Henryk M. Broder / 06.10.2016 / 09:30 / 13 / Seite ausdrucken

Islam made in Germany

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble ist ein Politiker, der sein Handwerk von der Pike auf gelernt hat. Er kann taktisch und strategisch denken, weiß mit Zahlen umzugehen und ist loyal bis zur Selbstaufgabe. Im Jahre 1994 hat er von einem Waffenhändler 100.000.- DM als Spende für die CDU entgegengenommen und in seinem Schreibtisch „vergessen“; bis heute konnte nicht geklärt werden, wohin das Geld geflossen ist.

Schäuble hat mehrere Gelegenheiten verstreichen lassen, die Kanzlerin zu entmachten. Das ist nicht seine Art. Er sagt nicht alles, was er weiß, aber wenn er etwas sagt, dann tut er es wohl überlegt. Als er noch Innenminister war, hat er vor zehn Jahren die Deutsche Islam-Konferenz ins Leben gerufen, um die in Deutschland lebenden Muslime in die politische Verantwortung einzubinden. Zugleich war es ein Eingeständnis, dass es Probleme mit Muslimen gibt wie mit keiner anderen Ethnie oder Religionsgemeinschaft, die der Staat dermaßen hegen und pflegen muss.

Nun ist Schäuble noch einen Schritt weiter gegangen. Pünktlich zum Tag der Deutschen Einheit schrieb er in einem Beitrag für die Welt am Sonntag, er wünsche sich „die Entwicklung eines deutschen Islam, die Entwicklung eines Selbstgefühls der hier lebenden Muslime als Muslime in Deutschland, in einer freiheitlichen, offenen, pluralen und toleranten Ordnung“. Es war vor allem ein Appell an die Muslime, die freiheitliche, offene, plurale und tolerante Ordnung der Bundesrepublik anzunehmen, auch wenn der Minister zugleich die Bio-Deutschen ermahnte: „Wir müssen uns den Wanderungsbewegungen unserer Zeit stellen.“

Ein „deutscher Islam“ soll es also richten. Was aber unterscheidet einen deutschen Islam von einem saudi-arabischen, marokkanischen oder pakistanischen Islam? Sollen deutsche Muslime weniger als fünfmal am Tag beten? Sollen sie Dirndl statt Hijab tragen, Bier trinken und Schweinskopfsülze essen? Reicht es nicht, wenn sie die für alle geltenden Gesetze befolgen?

Es hat schon mal zwei ähnliche Projekte gegeben: Die Erfindung der „deutschen Christen“ und der „deutschen Staatsbürger mosaischen Glaubens“; beide sind krachend gescheitert. So wird es auch dem deutschen Islam ergehen. Schäuble weiß es, und die Muslime wissen es. Aber gut, dass wir darüber gesprochen haben.

Zuerst erschienen in der Züricher Weltwoche

Siehe auch: Bundeskanzlerin Merkel im Jahre 2009 über Schäubles Eignung als Finanzminister. Hier

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Leserpost

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Paul Wein / 06.10.2016

Auch Bassam Tibi hat seit 1991 für einen “europäischen Islam” geworben - dieses Jahr erklärte er seinen Traum für gescheitert. Offenbar sind Teile des Islams völlig inkompatibel zu unseren liberalen und demokratischen Gesellschaften und gleichzeitig so existentieller Bestandteil dieses Glaubens, dass sie sich unmöglich zur Disposition stellen lassen. Aus jahrzehntelangem Umgang mit netten Muslimen dürfen wir daher nicht schließen, dass der Islam bereit für eine Aufklärung ist. Weltweite Ausbrüche fundamentalislamistischer Gewalt beweisen leider das Gegenteil.

Bianca Kuss / 06.10.2016

Zeigen Historie und Gegenwart nicht deutlich genug, dass die universellen Menschenrechte Werte sind, die das Zusammenleben besser als Religionen gestalten lassen?

Wilfried Cremer / 06.10.2016

Den Islam wird es nicht ewig geben.

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