Ein kleiner Redeausschnitt, den Luisa Neubauer auf Twitter verbreitet, lässt anschaulich werden, wie sehr die grüne Sekte mittlerweile den Kontakt zu Realität und Logik verloren hat. Schon die Gestik erinnert an eine Messe, und das Gesagte trägt Züge einer Teufelsaustreibung.
Die Welt des Inquisitors Bernardo Gui aus Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose“ war klein und vor allem kausal überschaubar. Es gab Gut und Böse und die Rollen waren eindeutig verteilt. Das Gute vertrat seine Kirche und die heilige Inquisition, während für alles Schlechte der Teufel zuständig war. Binär könnte man das Weltbild nennen, und jede Religionsgemeinschaft kennt in ihrer absolutistischen Phase diese etwas simple Betrachtung.
Für Gui war überall das Böse am Werk, alles Schlechte, Unerwartete oder nur Unverständliche war sein Werk. Dabei war Gui in seiner Zeit ein Gelehrter, ein Mann der Wissenschaft. Eco hat ihn sicher überzeichnet, und auch die Filmfigur – genial verkörpert durch F. Murray Abraham – wird der realen Figur sicher nicht gerecht. Doch brauchte es noch einige Jahrhunderte, bis die katholische Kirche in Europa die Deutungshoheit über Gut und Böse verlor, und damit verschwand auch ihr simplizistischer Herrschaftsanspruch.
Religionen kommen, und manche – wenn sie ihre Spiritualität bewahren und ihre Dogmen sich zivilisieren – bleiben. Die es nicht schaffen, kommen über die Phase einer Sekte nicht hinaus und werden gegenüber ihrer Umwelt unduldsam und feindselig. Besonders jene, deren Heilsversprechen ihre Anhänger nicht positiv durchs Leben leiten können.
Es ist viel darüber geschrieben worden, dass auch die Klimaretterei mittlerweile den Status einer Religion – oder doch mindestens einer Sekte erreicht hat. Alle nötigen Merkmale sind vorhanden. Es gibt Heilige und Sünder, es gibt Ablass der Sünden – und zogen die Flagellanten zur Zeit Guis durch Europa, so klebt sich die opferbereite, gläubige Jugend heute an Straßen und Brücken fest. Nun gut, die Flagellanti früherer Zeiten musste deren Kirche nicht materiell alimentieren wie die heutigen Aktivisten der „letzten Generation“, aber wir wollen großzügig sein und den „guten Willen“ anerkennen. Wie jede Religion mit Heilsversprechen haben auch die Klimaretter einen Antipoden, einen Satan, auf den sie alles Böse projizieren, der hinter allem steckt, den es zu bekämpfen gilt: CO2 und die fossilen Energien. Lasset ab von eurem Frevel und tuet Buße, ihr Sünder!
Ich kenne weder Ort noch Anlass der Rede von Luisa Neubauer, deren Ausschnitt sie selbst für so wichtig und womöglich brillant hält, ihn auf Twitter veröffentlichen zu müssen. Ein Häppchen von knapp einer Minute nur, aber für ihre Brüder und Schwestern im Geiste ein Feuerwerk der Logik und Stringenz – zumindest, wenn man deren Kommentare für wahrhaftig nimmt. Halleluja! Aber das Gehörte erinnerte mich doch stark an die mit Aberglauben durchsetzten Klosterszenen in der Romanverfilmung aus dem Jahr 1986. „Es hängt alles zusammen“, orakelt die Inquisitorin Luisa. Der Teufel CO2 und seine fossilen Helfershelfer stecken in jedem Detail, und es fällt ihr nicht schwer, den Angriffskrieg Putins über ein, zwei wirre Zwischenschritte ursächlich jenem diabolischen Molekül zuzuschieben, welches der Satan ihrer Kirche ist. Wie ein Filter liegt dieses Dogma über jeder Weltbetrachtung.
