Peter Grimm / 09.02.2019 / 11:00 / 22 / Seite ausdrucken

Irre Ängste, irre Zahlen

Wer die Vokabel „Überfremdung“ in seinem Wortschatz hütet, ist ja bekanntlich entweder irre oder rechts. Wer das nicht glauben will, kann es sich von den Kollegen der öffentlich-rechtlichen Sender erklären lassen. So wie hier von einer versierten Kommentatorin aus dem ARD-Hauptstadtstudio, die zum Thema Zuwanderung sagt:

Das Thema bleibt also auf der Weltagenda und ist nach wie vor wichtig. Aber es taugt nicht dazu, völlig irre Ängste vor Überfremdung im eigenen Land zu schüren. Das zeigen die Zahlen heute ganz eindeutig.

Es kommen weniger Asylsuchende als vor 2014, also noch vor dem Krisenjahr 2015. Damals hat sich kaum jemand in Europa um Flüchtlinge gekümmert – außer den Italienern, die man mit den Problemen kollektiv im Stich gelassen hat. Das war ein Fehler – und wie es aussieht, haben die Politiker das auch erkannt, selbst wenn sie keine gemeinsame Lösung dafür finden.“

Die Bezugsgröße ist also 2014? Seinerzeit verzeichnete das Bundesinnenministerium 202.834 Asylanträge, das war gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung um etwa 60 Prozent. Dass einmal mehr als eine Million Asylbewerber innerhalb weniger Monate weitgehend unkontrolliert ins Land gelassen würden, war damals noch unvorstellbar.

Aber der Eindruck, im Jahr 2014 hätte die damalige Zuwanderungs-Rekordzahl niemanden interessiert, lässt bei der Hauptstadtstudio-Kollegin ein zuweilen schwaches Gedächtnis vermuten. Dass der Zuwachs der Migration in die Sozialsysteme und erste Unterbringungs-Probleme in den Kommunen die Auslöser der Ende 2014 rasant anwachsenden Pegida-Demonstrationen in Dresden waren, daran sollte man sich erinnern können, wenn man seinerzeit nicht gerade ein Sabbat-Jahr in Nordkorea verbracht hat. Der Protest gegen die „angebliche Islamisierung“, getragen von „irrationalen Überfremdungsängsten“ war damals in den Medien omnipräsent, selbstverständlich so gut wie nie ohne richtige redaktionelle Einordnung, also demonstrativen Abscheu der Medienschaffenden.

Richtiger Umgang mit Übefremdungsängsten

Der wegen Einbruchdiebstahl, Drogenhandel und Körperverletzung vorbestrafte und darob einst selbst einmal flüchtige Initiator und Frontmann der Proteste war – wie auch manch ein Redner – wahrlich nicht gerade ein Aushängeschild in Sachen Seriosität, doch leider bewahrheitete sich die eine oder andere damals dort ausgesprochene böse Ahnung trotzdem in den folgenden Jahren.

Gut, das ist Geschichte. Pegida ist inzwischen in der Medienwahrnehmung zu einem Stück regionaler Dresdener Folklore geschrumpft, ist radikaler im Auftritt als damals, während – zumindest theoretisch – Forderungen des ersten Pegida-Thesenpapiers längst Eingang in die Kataloge der einst großen deutschen Parteien gefunden haben, wie beispielsweise die Forderung nach einem Einwanderungsrecht nach kanadischem Vorbild. Was allerdings auf praktisches politisches Handeln kaum Einfluss hat.

