Interview / 10.11.2020 / 06:25 / Foto: AHA Fuundation / 99 / Seite ausdrucken

Interview mit Ayaan Hirsi Ali: “Das ist kultureller Selbstmord”

Von Urs Gehriger.

Islamische Fundamentalisten töten in Paris, Nizza und Wien. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz sagt: "Es ist ein Kampf zwischen Zivilisation und Barbarei." Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erklärt: Das "Endziel" der islamistischen "Ideologie" bestehe darin, die "vollständige Kontrolle" über die Gesellschaft zu übernehmen. 

Ayaan Hirsi Ali, 50, hat den islamistischen Horror am eigenen Leib erlebt. Im Alter von fünf Jahren wurde ihr die Klitoris beschnitten. Als sie gegen das Koranstudium aufbegehrte, brach ihr der Koranlehrer den Schädel. Später lebte die gebürtige Somalierin in einer nach orthodoxem Islam arrangierten Ehe. Nach ihrer Flucht in die Niederlande stieg sie zu einer prominenten Stimme wider den fanatischen Islam auf. 2004 wurde ihr Kollege, Filmregisseur Theo van Gogh, auf offener Strasse ermordet. An van Goghs Leiche befestigte der Täter eine Morddrohung an Hirsi Ali. Sie tauchte ab. Aus dem Untergrund schrieb sie in einer Anklageschrift: "Islamistischer Terror, in den Niederlanden und außerhalb, kann gedeihen, weil er eingebettet ist in einen großen Kreis gleichgesinnter Muslime."

Heute ist sie amerikanische Staatsbürgerin, mit dem britischen Historiker Niall Ferguson verheiratet und arbeitet für das American Enterprise Institute.

Urs Gehriger: Frau Hirsi Ali, waren Sie überrascht von der neuen Welle des Terrors?

Hirsi Ali: Wie alle anderen auch bin ich schockiert, entsetzt und angewidert. Aber jeder, der sagt, er sei überrascht, hat nicht aufgepasst.

Wir beobachten, dass bei Attentaten immer öfter Messer eingesetzt werden. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Hirsi Ali: Es ist oft schwierig, Waffen oder Sprengstoff zu organisieren. Fanatische Prediger drängen junge Menschen dazu, mit dem "Küchenmesser ihrer Mutter" zu töten. Einen "Ungläubigen" zu töten oder zu verletzen, bringe ihnen "Punkte" im Jenseits ein. Das ist es, was Extremisten in Moscheen predigen. Außerdem hat im Islam, insbesondere in der Dschihadisten-Ideologie, das Messer oder das Schwert eine besondere Bedeutung. Schauen Sie sich die Flaggen einiger muslimischer Länder an, zum Beispiel diejenige von Saudi-Arabien. Sagen Sie mir, was Sie sehen.

Einen Säbel. Messer – oder Säbel – werden nicht nur zum Stechen benutzt. Gleich zweimal wurden in Frankreich die Opfer enthauptet. Welche Bedeutung kommt diesem barbarischen Tötungsakt zu?

Hirsi Ali: Man kann dies im Koran nachlesen. Es ist angeblich das, was der Prophet Mohammed seinen Feinden angetan hat. Wenn er in den Krieg zog und die Gruppe von Menschen besiegte, die man als Ungläubige bezeichnete, schnitten seine Mitstreiter diesen den Kopf ab. Es ist also eine Nachstellung jener Zeitspanne im Islam, in der die Enthauptung die ultimative Strafe war, die ultimative Erniedrigung des Feindes. Es ist eine grausame Art zu sterben, die in den Herzen der "Ungläubigen" Angst und Schrecken auslöst. So ist es im Koran, im Hadith verbrieft. Im Jahr 2001 waren die Menschen in Europa von solcher Barbarei überrascht. Inzwischen sind diese Methoden hinlänglich bekannt. Die einzige Frage ist nun, wie wir dieser Ideologie beikommen.

