitig stattfindenden Kommunalwahlen konnte sie einzelne Mandate erringen. Ist das nun eine politische Eintagsfliege oder ein erster Schritt, hin zur Etablierung einer islamistischen Kraft in der schwedischen Politik?
Islamistischer Einfluss in der schwedischen Politik ist nicht neu und bedarf auch nicht unbedingt einer explizit muslimischen Partei. Grünen-Politiker Yasri Khan legte 2016 alle Parteiämter nieder, nachdem eine öffentliche Debatte um ihn entbrannt war. Er hatte sich aus religiösen Gründen geweigert, Frauen die Hand zu schütteln. Kurz zuvor war sein Parteifreund Mehmet Kaplan als Bauminister zurückgetreten. Kaplan hatte mit einem Vertreter der türkisch-faschistischen Grauen Wölfe Ramadan gefeiert. Bereits vor seiner Zeit als Minister hatte Kaplan Israels Vorgehen gegen Palästinenser mit der Behandlung von Juden in Nazideutschland verglichen.
Radikale Muslime gibt es aber nicht nur in linken schwedischen Parteien. Auch die liberalen Moderaten des jetzigen Ministerpräsidenten Kristersson hatten schon einen Islamistenskandal. Abdirizak Waberi war 2010 bis 2014 Reichstagsabgeordneter der Partei, obwohl er schon zuvor durch islamistische Äußerungen aufgefallen war. Unter anderem hatte er gesagt, muslimische Männer dürften bis zu vier Frauen haben und ihre Ehefrauen auch schlagen. Waberi ist inzwischen aus der Partei ausgeschlossen worden. Er wurde letztes Jahr wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt.
Seinen Hut muss El-Haj nicht nehmen
2018 sprach ein Amtsgericht in Solna bei Stockholm einen muslimischen Mann frei, der angeklagt war, seine Ehefrau misshandelt zu haben. Ausschlaggebend für das Urteil waren zwei muslimische Schöffen, Hasan Fransson und Ebtisam Aldebe, nominiert von der liberalen Zentrumspartei. Im Urteil hatten die Schöffen implizit mit der Scharia argumentiert und darauf verwiesen, dass der mutmaßliche Täter aus einer besseren Familie komme als das Opfer. Der Mann wurde vom Oberlandesgericht wegen Körperverletzung verurteilt. Die Schöffen wurden vom Gericht suspendiert und aus der Partei ausgeschlossen.
Vorläufiger Höhepunkt der Unterwanderung politischer Parteien durch Islamisten ist der Fall des sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Jamal El-Haj. Ihm werden Beziehungen zur Hamas nachgesagt, und die Beweislast hierfür ist erdrückend. Der im Libanon geborene El-Haj sitzt seit 2018 im Reichstag und ist unter anderem stellvertretendes Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. El-Haj ist in den migrantisch geprägten Stadtteilen seines Wahlkreises in Malmö ein Stimmenmagnet für die Sozialdemokraten. Im Mai dieses Jahres nahm er an einer umstrittenen Palästina-Konferenz in Malmö teil. Veranstalter war der im Juni wegen mutmaßlicher Hamas-Finanzierung verhaftete niederländische Palästinenser Amin Abu Rashid.
Mehrere schwedische Politiker der Sozialdemokraten, der Grünen und der Linkspartei hatten sich zu der Konferenz angemeldet, sprangen aber in letzter Minute ab, als die Hamas-Verbindungen der Veranstaltung publik wurden. Nicht so El-Haj. Obwohl seine Partei von der Teilnahme abriet und sich die PLO von der Konferenz distanzierte, nahm El-Haj teil. Er bekam einen Ehrenplatz neben Abu Rashid und umarmte diesen auf der Konferenzbühne. Es waren nicht El-Hajs erste Kontakte mit Hamas-nahen Gruppen oder Personen. Schon 2004 nahm er in Malmö an einer Trauerfeier für Hamas-Führer Ahmad Yasin teil. 2014 beteiligte er sich in Malmö an einer Palästinenserdemonstration. Ein Foto zeigt ihn neben zwei Hamas-Flaggen.
Seinen Hut muss El-Haj nicht nehmen
Was den Fall El-Haj besonders macht, ist, dass ihn seine Partei frenetisch verteidigt. Während andere Islamisten in der schwedischen Politik ihren Hut nehmen mussten, stehen die Sozialdemokraten um die Parteivorsitzende Magdalena Andersson zu ihrem Abgeordneten. In einer Reichstagsdebatte vor wenigen Tagen warf Ministerpräsident Kristersson der Oppositionsführerin vor, es gebe in Teilen der sozialdemokratischen Partei Terrorromantik. Andersson war sichtlich erschüttert und leistete sich einen Freud’schen Versprecher. Mit den Tränen kämpfend, sagte sie, Jamal Hamas [sic!] habe im Gazastreifen die gesamte Familie seiner Schwiegertochter verloren, 36 Personen. Inwiefern dies El-Hajs Hamas-Verbindungen relativieren würde, sagte sie nicht. Schon vor längerer Zeit hatte Andersson behauptet, El-Haj habe sein gesamtes politisches Leben dem Kampf gegen die Hamas geweiht.