Gut, machen wir es jetzt vielleicht besser wie die Kollegin, die „Ängste vor Überfremdung“ für „völlig irre“ hält und vergessen Pegida. Wie man richtig mit Überfremdungsängsten umgeht, das weiß auch MDR 360 G, das „Medienportal des Mitteldeutschen Rundfunks für Medienunternehmen“. Dort fragte man namhafte Kollegen hinsichtlich des eigenen professionellen Umgangs mit solchen Phänomenen:

Ein wichtiger Tipp gegen Worthülsen, Kampfbegriffe und Schlagworte ist für Küppersbusch immer die Konkretisierung. Wenn zum Beispiel ein Politiker eine „Überfremdung durch Asylanten“ anspricht, sei es sinnvoll, direkt nachzufragen: „Was heißt das jetzt konkret? Wo sind Sie zu Hause in Ihrem Dorf von Asylanten überfremdet? Ist es im Vorgarten, ist es auf dem Bürgersteig? Wo stehen die da bei Ihnen?“

Deutsch als Nebensprache

Nun ist es natürlich nicht die drohende „Überfremdung“ durch die aktuellen Asylbewerber und anderen Zuwanderer, die immer mehr autochthone Deutsche umtreibt. Hätte das Land alle früheren Zuwanderungswellen erfolgreich geschultert, wären die Migrantengenerationen vergangener Jahrzehnte mit ihren Nachkommen größtenteils Teil der deutschen Gesellschaft geworden, könnte man Überfremdungsängste wahrscheinlich wirklich für überzogen, irre oder von rechtsextremer Gesinnung motiviert halten. Doch das ist nicht gelungen, wie nicht nur die kriminellen Clans aus arabischen Großfamilien zeigen, die sich über Generationen entwickelt haben. Man sieht es auch, wenn man eine Meldung wie diese liest:

Der Anteil der Kinder, die bei den Schuleingangsuntersuchungen ein fehlerfreies Deutsch vorweisen konnten, lag im Jahr 2017 in ganz Duisburg nur noch bei 8,2 Prozent, meldete rp-online. Der Anteil der Schulanfänger, die überhaupt kein Deutsch beherrschen, habe dagegen bei 16,4 Prozent gelegen. Weiter heißt es:

Hintergrund dieser Entwicklung ist laut dem Bericht der steigende Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund. Weniger als die Hälfte (49,9 Prozent) der Kinder, die sich im Jahr 2017 der Schuleinganguntersuchung unterzogen haben, wuchsen mit Deutsch als Erstsprache auf. 50,1 Prozent stammten dagegen aus Haushalten, in denen eine andere Sprache gesprochen wird.

In einigen Stadtteilen sind deutsch sprechende Familien offenbar mittlerweile eine echte Minderheit. So lag der Anteil von Kindern, deren Erstsprache eine andere ist als Deutsch in Marxloh bei 74,4 Prozent, in Bruckhausen bei 87,5 Prozent und in Hochfeld sogar bei 87,9 Prozent. Die Stadtteile, in denen die meisten deutschsprachigen Kinder aufwachsen, finden sich dem Bericht zufolge in den Randbereichen Duisburgs. In Alt-Walsum (10,8), Baerl (14,3), Rumeln (12,4), Mündelheim (13,6), Ungelsheim, (12,5) Wedau (11,8) und Bissingheim (10,0) lag der Anteil an Kindern mit einer anderen Erstsprache bei unter 20 Prozent.“

Befähigt, die eigene Unschuld zu erklären

Das sind die Sechsjährigen, die in zwölf Jahren volljährig sind. Sollte man da nicht auch als Nicht-Irrer oder Nicht-Rechter Angst bekommen dürfen? Es ist ja wohl kaum eine Beruhigung, dass sich bis dahin die „Leichte Sprache“ weiter etabliert hat, so dass eine Verständigung über grundlegende Bedürfnisse und Ansprüche gewährleistet bleibt.

