Wolfram Weimer / 09.01.2020 / 12:00 / Foto: khamenei.ir / 33 / Seite ausdrucken

Irans schwarze Witwe

Nach westlichen Maßstäben wäre er Papst, Präsident und Militär-Chef in einer Person. Ali Chamenei ballt Irans Macht aus Politik, Religion und Militär in seiner Faust. Er nennt sich “Religionsführer” und “Revolutionsführer”, Oberbefehlshaber der Armee und auch noch Staatsoberhaupt. Er ist das Gegenteil von Gewaltenteilung. Seit 30 Jahren leidet Iran unter seiner Knute, seinen Kriegen und seinem islamistischen Wahn.

Immer wieder haben Protestbewegungen versucht, Chameneis Ära zu beenden, seine Macht zu beschneiden oder zumindest ein Stück Freiheit und Liberalität zurückzuerlangen – zuletzt die grüne Freiheitsbewegung der iranischen Jugend. Er ließ alles brutal niederschlagen, was sich seinem Fundamentalismus in den Weg stellte. Und doch bröckelte seine Macht seit einiger Zeit. Der Gesundheitszustand des Achtzigjährigen verschlechtert sich, die Wirtschaftskrise nagt an seiner Autorität, liberale Politiker drängen an Schalthebel der Macht und die Hoffnung der jungen Generation auf Freiheiten ist vital.

Doch die nun verschärften Spannungen zwischen Washington und Teheran haben die Position des Hardliners schlagartig wieder gestärkt. Chamenei nutzt den Tod des Generals Ghassem Soleimani zu tränenreichen Auftritten und schürt den aufbrandenden Rachefuror. Vor laufenden Kameras besucht er die Familie des getöteten Militärs. Plötzlich ist er wieder unumstrittener Wortführer und leitet die Anti-US-Kampagne offensiv an, während Präsident Hassan Rohani, der mit dem Atomabkommen das isolierte Land öffnen und enger an den Westen heranführen wollte, an den Rand gedrängt wird. In einer Erklärung ruft Chamenei “alle, die eine herzliche Verbindung zum Widerstand haben” zur “Blutrache” auf. Die “Fortsetzung des Widerstandes und sein endgültiger Sieg werden für die Mörder und Verbrecher noch bitterer sein”.

Die Zerstörung Israels erklärte er zur Staatsräson

Mit dem neu entfachten Kriegsgetöse ist Chamenei ganz in seinem Element. Es gibt fünf Grundmotive in seinem Leben, die über die Jahrzehnte manifest geworden sind:

Erstens: Krieg ist für die islamistische Sache gut. Schon seit 1982 sieht er Krieg und Terror als legitime Mittel zur Durchsetzung seiner Glaubensmission an. Seine Terrorgruppen im Libanon, in Syrien, Irak, Palästina und Jemen haben den Einfluss Irans in jüngsten Jahren deutlich ausgeweitet. Bereits im Ersten Golfkrieg gegen Saddam Husseins Irak war die unnachgiebige Losung unter ihm als Staatspräsidenten: “Krieg, Krieg, bis zum Sieg.” Er forderte seinerzeit öffentlich: “Iraker, erschießt eure Offiziere und Beamten.” Und er fand: “Der Segen des Krieges ist für uns unvorstellbar groß.” Seine Kriegs-Rhetorik ist über 30 Jahre gleich geblieben. Seine diesjährige Neujahrsansprache – also noch vor der Tötung Soleimanis – war bereits eine offene Kriegsdrohung an die USA: “Wir werden ohne jede Rücksicht den USA entgegentreten und wir werden unseren Schlag ausführen.”

Zweitens: Israel muss vernichtet werden. Zu seinem strategischen Ziel zählt die Vernichtung Israels. Sein unverhohlenes Programm: “Es ist die Position des Iran, zuerst durch den Imam [Ruhollah Chomeini] verkündet und viele Male von den Verantwortlichen wiederholt, dass das Krebsgeschwür, genannt Israel, aus der Region herausgerissen werden muss.” Die Zerstörung Israels erklärte er gar zur Staatsräson Teherans. “Das Fundament des Islamischen Regimes ist die Gegnerschaft gegen Israel und das beständige Thema des Iran ist die Eliminierung Israels in der Region.” Und weiter: “Bald wird sich die Welt vom zionistischen Regime, diesem Krebsgeschwür, befreien. Iran wird jedem helfen, der das zionistische Regime bekämpft, so wie es schon in der Vergangenheit Hisbollah und Hamas geholfen hat.”

