Der Messer-Terrorist von Solingen ist offenbar ein junger syrischer Asylbewerber, der Islamische Staat hat die Tat für sich reklamiert. Die Politik krallt sich an abgenutzten Textbausteine und hofft auf Vergessen vor den Wahlen.
Der heutige Sonntagmorgen beginnt mit gesicherten Informationen über den Mann, der in Solingen drei Menschen mit seinem Messer-Anschlag tötete und einige schwer verletzte. Gestern Morgen ließen es die in einigen Medien verbreiteten Augenzeugenberichte, nach denen der Täter ein „arabisches Aussehen“ hatte, schon ahnen, dass auch dieser terroristische Messerangriff wieder der importierten Gewalt zuzurechnen ist. Das ist ein heikles Politikum, denn die gibt es in diesem Ausmaß nur wegen der Migrationspolitik der letzten Bundesregierungen. Jetzt erfahren die Medien-Konsumenten, dass der 26-jährige syrische Asylantragsteller Issa al H. in Solingen zugestochen hat. Zuvor hatte bekanntlich der Islamische Staat schon die Mordtat für sich reklamiert.
Viel zu relativieren gibt es nun nicht mehr. Die Gäste des Stadtfestes, das die Stadtoberen zur Stärkung der guten Gesinnung „Fest der Vielfalt“ nannten, wurden von einem Mann mit Tötungsabsicht angegriffen, der im Namen dieser „Vielfalt“ Aufnahme in Deutschland fand, selbstverständlich bei freier Kost und Logis einschließlich medizinischer Versorgung und Taschengeld.
Der mutmaßliche Mörder sei – so berichtet es der einer kritischen Haltung zur unkontrollierten Zuwanderung unverdächtige Spiegel – Ende Dezember 2022 nach Deutschland gekommen und hätte in Bielefeld einen Asylantrag gestellt. Als politisch Verfolgter im Sinne des Grundrechts auf Asyl konnten ihn die Behörden nicht anerkennen, wie ja die allermeisten Asylantragsteller. Aber er erhielt den sogenannten subsidiären Schutz, weil ja niemand, der als „Schutzsuchender“ kommt, in ein Land zurückgeschickt werden soll, in dem Bürgerkrieg herrscht.
Dass – wie viele Messerattacken zuvor – auch diese Bluttat nun in einem Zusammenhang mit der Politik der Hinnahme und finanzieller Unterstützung unkontrollierter Massenzuwanderung mehrheitlich junger Männer steht, die aus Regionen mit einer ausgeprägten Gewaltkultur kommen, lässt sich kaum noch leugnen. Doch die seit Jahren hochmoralisch unterfütterte Idee, jeden, der dieses Land erreicht, aufzunehmen, zu versorgen und ihn dann die Wertvorstellungen seiner Heimat ausleben zu lassen, möchten ihre Verfechter nicht aufgeben. Wie beim Sozialismus und anderen ideologischen Irrwegen darf trotz des erwiesenen Scheiterns ja höchstens die Umsetzung, aber nicht die große und schöne Idee selbst falsch gewesen sein.
Hochmoralische Allgemeinplätze
Und so bekommt das deutsche Publikum nun wieder eine Aufführung serviert, die es schon kennt. Es ist nach jeder Gewalttat eines zugewanderten muslimischen Gewalttäters das Gleiche. Politische Verantwortungsträger reagieren mit demonstrativer Betroffenheit, den Aufrufen, dass „wir“ jetzt zusammen stehen müssen, keinen Generalverdacht gegen Migranten und Muslime aufkommen lassen dürfen und aufpassen müssen, dass nicht böse Kräfte diese Tat für ihre politischen Ziele missbrauchen.
Wer will solchen moralisch hochwertigen Allgemeinplätzen schon widersprechen? Die sind ohnehin durch ihren inflationären Gebrauch inzwischen so abgenutzt, dass sie schon jeder mitsprechen kann. Manche Kollegen müssen in ihrer Routine mittlerweile wahrscheinlich aufpassen, dass sie entsprechende Äußerungen namhafter Politiker nicht schon vermelden, bevor sie diese selbst verbreitet haben.
In diesen Zeiten nun, da ja nicht ganz unwichtige Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg anstehen, möchten Regierungspolitiker natürlich auch gern als aktiv Handelnde in Erscheinung treten. Und das bedeutet in der Praxis, mit vollmundigen Ankündigungen Platz in den Medien zu besetzen.