Aber vielleicht ist da Duisburg ein bedauerlicher Einzelfall? Zumindest nicht der einzige Einzelfall, wie das ja mit so manchen Einzelfällen ist. In diesen Einzelfall-Reigen reiht sich beispielsweise – wen wundert’s – auch Berlin ein. Und – so weiß man in der Hauptstadt – die Probleme betreffen nicht nur die Sprache. Der Tagesspiegel berichtet:

Berlins Erstklässler kommen mit schwerwiegenden Defiziten in die Schule – und zwar sogar dann, wenn sie über zwei Jahre lang eine Kita besucht haben. Dies belegen die Einschulungsuntersuchungen für 31.000 Erstklässler zum Schuljahr 2017, deren Ergebnisse jetzt von der Senatsverwaltung für Gesundheit veröffentlicht wurden. Insgesamt werden bei fast 30 Prozent aller Erstklässler motorische und feinmotorische Störungen festgestellt, ein Viertel hat kaum eine Mengenvorstellung. Der Schulstart ist somit massiv erschwert. Am stärksten von den Defiziten betroffen sind arabischstämmige Kinder.

Dies betrifft besonders den Bereich der Visuomotorik, also die Auge-Hand-Koordination, die es etwa ermöglicht, etwas akkurat auszuschneiden oder Strichzeichnungen nach einer Vorlage zu vervollständigen: „Grenzwertige“ oder „auffällige“ Befunde gab es bei über 30 Prozent der Erstklässler. Dahinter verbergen sich folgende auf die Herkunft bezogene Zahlen: Bei den 16.400 deutschstämmigen und osteuropäischen Kinder besteht die Problemgruppe aus rund einem Drittel, bei den 2600 arabischstämmigen aus über 50 Prozent und bei den 2400 türkischstämmigen aus 37,5 Prozent.“

Vielleicht sind nicht die Überfremdungsängste „völlig irre“, sondern diejenigen, die sie samt und sonders als Ausdruck völkischen Wahns missdeuten und ihre Ursachen verdrängen. Wer Zuwanderung will, muss sie in harter Arbeit und mit Konsequenz so organisieren, dass sie mit der vorhandenen Gesellschaft und ihren Werten und Regeln kompatibel ist. Wer sich das Zuschauen und Nichtstun beim Entstehen und Erstarken inkompatibler Parallelgesellschaften mit blumig-wolkigen Sprechblasen von Vielfalt und Toleranz schönredet, sorgt dafür, dass die Ablehnung gegenüber jedweder Migration wächst. Doch das ist ja den meisten Medienschaffenden wahrscheinlich egal. Sie werden immer erklären können, warum sie daran nicht schuldig waren.

Der Beitrag erschien auch hier auf sichtplatz.de

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Leserpost

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Harald Vogel / 09.02.2019

Als die DDR Asylanten von Ostberlin nach Westberlin regelrecht schleuste(sie soll im Ausland mit Visfreier Einreise in die BRD geworben haben) sahen die Politiker die Sicherheit Deutschlands gefährdet.Dabei waren es nur 100000 oder so…

Karla Kuhn / 09.02.2019

Ja Herr Kaufmann, so ist es. Gruppenkuscheln, herrlich !! Übrigens, ich hoffe GIFFEY bekommt ihren DOKTORTITEL aberkannt !!

Günter Herrmann / 09.02.2019

Das sehe ich genau so. Da wächst, zusätzlich zu den bereits bestehenden, eine neue Unterschicht heran, die uns noch, da vorwiegend männlich und von Machokulturen geprägt, noch schwer zu schaffen machen wird.

Karl-Heinz Vonderstein / 09.02.2019

Wenn ich in meiner Heimatstadt Aachen mit dem Bus fahre und der ist voll, schätze ich, haben mindestens die Hälfte der Fahrgäste einen Migrationshintergrund. Wobei ich noch nie erlebt habe, dass es deshalb Probleme im Bus gab, im Gegenteil. Gerade junge Fahrgäste, die so aussehen, als haben sie einen Migrationshintergrund (türkisch, arabisch), stehen sehr häufig auf, wenn eine ältere (deutsche) Dame oder ein älterer (deutscher) Herr einsteigt und sonst kein freier Sitzplatz mehr vorhanden ist.