Drittens: Der Holocaust wird geleugnet. Chamenei bezeichnet den Holocaust als Märchen der Juden. Er meint: “Die übertriebenen Statistiken über die Ermordung von Juden sind selbst Instrumente, um das Mitleid der Bevölkerung zu erwecken.” Über den Westen lästert er: “Die Meinungsfreiheit, die sie meinen, erlaubt es gar nicht, dass jemand das Märchen von der Ermordung der Juden, das auch Holocaust genannt wird, anzweifelt.”

Viertens: Terroristen sind ein Vorbild. Chamenei betrachtet den legendären Attentäter Navvab Safavi als eine vorbildliche Inspiration. Der “hat mich stark beeinflusst”, schreibt Chamenei aktuell auf seiner Homepage. Safavi war Auftrags- und Serienmörder und gründete 1946 die islamistische Gruppierung Fedajin-e Islam (Die sich für den Islam opfern). Ziel dieser Bewegung war die “Reinigung” des Islam durch systematischen Terrorismus und die Ermordung von Personen des öffentlichen Lebens. Chamenei sieht seine Bewegung, ja sein Land in der Tradition der Assassinen – eine fanatische, islamistische Gruppe des Mittelalters.

Fünftens: Der Islamismus führt einen Kulturkampf. Chamenei hat ein kulturkämpferisches Sendungsbewusstsein. Er predigt, schreibt Texte, tritt in Medien auf, betreibt sogar eine eigene Website in englischer Sprache und will den Krieg auch auf geistiger Ebene führen. Er sieht sich als Kämpfer gegen die westliche Freiheit des Geistes. Weltbekannt ist seine Todesforderung gegen den Schriftsteller Salman Rushdie wegen dessen Romans “Die satanischen Verse” (“Der schwarze Pfeil des Todes ist abgeschossen und auf dem Weg zu seinem Ziel.”) Weniger bekannt ist seine Zensur der iranischen Medien, politische oder religiöse Kritiker werden gnadenlos verfolgt. Selbst das Internet unterliegt der Zensur. Regierungskritische Blogger und Internet-Aktivisten werden verfolgt. An Universitäten darf nicht frei geforscht werden, vor allem in den Geisteswissenschaften nicht. Vor ausgesuchten Studenten und Professoren befand Chamenei: “Die meisten Humanwissenschaften basieren auf materialistischen Philosophien und betrachten den Menschen als ein Tier”. Er sei “beunruhigt, dass zwei Millionen Hörer in geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern eingeschrieben sind”. Damit werden, so Chamenei, den jungen Leuten säkulare Gedanken beigebracht und “Zweifel an den islamischen Prinzipien und Misstrauen in unsere Werte gesät”. In einem Schauprozess der sogenannten grünen Revolution mussten Regimekritiker öffentlich den Philosophen Max Weber oder Jürgen Habermas abschwören.

Auch vor seiner eigenen Familie schreckt er in seinem Säuberungswahn nicht zurück. So ist seine Schwester Badri Hussein Chamenei mit dem Ajatollah Ali Tehrani verheiratet. Der wurde wegen seiner Regimekritik zu 20 Jahren Haft verurteilt. Im Gefängnis beging der Schwager Chameneis daraufhin einen Selbstmordversuch, die Familie ist zerstört.

Chameneis Neffe Mahmud Tehrani lebt im Exil in Paris. Über seinen Onkel und dessen Regime sagte der in einem Radiointerview: “Die Islamische Republik hat sich immer mit Oppositionellen mit Gewalt auseinandergesetzt. Sie haben vom ersten Tag an, an dem sie an die Macht kamen, angefangen, Menschen zu töten. Wer ihre Sprache nicht spricht und wer auch immer gegen sie ist – egal ob es ein Mullah oder jemand mit Krawatte ist – wird als ‘Mohareb’, als ein Feind Gottes betrachtet. Sie glauben wirklich, dass sie Gott sind und das war von Anfang an so. Für das Lager des islamischen Establishments ist Gewalt wie eine Gewohnheit oder wie eine Pflicht.” Am liebsten mit Atombomben.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf The European.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

von Kullmann / 09.01.2020

Der religionsideologische Altersstarrsinn Chameneis weicht nicht einer gütigen Altersweisheit. Der nimmt alles mit in sein Grab, was ihm beliebt.