Der niederländische Sozialwissenschaftler Ruud Koopmans hielt in einer sechs Länder umfassenden Studie fest, dass 65 Prozent der Muslime religiöse Regeln für wichtiger erachten als die Gesetze des europäischen Landes, in dem sie leben. Was sagt das über die schweigende Mehrheit der Muslime in Europa angesichts solcher Verbrechen aus?

Hirsi Ali: Manchmal ist es Toleranz gegenüber solchen Verbrechen. Manchmal ist es Akzeptanz, aber sehr oft ist es Kollaboration. Wenn ich von Kollaboration spreche, meine ich Leute, die Geld an islamische Wohltätigkeitsorganisationen spenden. Es sind Leute, die wissen, dass das Verbrechen stattfinden wird, aber nichts sagen. In Moscheen drängen Gläubige zu Gewalt, Intoleranz und Einschüchterung. Die muslimischen Gemeinschaften, die Individuen, die nicht Teil der Gewalt sein wollen, werden auf verschiedene Arten zum Schweigen gebracht. Die von Ihnen erwähnte Umfrage wurde 2008 durchgeführt. Jetzt, zwölf Jahre später, hat sich das Problem vertieft und ausgeweitet. Es ist nötig, dass wir einen Schlussstrich ziehen und Islamisten kristallklar machen, dass wir dies nicht weiter tolerieren. Wir sollten junge Migranten vor die Wahl stellen: "Entweder ihr wollt in Frankreich oder in Deutschland, in den Niederlanden, in Grossbritannien leben, also befolgt ihr die hiesigen Gesetze – oder ihr müsst Europa verlassen."

Verlassen?

Hirsi Ali: Sie haben jetzt ganze Flotten von Fluggesellschaften, die wegen des Coronavirus am Boden stehen. Man müsste sie mit Leuten füllen, welche die Werte in Frankreich oder Deutschland nicht akzeptieren. Wir sollten ihnen sagen: "Gehen Sie dorthin, wo Sie ein Leben führen können, wie es Ihnen gefällt und das Sie verstehen. Man muss ihnen zeigen, dass man es wirklich ernst meint.

Viele Muslime, die sich schwer integrieren lassen, sind in Europa geboren. Sie nennen Europa ihre Heimat. Wohin sollen wir sie schicken?

Hirsi Ali: In das Land ihres Vaters und ihrer Mutter oder ihres Großvaters. Wenn sie sagen: "Oh, ich bin in Frankreich geboren, aber eigentlich hasse ich es hier und will nach den Werten Algeriens leben", dann sage ich: "Geh zurück nach Algerien."

Meine eigene siebzehnjährige Tochter wurde vergangenen Sommer in der Schweiz von muslimischen Migranten sexuell belästigt. Verstört fragte sie mich, warum diese jungen Männer, die als Flüchtlinge nach Europa kamen, sich an Frauen vergreifen.

Hirsi Ali: Ich schreibe gerade ein Buch darüber. Geben Sie es Ihrer Tochter zu lesen. Die Antwort lautet kurz: Weil sie aus Kulturen stammen, in denen Frauen als Sexualobjekte betrachtet werden. Dort gibt es keinen Respekt für Frauen, wenn sie sich nicht an die Regeln halten, nicht zu Hause bleiben und sich nicht von Kopf bis Fuss verhüllen. Wenn sie ohne einen männlichen Vormund und ohne eine Anstandsdame nach draußen gehen. Wenn die jungen Männer Frauen in Europa sehen, die frei sind, die joggen, die ausgehen, die arbeiten, dann ist das für sie ein Kulturschock. Nach ihrer Vorstellung sind weiße Frauen alle Huren. Wenn sie nach Europa kommen, sagt ihnen niemand, dass die Vorurteile falsch sind. Niemand sagt ihnen, was von ihnen hier erwartet wird.

Die Einwanderung führt offensichtlich zu einem Konflikt der Kulturen in Europa. Wie sehr ist dies darauf zurückzuführen, dass unsere europäischen Staats- und Regierungschefs versagt haben?