Gabriele Schulze / 09.02.2019

Die Überfremdungsängste sind definitiv nicht “völlig irre”. Schade ist außerdem, daß, bei mir zumindest, bei anderen vielleicht auch, das Interesse an anderen Kulturen geschwunden ist. Stichwort “aufgedrängte Bereicherung”. Inneres Schulterzucken, wenn mal wieder eine Mitleidsgeschichte kommt als Kollateralschaden. Heute allerdings unterhielten sich zwei stärker pigmentierte Jungs an der Kasse im Netto (Brennpunkt-Viertel) über “Akkumulation” und “Implementieren”. Da ging die Sonne auf!

W. Schulze / 09.02.2019

Die richtige Antwort auf die Frage von Küppersbusch wäre gewesen „die stehen da bei uns alle hinterm Busch, wissen sie, hinterm Küppersbusch!“. Gehts noch infantiler? Wenn über marode Infrastruktur im Lande am Beispiel von Brückenbauwerken gesprochen wird, fragt dann der politisch korrekte Journalist jetzt auch zuerst danach, wer denn das letzte mal mit einer Brücke zusammengebrochen ist?

Eberhard Kuske / 09.02.2019

es ist völlig verfehlt, wenn die “Medienschaffenden” nur den Zuwachs an Zuwanderung vergleichen - noch dazu mit dem irreführenden Bezugsjahr 2014. Es geht doch vor allem darum, dass die bisherige Zuwanderung -soweit sie aus vorwiegend islamischer Umgebung erfolgte- sich eben mehrheitlich nicht erfolgreich integriert hat. Das ist demnach weiterhin eine Bringschuld, die die Zuwanderer, die ja in ein für sie attraktives Land eingewandert sind, zu erfüllen haben. Es ist nahezu verrückt, trotz dieser Defizite fröhlich so weiter zu machen, wie es schon in der Vergangenheit nachgewiesenermaßen nicht funktioniert hat.

marc von aberncron / 09.02.2019

Darf man das überhaupt feststellen, das nutzt doch den “Rechten“!? Hatte dieser Sarrazin nicht bereits so etwas wenig Hilfreiches konstatiert?! Da waren die Redaktionen wohl unbotmäßig u. haben vor der Veröffentlichung nicht im Bundeskanzleramt um Erlaubnis nachgesucht?! - Aus dem Essener Süden weiß ich, dass im Essener Norden bzw. der dortigen türk. Community bereits vor zwei Dekaden der Spruch kursierte “Das gehört doch sowieso bald alles uns“ ... die türk. Geschichtsklitterung vom “Aufbau“ der BRD zur Legitimation von Anspruchshaltung oder allerlei missbräuchlicher, devianter u. delinquenter “Tätigkeiten“ ist ja mittlerweile auch an die Oberfläche gedrungen. (Nur die soziologischen “Milieu“-Studien haben nie nichts gemerkt.) Verantwortlich für diese Entwicklungen ist in NRW gerade auch die SPD, die während ihrer jahrzehntelangen Feudalherrschaft meinte, unliebsame Entwicklungen kaschieren oder unterdrücken zu können. Jedenfalls waren die Landesministerien gut informiert. Die Union hat die Wirklichkeiten auf Bundesebene aber ähnlich ignoriert. - Nun ist ius sanguinis tatsächlich nicht mehr exklusive Basis der Staatsbürgerschaft, vielen Afrodeutschen, Deutschtürkinnen oder Deutschasiaten gelingt der soziale Aufstieg sicherer als manchem Rußlanddt, die Böckenförd’sche Wertegemeinschaft sucht nach ihrer Substanz .... aber ohne eine lingua franca funktionieren Gemein- u. Staatswesen nicht mehr lange. Das läßt sich auch ohne Kenntnisse der Visigothi oder der türkischen Zersiedelungspolitik im Byzantinischen Spätreich intuieren :-D Aber wenn schon die weitgehende Dauer-Abwesenheit der “geflüchteten“ Neo-Migrantinnen von den Deutschkursen nicht sanktioniert wurde ....

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