Karla Kuhn / 09.01.2020

“Sie glauben wirklich, dass sie Gott sind und das war von Anfang an so.”  WEN meinen Sie?  Viele der deutschen Politkaste ?? Wahrscheinlich haben deshalb etliche “Aufrechte” schon mit etlichen der “friedliebenden Iraner” “gekuschelt ?”  “Für das Lager des islamischen Establishments ist Gewalt wie eine Gewohnheit oder wie eine Pflicht.” Am liebsten mit Atombomben.”  Das ist doch eine wirklich “erstrebenswerte Partnerschaft” mit dem Iran. Bei soviel “Herzenswärme”  war die “Hinrichtung” des ach soo friedlichen Terroristen überflüssig, da hätte doch Frau Käßmann mit ihrer Singerei und ihren Gebeten DEESKALIEREND wirken können. Die Amis scheinen aber wirklich nicht mörderfreundlich zu sein !!  “.... mussten Regimekritiker öffentlich den Philosophen Max Weber oder Jürgen Habermas abschwören.”  Das war ebenso 1633, als Gaileo Galilei der These des Kopernikus abschwören sollte, daß sich die Erde um die Sonne bewegt. ALLE ACHTUNG, SOWEIT zivilisiert ist das Land schon ?? Ich erinnere mich vage, daß es unter dem - für mich auch verbrecherischen Schah Regimes, bereits viel fortschrittlicher war. Allerdings mußten viele des “gemeinen” Volkes im Elend leben, währen die obere Kaste schwelgte. Als der Schah nach Deutschland kam, wurden die “Klatschhasen aktiviert und die iranischen Sicherheitskräfte durften wahrscheinlich mit Genehmigung der Politik auf die demonstrierenden Studenten eindreschen !! IN DEUTSCHLAND !! Also SO viel hat sich bis heute nicht geändert und Deutschland hat immer den Kontakt mit dem Iran gepflegt. WARUM deshalb diese Aufregung ?? WEIL TRUMP DAS EINZIG RICHTIGE GETAN HAT !! TRUMP- das geht ja gar nicht !! Als unter der Ägide des Friedensnobelpreisträger (hatte er den Preis damals schon oder hat er ihn deshalb erhalten ?) Bin Laden “erledigt” wurde,  bekam er von Deutschland Lobeshymnen. Über TRUMP, der einen wesentlich gefährlicheren Typen töten lassen hat, werden natürlich von etlichen der “Qualimedien” wieder Schmähungen ausgestoßen !

Thomas Taterka / 09.01.2020

Es ist ja KEIN Witz, daß 80% der Parlamentarier, der Presse , des Fernsehens , des Rundfunks nach der Pfeife tanzen von Verantwortungsträgern, die mit diesem Regime GUT und GERNE leben können/ wollen. Weshalb sonst die Glückwunschtelegramme? Es ist eine SCHANDE.

Martin Landvoigt / 09.01.2020

Wenn es nicht blutiger Ernst wäre, würde man das ganze für einen schlechten Witz halten. Es ist erstaunlich, wie weit dummdreiste menschen es in dieser Welt bringen können. Das geht nur mit einer Ideologie, die das selbstständige Denken ausschaltet.

beat schaller / 09.01.2020

@Sabine Schönfelder. Das ist wieder so blumig-saftig geschrieben, man kann es fast riechen. Herrlich und treffend.! Danke. b.schaller