Inzwischen hat die Affäre um El-Haj auch eine juristische Dimension. Der moderate Reichstagsabgeordnete Fredrik Kärrholm hatte nach dem Terrorangriff der Hamas auf Südisrael El-Haj auf Twitter/X als Sicherheitsrisiko bezeichnet. Er zielte damit nicht zuletzt auf dessen Mandat als stellvertretendes Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Reichstages ab. El-Haj konterte und erstattete Anzeige wegen Verleumdung gegen Kärrholm. Zurzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft in der Angelegenheit. Kärrholm sagt, er werde sich nicht zum Schweigen zwingen lassen und verweist auf die palästinensische Botschafterin in Stockholm. Diese hatte die Konferenz, an der El-Haj im Mai teilnahm, als Hamas-Konferenz bezeichnet.
Warum stehen die Sozialdemokraten so treu zu El-Haj, obwohl er zu einer Belastung für seine Partei geworden ist und es deutliche Hinweise auf seine Hamas-Nähe gibt? Warum lässt ihn Magdalena Andersson nicht fallen, wie das andere Parteien mit Khan, Kaplan oder Waberi gemacht haben? Die Antwort ist vermutlich einfach: Gerade in sozialen Brennpunktgebieten mit hohem Migrantenanteil sind die Sozialdemokraten stark. Jamal El-Haj, der auch schon einmal mit Palästinaflagge am Revers Wahlvideos auf Arabisch aufnimmt, bindet viele Stimmen an die Partei. Hier kommt auch wieder die islamistische Kleinpartei Nyans in Bild. Ihre 0,44 Prozent bei den letzten Wahlen mögen unwichtig entscheiden. Reichstagswahlen gehen in Schweden aber oft knapp aus.
Islamisten und Sozialdemokraten buhlen um dieselbe Wähler-Klientel
Kristersson hat derzeit eine Mehrheit von drei Sitzen hinter sich, seine Konkurrentin Andersson in der vorherigen Legislaturperiode nur einen Sitz. Nyans konkurriert mit den Sozialdemokraten um dieselben Wähler. Wollen die Sozialdemokraten also wieder an die Macht kommen, spielen muslimische Migranten eine wichtige Rolle. Andersson kann sich keine verlorenen muslimischen Stimmen leisten. Das schränkt die Handlungsfreiheit der Sozialdemokraten ein, wenn es um Distanzierungen zum Islamismus und zu Stellungnahmen im Konflikt Israel/Palästinenser geht.
Mikail Yüksel, Frontfigur von Nyans, freut das natürlich. Yüksel stammt aus der Türkei und kam als junger Erwachsener nach Schweden. Seine politische Karriere begann in der liberalen Zentrumspartei. Er erhielt einen aussichtsreichen Listenplatz für die Reichstagswahlen 2018, wurde aber kurz vor der Wahl ausgeschlossen, als seine Verbindungen zu den Grauen Wölfen bekannt wurden. Im folgenden Jahr gründete er dann die Partei Nyans. Diese profiliert sich durch Nähe zur Türkei und Präsident Erdogan, nicht zuletzt in der Frage des schwedischen NATO-Beitritts. Auch die ständige Verurteilung Israels liegt Nyans am Herzen. Neben Aufrufen zum Boykott israelischer Produkte fordert die Partei schwedische Juden auf, sich von Israel zu distanzieren. Yüksel und Nyans beteiligen sich auch immer wieder an einer islamistischen Desinformationskampagne die behauptet, schwedische Jugendämter würden gezielt muslimische Kinder in Pflegefamilien unterbringen, um die Kinder vom Islam abzubringen. Hier agitiert die Partei gezielt gegen den schwedischen Staat und seine Institutionen.
Kann Deutschland etwas aus der Situation in Schweden lernen? Natürlich ist es möglich, dass wir auch in Deutschland in Zukunft eine islamistische Partei sehen. So eine Partei wäre nicht erst dann ein Problem, wenn sie über fünf Prozent und in den Bundestag käme. Sie würde all jene Parteien vor eine Herausforderung stellen, die bisher von Muslimen gewählt werden. Werden diese Parteien sich noch trauen, sich vom Islamismus zu distanzieren oder sich mit Israel oder den deutschen Juden zu solidarisieren? Werden sie sich trauen, gegen eigene Mitglieder vorzugehen, wenn diesen Verbindungen zu Islamisten oder zu türkischen Faschisten nachgewiesen werden? Die Brandmauer gegen solche Kräfte ist meines Erachtens genauso wichtig wie die gegen deutschstämmige Rechtsextremisten.
Olof Brunninge ist als Sohn eines schwedischen Vaters und einer deutschen Mutter in Ostwestfalen aufgewachsen. Seit 1994 lebt er in Schweden. Er arbeitet als Associate Professor in Betriebswirtschaftslehre an einer schwedischen Hochschule.