Henryk M. Broder / 30.10.2023 / 06:15 / Foto: Auswärtiges Amt / 96 / Seite ausdrucken

Irre ist das neue Normal (4): Ein deutscher Diplomat

Der deutsche Top-Diplomat Christoph Heusgen stellt sich im „heute journal" des ZDF hinter den UN-Generalsekretär Guterres und phantasiert über eine Zwei-Staaten-Lösung, die er zum „geltenden Recht" ernennt. 

Wenn Sie wissen möchten, wie man das Wort „Gemütskälte" in Gebärdensprache übersetzt, dann schauen Sie sich das Interview an, das Dunja Hayali im heute journal am 24.10. mit Christoph Heusgen geführt hat (hier ab 6:30). Heusgen, von 2017 bis 2021 Ständiger Vertreter der Bundesrepublik bei den UN und inzwischen Vorsitzender der Münchener Sicherheitskonferenz, war lange Jahre Berater und Vertrauter von Angela Merkel, bis er als Dank für die geleisteten Dienste nach N.Y. befördert wurde, wo er dann „seine Beziehungen spielen ließ, um seiner Frau einen Job bei der Uno in New York zuzuschanzen". Die Lebenshaltungskosten in N.Y. sind hoch, von einem Gehalt allein kann ein Ehepaar kaum leben.

Nicht nur gegenüber seiner Ehefrau legte Heusgen ein fürsorgliches Verhalten an den Tag, sondern auch gegenüber Israelis und Palästinensern, wenn auch ungleichmäßig verteilt. Er habe, so hieß es aus dem Auswärtigen Amt, in den Verhandlungen über die Textfassungen der Resolutionen in der Generalversammlung „schon vielfach eine Entschärfung von Formulierungen bewirken“ können, also das Schlimmste verhindert. Eine Sprecherin der Bundesregierung fand ebenfalls nur lobende Worte. Heusgen sei „ein hervorragender Diplomat, der der Sicherheit und historischen Verbundenheit zu Israel genauso verpflichtet ist wie die Bundesrepublik Deutschland“, er habe sich „über Jahre hinweg und mit großer Leidenschaft gegen Antisemitismus eingesetzt".

Allerdings so diskret, dass es kaum in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde. Zum Beispiel in einer Rede vor dem Sicherheitsrat der UN am 26. März 2019, in der er u.a. sagte: „Wir glauben, dass das internationale Recht am besten geeignet ist, Zivilisten zu schützen, damit sie in Frieden und Sicherheit leben können, damit sie ohne Angst vor israelischen Bulldozern oder Hamas-Raketen leben können.“

Die Zwei-Staaten-Lösung gibt es doch schon

Womit er vermutlich andeuten wollte, dass israelische Bulldozer fliegen und explodieren können, während Hamas-Raketen mit Eselskarren ans Ziel befördert werden müssen. Für diesen Un-Vergleich wurde der deutsche Fachmann für internationales Recht und explosive Flugkörper vom Simon-Wiesenthal-Zentrum in L.A. mit einem Platz auf der Liste der schlimmsten antisemitischen Vorfälle des Jahres geehrt.

In dem heute-Interview mit Dunja Hayali stellte sich Heusgen vorbehaltlos hinter den UN-Generalsekretär Guterres. Der sei ein „sehr besonnener Mann“, er habe „die Hamas-Aktion aufs Schärfste verurteilt“ und zugleich darauf hingewiesen, dass sie „nicht in einem Vakuum stattgefunden“ hat, sondern vor dem Hintergrund der 56 Jahre währenden Besatzung der Palästinensergebiete. Und das sei etwas, was „im Völkerrecht, in UN-Resolutionen genauso drinsteht“. Die letzte UN-Resolution besage, „dass die Besatzung eine flagrante Verletztung des Völkerrechts ist“. Man müsse wieder „zurückkehren zu einer diplomatischen Lösung, zur Zwei-Staaten-Lösung, die geltendes Recht ist, und da muss auch Israel mitmachen, das kann man sich derzeit nicht vorstellen, aber das ist der einzige Ausweg“.