Sabine Schönfelder / 09.01.2020

Die Iraner haben ihren Ayatollah und wir den linken Franz-Papst, weiterhin eine Krampe, die einen militärischen Schrotthaufen delegiert und eine machtgeile Demagogenbraut aus der Uckermark. Die Qualitätsunterschiede halten sich im Rahmen. Einzig das Grundgesetz und die Reste unserer einstigen Demokratie hindern die Ökofaschisten n o c h daran, politische Gegner in iranischer Manier zu beseitigen. Bei uns nennt man sich „Klimakämpfer“ oder Ökoführer. Ansonsten ist den klaren Worten Mahmud Tehranis, aus der Familie des Ayatollah Chamenei nichts hinzuzufügen. Vielleicht die Beobachtung, ganz allgemein, daß der Besitz und der Erhalt von Macht fast alle Menschen irre macht, oder Irren besonders gut gelingt. Macht wird selten benutzt, um eine pluralistische, gesellschaftliche Lösung zu verwirklichen, sondern um die Meinung des Machtinhabers gegen andere durchzusetzen. Der Mensch als machtgeiler Besserwisser und gnadenloser Egomane….und sexy, wird man durch Macht auch nicht zwangsläufig, wenn ich mir die Deutsche und den Iraner so anschaue….

Rinaldo Schwaab / 09.01.2020

Die Frage ist ?  nehmen die Amerikaner diesen Mann ernst ?

beat schaller / 09.01.2020

Danke Herr Weimer für diese Zusammenfassung. b.schaller

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Wolfram Weimer / 26.06.2020 / 06:00 / 80

Corona als Kanzlermacher

In der CDU knistert es. Die Kanzlerkandidatur-Frage legt sich wie eine Krimispannung über die Partei. Im Dreikampf und die Merkelnachfolge zwischen Markus Söder, Armin Laschet…/ mehr

Wolfram Weimer / 18.06.2020 / 06:29 / 104

Der Rassist Karl Marx

Die Rassismus-Debatte eskaliert zum Kulturkampf. In Amerika werden Kolumbus-Denkmäler geköpft oder niedergerissen, in England sind Kolonialisten-Statuen zerstört oder in Hafenbecken geworfen worden, in Antwerpen trifft…/ mehr

Wolfram Weimer / 12.06.2020 / 10:00 / 47

Nichts ist unmöglich: AKK als Bundespräsidentin?

„Das ist die größte Wunderheilung seit Lazarus“, frohlocken CDU-Bundestagsabgeordnete über das Comeback ihrer Partei. Die Union wankte zu Jahresbeginn dem Abgrund entgegen, immer tiefer sackten…/ mehr

Wolfram Weimer / 21.05.2020 / 12:00 / 23

Warren Buffet traut dem Braten nicht

Warren Buffetts Barreserven liegen jetzt bei sagenhaften 137 Milliarden Dollar. Das ist so viel wie das Bruttosozialprodukt der 50 ärmsten Staaten der Welt zusammengenommen –…/ mehr

Wolfram Weimer / 07.05.2020 / 06:29 / 105

Anders Tegnell: Der Stachel im Fleisch der Corona-Politik

Schwedens Staatsepidemiologe Anders Tegnell spaltet die Gemüter. Er trägt weder Anzüge noch Medizinerkittel. Er vermeidet jedes Pathos und Wissenschaftlergehabe. Im Strickpullover erklärt er mit lässiger…/ mehr

Wolfram Weimer / 23.04.2020 / 06:10 / 183

Robert Habeck: Die grüne Sonne geht unter

Am 7. März erreichten die Grünen im RTL/n-tv-Trendbarometer noch Zustimmungswerte von 24 Prozent. Monatelang waren sie konstant die zweitstärkste Partei in Deutschland, satte 8 Prozentpunkte betrug der…/ mehr

Wolfram Weimer / 17.04.2020 / 06:17 / 90

China blockiert Recherchen zur Virus-Herkunft

Wie kam das Coronavirus von der Fledermaus auf die Menschen? Der Tiermarkt in Wuhan war es wohl doch nicht. Ein Virus-Forschungslabor nebenan spielt offenbar eine…/ mehr

Wolfram Weimer / 03.04.2020 / 06:25 / 100

Die liberale Corona-Bekämpfung

Die Bewältigung der Corona-Krise ist nicht alternativlos. Während viele Länder Europas – auch Deutschland – auf radikale Massen-Quarantänen mit wochenlangen Ausgangssperren und Kontaktverboten setzen, vertrauen…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com