Hirsi Ali: Sie versagen auf der ganzen Linie. Jedes Mal, wenn wir über Einwanderung diskutieren, tun die europäischen Staats und Regierungschefs nichts anderes, als an unsere Tugenden zu appellieren und uns alle möglichen sentimentalen Geschichten darüber zu erzählen, warum immer mehr Menschen einwandern sollten. Oder wenn Menschen illegal einreisen, warum wir sie nicht ausweisen können. Die Integrations- und Assimilierungsprogramme, wo es sie gibt, sind schrecklich.

Ohne Ausnahme?

Hirsi Ali: Ich habe in Österreich nach einer Serie sexueller Belästigungen von Frauen durch eingewanderte Männer einige Programme gesehen, die funktionierten. Einige dieser Männer wurden tatsächlich in Programme gezwungen, weil sie keinerlei Sozialhilfe erhielten, wenn sie nicht auftauchten. Ich habe ein oder zwei Programme in Dänemark gesehen, die auch Erfolge erzielten. Ich glaube also, dass Korrekturen machbar sind, aber es gab nie den politischen Willen, die Einwanderung zu begrenzen, die Assimilation zu fördern und die Menschen, die nur wegen des Wohlstands da sind, auszuweisen. 

Sollte es für eine bestimmte Zeitspanne eine klare Grenze für die Aufnahme neuer Migranten geben?

Hirsi Ali: Auf jeden Fall. Die Zahl sollte so lange bei null liegen, bis dieses Problem gelöst ist. Sobald ein Land zuversichtlich ist, dass das Assimilationsproblem gelöst ist, dann kann es anfangen, über Einwanderung zu sprechen. Eine große Anzahl von Männern unkontrolliert in eine europäische Gesellschaft einreisen zu lassen, in der sie die Werte und die Rolle der Frauen hassen, das ist kultureller Selbstmord. Es ist politischer Selbstmord, und es wird einen Bürgerkrieg auslösen.

Präsident Macron positioniert sich jetzt als Verteidiger der französischen Werte und zeigt sich entschlossen, den islamistischen Sumpf trockenzulegen. Was braucht es dazu?

Hirsi Ali: Eine Reihe von Dingen. Er kann die außenpolitischen Instrumente einsetzen, die wir haben, um den ideologischen Einfluss zu stoppen, der aus Ländern wie der Türkei, wie Katar, anderen Golfstaaten kommt. Und den Geldfluss aus diesen Ländern unterbinden, der verwendet wird, um Indoktrinationszentren einzurichten, in denen diese jungen Menschen einer Gehirnwäsche unterzogen werden. Zweitens müssen die Programme zur Assimilierung muslimischer Minderheiten sehr ernst genommen werden. Für alle, die sich weigern, sich zu assimilieren, sollte es ein Rückführungsprogramm geben, das heißt ein Programm zur Rückführung in die Herkunftsländer, wo sie nach der Scharia leben können. Wenn Europas Führer aufgrund des Coronavirus die Macht haben, ganze Länder abzuriegeln, dann haben sie vielleicht auch die Macht, das Assimilationsprogramm und das Rückführungsprogramm umzusetzen.

Ist es nicht schon zu spät, den Kurs zu ändern?

Hirsi Ali: Die Behauptung, es sei zu spät, ist ein Vorwand, um nichts zu tun. Es ist ein Vorwand, dass wir mit dem Terrorismus leben müssen. Ich denke, das ist inakzeptabel. Es ist eine Frage des politischen Willens. 

Dieser Beitrag erschien zuerst in Die Weltwoche. Das ausführliche Interview auf Englisch: www.weltwoche.ch/International

Ayaan Hirsi Alis neues Buch “Prey. Immigration, Islam, and the Erosion of Women’s Rights” erscheint im Januar 2021 bei Harper Collins, New York

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S.Lux / 11.11.2020

Allem was Frau Hirsi Ali sagt stimme ich uneingeschränkt zu. Es ist aber nichts Neues. Auch Birgit Kelle hat die ganzen Probleme kürzlich in starke Worte gekleidet. Und viele weitere Autoren hier auch. Oder INDUBIO - alles wunderbar. Aber während sich die Tage, Wochen, Jahre füllen mit engagierten Texten, manifestieren sich die Probleme. Es fehlt das Handeln der Politik. Wie bringt man sie dazu?