Es gibt noch mehr, das man sich derzeit nicht vorstellen kann: Dass ein deutscher Top-Diplomat nur wenige Tage nach einem Schlachtfest mit 1.400 Toten, das er zärtlich eine „Aktion" nennt – ein Synonym für Ausverkauf –, darüber phantasiert, die „Zwei-Staaten-Lösung“ sei „geltendes Recht“, bei der Israel „auch mitmachen“ müsse. Es sei denn, er meint die aktuelle Zwei-Staaten-Lösung aus Westbank und Gaza, die sich echt bewährt hat.

Die Aussicht auf eine vom Völkerrecht à la Heusgen zertifizierte Grenze mit einem Staat, dessen Mordkommandos da weitermachen, wo die Einsatzgruppen aufhören mussten, dürfte die Israelis überzeugen, dass dies „der einzige Ausweg“ ist. Noch überzeugender wäre nur, wenn sich Heusgen dazu durchringen könnte, seine Sommerresidenz an die israelisch-palästinensische Grenze zu verlegen, ein beliebtes Naherholungsgebiet für Terroristen, Freaks mit Diplomatenpässen und UNRWA-Mitarbeiter.

PS: Jetzt hat sich Christoph Heusgen doch entschuldigt, irgendwie. Das Büro der Munich Security Conference, dem Hochamt der politischen Kaffeesatzexperten, gab am 27.10. in Heusgens Namen eine Erklärung ab, in der es u.a. heißt: 

Ambassador Heusgen wants to sincerely apologize for the offense his comments have caused. He has been outspoken about the brutal terrorist attacks on October 7 in the past but did not use the right words to address the terrorist acts in his interview on Tuesday night. Ambassador Heusgen regrets this and has already said so publicly.

Ambassador Heusgen would like to apologize that his comments have caused grave upset at a very difficult time for many Israelis and Jews around the world. He is aware that his remarks about the long-term challenges of the region in the immediate aftermath of a pogrom and the most shocking slaughter of Jews since the Holocaust and his reflections on any political causes of the attacks perpetrated by Hamas are seen as diluting the recognition of their horror. This was in no way his intention.

He strongly believes the history of the region is immensely challenging yet also highly relevant when seeking to achieve a long-term political solution to this crisis. Since its foundation, the MSC has stood for an open exchange and is committed to a solution-oriented dialogue.

Foto: AA

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Leserpost

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Helmut Driesel / 30.10.2023

  Ich vermute folgendes: Immer wenn klar ist, dass eine Resolution gegen Israel sowieso eine Mehrheit findet, macht es Sinn, sich mit den Feinden Israels ins Boot zu setzen oder wenigstens opportunistisch Enthaltung zu üben. Das garantiert nämlich das Mindest-Wohlwollen unserer reichen Wirtschaftspartner und Lieferanten. Nur wenn die deutsche Stimme entscheidend wäre, würde es Sinn machen, gegenzuhalten. Und das scheint auch die Überzeugung der Regierungen in Tel Aviv zu sein, sonst würden sie längst keine deutschen Politiker mehr empfangen bei der vielen Heuchelei, die bisher geübt wurde. Kann man diesen Heusgen nicht irgendwie zum Austausch gegen Geiseln verwenden, vielleicht sogar mit dem Steini und der Claudi zusammen?