Die Predigt
Ton und Monotonie leiht sich Luisa Neubauer von Greta, der ersten Apostelin ihre Kirche. Die Gestik ist einstudiert und eher Bestandteil einer Messe als natürliche Unterstützung der Rede. Die Inquisitorin spricht vom Bösen, denn „mehr als 100.000 Arbeitsplätze gingen allein in der deutschen Solarindustrie verloren“. Das verheißene Paradies musste warten, denn „die Energiewende verlangsamte sich. Deutschland importierte mehr fossile Energie aus Russland als jedes andere Land. Und nun sehe wir, wie Putin die Ukraine überfällt. Ermöglicht von einer Kriegsmaschine, die von fossiler Energie gespeist wird, bezahlt von Ländern wie Deutschland. Fossile Energien töten nicht nur und zerstören Lebensgrundlagen und das Klima, die ermöglichen Autokraten weltweit, Kriege zu beginnen, Demokratien und Energiesysteme zu bedrohen und zwingen Orte wie Deutschland weltweit in die Knie. Die Wahrheit ist: im 21. Jahrhundert müssen wir fossile Energien als Bedrohung für Demokratie und Frieden verstehen.“
Schuld an Putins Krieg haben also die fossilen Energien, die erst Solar-Arbeitsplätze in Deutschland vernichteten, um dann massenhaft ins Land zu strömen, wo sie dann die Lebensgrundlage der Menschen und das Klima zerstörten und Autokraten zu Kriegen anstachelten. Was wie eine Kausalkette aufgebaut ist, ist jedoch keine und auch alles Herumgefuchtel von Luisa Neubauer stellt keine her. Zunächst müsste man im Stil des großen deutschen Ökonomen Habeck anmerken, dass die 100.000 Arbeitsplätze nicht weg sind. Die sind nur woanders. Und zwar größtenteils in China. Die deutsche Solarindustrie, gepäppelt mit gigantischen Subventionen, hat in der Vergangenheit einige spektakuläre Pleiten und Skandale hingelegt.
Der letzte große Hersteller, QCells, hat seinen Hauptsitz nach Insolvenz, Verkauf und Umstrukturierung nach Südkorea verlagert. Solarzellen ließen und lassen sich in Asien viel billiger herstellen als in Deutschland, und deutsche Steuermilliarden sorgten zumindest in China lange Zeit für blühende Solarlandschaften. Der Preisvorteil chinesischer Zellen sorgte im Subventionswunderland Deutschland sogar für mehr Solarenergie von den Dächern, nicht für weniger, wie die Inquisitorin orakelt. Nur wurden die beim Abendmahl gereichten Oblaten in China statt in Deutschland gebacken. Außerdem waren billiges russisches Gas und Solarzellen auf den Dächern doch beste Freude! Jede neue Megawattstunde Solar- oder Windenergie musste schließlich wegen deren Volatilität durch schnell zu- und abschaltbare Gaskraftwerke abgepuffert werden. Die Solarenergie war also nicht der Retter vor der „fossilen Hölle“ Putins, sondern einer ihrer Messdiener! Aber sowas werden wir natürlich nie in den Gottesdiensten der Greta-Kirche hören.
Die deutsche Energiewende hatte und hat keinen größeren Fan als Wladimir Putin, der übrigens selbst nie daran gedacht hat, sein Land auf Sonnen- und Winddiät zu setzen. Ehe das passiert, verzichtet Luisa Neubauer aufs Fliegen! Im Spiel der bösen fossilen Mächte wäre Putin also ohnehin gesetzt. Ebenso China, wo man auch weiter die fossilen Energien ausbaut und niemals auch nur ein Klebekind gesichtet wurde. Der Westen hingegen hätte nach den Visionen der Inquisitorin längst auf erneuerbare Landesverteidigung mit Solarpatronen und Windbeuteln umstellen müssen, um den Frieden zu sichern. Doch so unangenehm und bedauerlich es auch sei, jeder Krieg ist gewissermaßen der Lackmustest für die Zuverlässigkeit von Technologien, und es sieht ganz so aus, als seien Sonne und Wind nicht dafür geeignet und keine Armee der Welt denkt auch nur daran, es darauf ankommen zu lassen. Befehle der Art „Rücken Sie vor, wenn der Wind weht!“ werden wohl niemals in Funkgeräte gebrüllt. Schon gar nicht, wenn die andere Seite noch über ein paar Liter Diesel und Benzin verfügt.
Doch wenn es auch energetisch nicht für die echte Kriegsführung reicht, wird das Festhalten der Klimakirche am Heilsversprechen von Sonne und Wind den Krieg gegen die restliche heimische Wirtschaft wohl gewinnen. Auch dort wird gelten, was schon für die Solarindustrie galt: Die Jobs und die CO2-Emmissionen sind nicht wirklich weg, sondern nur woanders.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog Unbesorgt.