Robert Loeffel, Bern / 10.11.2020

Alles wahre Worte von meiner Seite seit Jahren hochgeschätzten Person Ayaan Hirsi Ali, und die Agenda der zugereisten Neubürger verpricht nicht das Gegenteil!!!

Kim Loewe / 10.11.2020

Den islamistischen Sumpf trockenzulegen wird Gegenreaktionen hervorrufen, nämlich noch mehr Anschläge. Das will niemand, deshalb kuscht man lieber. Man hätte es halt nicht so weit kommen lassen sollen. Die Zeit drängt, je länger man wartet, desto schlimmer werden die Gegenreaktionen werden. Ungebremst breitet sich der Islam exponentiell in Europa aus, auch wenn man die Flüchtlingskrise bei der Betrachtung ausblendet. Dies zeigt die demographische Entwicklung: Verdopplung etwa alle zwanzig Jahre. Wie für das Coronavirus sollte man bald auch für den Islam einen Lockdown verhängen.

Jean Vernier / 10.11.2020

Muslime sehen sich als Opfer einer ” medialen Kampagne”  (Quelle: Cicero 10.11.2020, Interview mit Burkan Kisici vom Islamrat).

giesemann gerhard / 10.11.2020

Dann lasst uns spekulieren, @E. Sommer! Meine Theorie ist bekannt, wer was Besseres hat, welcome. Her damit.

giesemann gerhard / 10.11.2020

@Magdalena Hofmeister: Umso schlimmer, die genannten Armeen werden zunächst einmal den finanziellen Ruin hier herbei führen, im Rahmen der demographischen Eroberung, die in vollem Gange ist. Der Terror ist also nicht mal das Schlimmste, eher marginal ... . Aber das wird schon, garantiert.

g.schilling / 10.11.2020

“„Gehen Sie dorthin, wo Sie ein Leben führen können, wie es Ihnen gefällt und das Sie verstehen. Man muss ihnen zeigen, dass man es wirklich ernst meint.” Hunderte Grüninnen und Bestmenschinnen würden sich vor das Flugzeug werfen, damit ihre Goldstückchen nicht ausgeflogen (abgeschoben) werden können. Eigentlich ist das was Frau Hirsi Ali von sich gibt doch total rächts. ...“will nach den Werten Algeriens leben“, dann sage ich: „Geh zurück nach Algerien.“ Wie kann das sein? Hat sie BLM nicht verstanden? Frau KGE bitte übernehmen SIe.

Christel Beltermann / 10.11.2020

Wie üblich exzellent, wie Frau Hirsi Ali argumentiert, konsequent und unmissverständlich. Schließlich weiß sie aus eigener Erfahrung, wie autoritär der Islam ist/sein kann. Ich lese ihre Bücher und Beiträge seit Jahren. Viele moderate Muslime oder Exmuslime schreiben sich die Finger wund und warnen und warnen. Ich kann inzwischen nicht mehr glauben, dass die hiesigen und auch weiteren europäischen Machthaber so naiv sind und die Gefahren nicht wahrhaben wollen. Also muss es doch - zumindest in Teilen - Absicht sein, was hier passiert. Es ist ein schweres Verbrechen, eine bestimmte ‘Rasse’ züchten oder bevorzugen zu wollen und eine andere zu vernichten, so wie es die Nazis taten. Es ist aber genauso frevelhaft, Menschen bewusst vermischen und Kulturen gefährden zu wollen. Wie viele hier mache ich mir große Sorgen, wobei es um mich nicht mehr geht; ich habe an Jahren die 70 fast erreicht. Aber es gibt Kinder und Kindeskinder, die mit dem Scherbenhaufen zurecht kommen müssen. Ihnen kann ich nur Kraft und einen glasklaren Blick wünschen und die Fähigkeit, eindeutigste Ansagen zu machen, denen dann ggf. auch Taten folgen. Die Politelite der Welt ist derart abgehoben, arrogant und egozentrisch, dass es nur noch ekelt.

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