Johannes Schuster / 30.10.2023

Ein deutscher Diplomat präsentiert die “Endlösung der Israel - Frage”. Hurra, Johanna Haarer - Erziehung in action. Sozial kodierte Denkweise, fehlende Positionsübernahme, ja, so sieht das Ergebnis einer Erziehung aus, die eine gewisse Tradition aufweist. Oder soll ich Tilmann Moser berufen: “Politik und seelischer Untergrund” ein absolutes Muss - Werk für jeden, der an deutschen Zeitzündern arbeitet. Nur die Sache ist halt auch verfahren: Israel muß den Gazastreifen besetzen um “nachhaltig” für sich das Problem zu beheben. Gleichzeitig wird die ganze islamische Welt “scharf gestellt”. Dann reicht ein Funken und aus der Sache um die Jammerweiber mit Terrorzögling wird ein Flächenbrand. Erdogan nutzt die Gunst der Stunde um sein Reich zu errichten und die Deutschen müssen sich ein Gleiches verkneifen und grollen darum. Ich sage eines voraus: Das Pogrom wird Mode. Es ist der Sündenbock (übrigens auch in der Tora) immer das Zeichen an sich selbst zu scheitern. Wenn andere Schuld sind, dann hat man aus sich keine andere Alternative mehr als die Veräußerung der konstanten Probleme. Mal sehen, wann in Berlin ein Ghetto vorschlägt als “Schutzraum” oder ein Schtetl mit dem Slogan: “Bleibt drinnen und fühlet Euch frei”. 2023 und man kommt sich vor, als hätte jemand Belebungswasser auf ein Geschichtsbuch gekippt. Und erzählet den Leuten in Kanaan bloß nicht, daß sie zur Hälfte uneheliche Kinder Abrahams mit seinen Kebsweibern sind. Ahnenforschung als Totschlag-Argument. Ein in die Realität getragener boshafter morbider Comic ist das alles.

A. Nölle / 30.10.2023

Was die Schwarmintelligenz der muslimischen Seite über eine wie auch immer geartete “Zwei-Staaten-Lösung” denkt, hat sie doch gerade in kulturspezifisch hochdifferenzierter Weise am Flughafen von Machatschkala in Dagestan zum Ausdruck gebracht.

Wilfried Cremer / 30.10.2023

lieber Herr Broder, in der Rub al-Chali wäre Platz für 1000 Palästinsas. Die ist menschenleer, bis jetzt, weil Wüste, aber mit fossilem Wasser angereichert ohne Ende und harrt sozusagen der artesischen Entjungferung. Für die geübten Maulwürfe aus Gaza also eigentlich ein Klacks.

Claus Bockenheimer / 30.10.2023

Mal jetzt abgesehen von der Person Haeusgen und seinem dusseligen Kommentar: Broder ist immer schnell bei der Hand was Schuldzuweisungen usw betrifft. Kann er auch mal einen positiven Beitrag leisten, indem er uns teilhaben lässt über seine Vorstellung der zuukünftigen israelisch-palästinensischen bzw arabischen Beziehungen. Hat er irgendwelche Vorschläge ? Selbst wenn er dafür als Journalist nicht zuständig ist, irgendeine Vorstellung wird er doch haben?

Burkhard Mundt / 30.10.2023

Der Herr Ambassador Heusgen spricht von israelischer Besatzung, obwohl Israel das Gebiet Gaza freiwillig geräumt hat und die Bevölkerung dort mit zB Stromlieferung unterstützt. Der Herr Ambassador Heusgen faselt von einer “Zweistaatenlösung”, die die Araber noch nie wollten und nie akzeptieren werden. Deren einziges Ziel ist die hasserfüllte Auslöschung Israels. Der Herr Ambassador Heusgen belegt Platz 7 in der Liste der “10 schlimmsten Vorfälle von antisemitischem Verhalten” des Simon - Wiesenthal - Centers. Von so einem “Spitzendiplomaten” ließ sich Merkel beraten, die immer die “deutsche Staatsräson” ins Schaufenster hing, wenn sie mit Israel sprach. Merkel, die Weltpolitikerin aus der Uckermark.

Klaus Biskaborn / 30.10.2023

Ein Antisemit war und ist dieser Heusgen, ganz im Sinne der heuchlerischen deutschen Politik! Wie hat sich eigentlich der Zentralrat der Juden zu diesem neuerlich Ausfall Heusgens geäußert? Wohl gar nicht. Lieber kämpfen die gegen die AfD und erwarten dafür Steuermillionen!

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