Silvio Berlusconi darf Italien nicht retten. Seine Forza Italia schaffte es im Rechtsbündnis nicht zur stärksten Kraft, sondern die Lega von Matteo Salvini. Wurde die alte Lega des legendären Gründers Umberto Bossi nur im Norden der Republik gewählt, wilderte Salvini auch in Mittel- und Süditalien. Ihm geht es nicht mehr um Föderalismus und um das Phantom Padanien, also um die Republik in der Po-Ebne.
Salvini will mehr. Er wettert gegen das deutsche Diktat in der EU, kritisiert die EU als Kolonialmacht, die Italien gängelt, und möchte wieder die Lira zurückhaben. Also raus aus dem Euro. Die meisten Stimmen holte sich Salvini aber mit seinen Parolen gegen die Migrationspolitik des Partito Democratico.
Italien wird überschwemmt von Wirtschaftsflüchtlingen und Kriminellen, Straftaten von illegalen Einwanderern schüren die Angst vor den dunkeln Männern. Salvini setzte sich damit durch, gegen den kurzfristig wiederauferstandenen Berlusconi, den die Italiener gestern überraschend versenkten. Salvini, wird er Italien retten? Vor Migranten, der EU und dem Euro?
Der Sieg der Fünf Sterne
Luigi di Maio, "Premier"-Kandidat der Liste des Komikers Beppe Grillo von den Cinque Stelle, führte - auch dank eines absurden Wahlgesetzes - die Sterne zum Sieg. Die Anti-System-Partei wurde von 31 Prozent der Wählerschaft zur stärksten Kraft im Parlament gewählt. Einer der Sprecher der Liste, Alessandro di Battista, ließ die anderen Parteien die Gangart wissen: Wer mit uns redet, hat sich nach unseren Gepflogenheit zu richten: Transparenz, kein Strafverfahren, Bekenntnis zur direkten Demokratie.
Stolz verweisen die Cinque Stelle auf ihre "liquide" Demokratie. Alle Mitglieder, Ehrenamtlichen und Mandatare dürfen online über Kandidaten abstimmen. Di Maio wurde im vergangenen Jahr von gerade mal 35.000 Olinern zum Spitzenkandidaten gekürt. Die Online-Abstimmung für die Parlamentsliste blieb unter Verschluß. Wahrscheinlich beteiligten sich noch weniger Anhänger an der digitalen basisdemokratischen Abstimmung. Zum Vergleich: Bei den Vorwahlen der Südtiroler Volkspartei, abgehalten nur in der autonomen Provinz Bozen, beteiligten sich 8.000 Partei-Mitglieder. Italienische Ansprüche und italienische Wirklichkeit, wie bereits zitiert, da liegt das Meer dazwischen.
Schon nach den ersten Trends wenige Stunden nach der Sonntags-Wahlen begann das große Rätselraten. Wer kann mit wem? Wird sich Salvini Silvio Berlusconi unterordnen? Wird Berlusconi den Schulterschluss mit Beppe Grillo suchen? Der ganz rechte Bündnispartner im rechten Bündnis, die Fratelli d´Italia, wollen Salvini als ihren Frontmann, er soll mit der Regierungsbildung beauftragt werden. Salvini und Di Maio verbinden Überzeugungen und einige Themen: Die EU samt Euro-Skepsis, die unkontrollierte Zuwanderung, die Korruption.
Erst Journalist, dann Politiker
Salvini und Di Maio, sind – trotz harscher Kritik an der Klasse der Berufspolitiker – auch nur Berufspolitiker. Salvini jobbte nach Abbruch des Universitätsstudiums als Journalist beim Sender der Lega, Radio Padania Libera, wurde 2004 ins Europaparlament gewählt, 2008 in die italienische Abgeordnetenkammer. Die Alten der Lega, wie der lombardische Regionalpolitiker Roberto Maroni oder der Venezianer Luca Zaia gelten als Salvini-Gegner. Sie lehnten die Umwandlung der Lega in eine staatsweite Partei um.
Auch Di Maio brach sein Studium ab, versuchte sich 2007 kurzfristig als Journalist und trat im selben Jahr den Cinque Stelle bei. 2010 kandidierte Di Maio erfolglos für den Gemeinderat von Avellino. Doch dann begann der unaufhaltsame Aufstieg, 2013 Einzug in die Abgeordnetenkammer , deren Vize-Präsident er wurde. Di Maio mauserte sich zum bedingungslosen Gefolgsmann von Beppe Grillo. Er, Grillo, steht nun vor seinem größten Triumph. Seine Protestpartei könnte vom Staatspräsidenten zur Bildung der Regierung aufgefordert werden. Kann Di Maio mit Salvini?
Es könnte noch zu einem anderen Sandkastenspiel kommen. Die Cinque Stelle wurden in ihrer Frühphase von vielen enttäuschten Linken gewählt. Bei den Wahlen am Sonntag stellte sich heraus, dass besonders im Süden Wähler des Partito Democratico die Cinque Stelle ankreuzten. Der PD sackte auf dürftige 20 Prozent ab. Die Ära von Parteichef Renzi, einst Hoffnungsträger und Verschrotter des alten Systems, scheint vorbei zu sein. Mit seinem Rückzug ist aber eine Annäherung zwischen den Cinque Stelle und dem PD möglich. Vor fünf Jahren gab es schon Mal den Versuch, Renzi war damals aber der Stolperstein.
Letzter Ausweg, Neuwahlen im nächsten Jahr. Bis dahin bleibt Paolo Gentiloni vom PD geschäftsführend Ministerpräsident. Auch eine mögliche Variante.