Dumm nur, wenn solche Anschläge so dicht aufeinander folgen, dass das Publikum die Textbausteinwelle vom letzten Mal noch nicht verdaut hat. Die Forderung, Gewalttäter künftig auch nach Syrien und Afghanistan zu schicken, ist noch als Reaktion auf den Mordanschlag auf Michael Stürzenberger und die Ermordung des Polizisten Rouven Laur in der Mannheimer Innenstadt in recht frischer Erinnerung.
Die Regierenden wärmen nun wieder tagelang all das auf, was wir schon kennen – in all ihrer Folgenlosigkeit. Ein schärferes Waffenrecht wird wieder gefordert oder Messerverbote oder mehr Messerverbotszonen. Es ist eigentlich eine ziemlich irre Annahme, dass ein Messerverbot einen Messerangreifer abschrecken könnte. Wer Menschen töten will, obwohl er weiß, dass das verboten ist, wird sich kaum von einem Messerverbot davon abschrecken lassen, sein Messer dazu zu verwenden. Dass man mit einem Verbot mehr Möglichkeiten der Kontrolle hätte, ist natürlich ein nachvollziehbares Argument, aber was ist es wert, wenn der Polizei in Bund und Ländern offenbar schon das Personal fehlt, die bestehenden Kontrollmöglichkeiten auszuschöpfen?
Wann kommt ein kleines politisches Beben?
Nein, ich will mich jetzt nicht inhaltlich weiter an all den dauerwiederholten Textbausteinen abarbeiten, das ist ebenso langweilig wie die Textbausteine selbst, und es verstellt den Blick. Es verstellt den Blick auf die Opfer. Und darauf, was tatsächlich getan werden kann, um weitere solcher Opfer zu vermeiden. Es sollte ja nicht die Lösung sein, dass – wie es ja zum Teil gerade geschieht – große Stadtfeste einfach abgesagt werden. Sollen sich alle Interessierten darauf einstellen, dass es künftig im öffentlichen Raum nur noch Feiern mit strengen Zugangskontrollen gibt?
Eines wird in den nächsten Tagen ganz sicher leider nicht geschehen. Kein politischer Verantwortungsträger wird den Solinger Anschlag zum Anlass nehmen, zu einem dringenden konsequenten Umsteuern in der Migrationspolitik, beispielsweise nach dem Vorbild der dänischen Sozialdemokraten, aufzurufen. Viele von ihnen wissen natürlich, dass dies längst geboten wäre und zwar parteiübergreifend. Doch kaum einer wagt es, das angemessen laut zu auszusprechen, denn das hieße ja auch, man würde in dieser Kernfrage ein Stück weit der AfD recht geben und damit vielleicht die Brandmauer unterhöhlen.
Offenbar hat sich in den einst und jetzt regierenden Parteien immer noch nicht die Einsicht durchgesetzt, dass es das Weiterwursteln in solch heiklen Fragen ist, das die AfD immer stärker und stärker werden lässt. Das konnten doch alle in den letzten zehn Jahren gut beobachten. Und entsprechende Ergebnisse sind auch am nächsten Sonntag in Sachsen und Thüringen zu erwarten.
Sicher, ein demonstrativer Kurswechsel, selbst wenn es jemanden gäbe, der das Format hätte, diesen sofort anzugehen, würde sich nicht binnen Tagen auf die Wahlergebnisse in Sachsen und Thüringen auswirken. Bei klaren Ankündigungen abseits der erwartbaren Textbausteine würde das Publikum sicher aufmerken, aber zunächst nicht glauben, dass denen auch wirklich Taten folgen. In jedem Fall aber würde es dem Land nützen, wenn ein Umsteuern nicht länger auf sich warten ließe. Aber – zugegeben – meine Hoffnung, dass die politischen Verantwortungsträger das bald einsehen, vielleicht wenn sie sich erschrocken über die nächsten Wahlergebnisse zeigen, ist begrenzt. Obwohl: Es müsste doch ein kleines politisches Beben auslösen, wenn die Kanzlerpartei SPD bei Landtagswahlen an der Fünfprozenthürde scheitert. Ein solches Ergebnis wäre historisch und doch eigentlich nicht mehr zu ignorieren, oder? Bekanntlich stirbt ja die Hoffnung zuletzt.
Peter Grimm ist Journalist, Autor von Texten, TV-Dokumentationen und Dokumentarfilmen und Redakteur bei Achgut.com.