Rainer Bonhorst / 23.09.2020 / 12:00 / Foto: il-mondo-di-don-camillo / 23 / Seite ausdrucken

In Italien siegt sogar das Volk 

Italien, du hast es besser. Der erste Herbstregen hat die Mitte des Landes erreicht, aber politisch gibt es eitel Sonnenschein: Sieger, wohin das Auge schweift. Die rechte Lega hat klar gewonnen, die Sozialdemokraten haben ein bisschen gewonnen, die Mitte-Links-Regierung hat – na ja – gewonnen, und das Volk hat erst recht gewonnen. Jeder auf seine Weise.

Matteo Salvini hat mit seiner Lega den sichersten Anspruch, ein Sieger zu sein. Schließlich fanden in sieben von 20 Regionen Wahlen statt und die Lega führt nun 15 davon. Und der Partito Democratico, die vergleichsweise jugendliche, erst 17 Jahre alte neue Sozialdemokratie? Sie hat – anders als ihre still dahin sinkende Schwesterpartei in Deutschland – immerhin symbolisch Wertvolles geschafft. Das wertvolle Symbol heißt Toskana. Hier, wo einst die Etrusker den Römern ein Stück Zivilisation beibrachten, schlägt das Herz so links wie kaum sonst wo in Italien. Und hier – nicht nur, aber vor allem – haben sich die Sozialdemokraten nach wochenlangem Bangen solide halten können. Was wiederum ihrer Koalition mit den Fünf Sternen und dem Regierungschef Giuseppe Conti ein paar ruhige Wochen verschafft: Noch lebt sie, diese wackelige Regierung, auch wenn Salvini auf vorgezogene Wahlen des Parlaments in Rom dringt, die nicht vor 2023 stattfinden müssen. So lange will er nicht warten.

Noch ungeduldiger als der Lega-Chef ist das Volk. Das hatte jetzt nicht nur Gelegenheit, seine Regional-Vertreter zu bestimmen. Es konnte der politischen Klasse eine bittere Dauerdiät verpassen und tat dies auch. Die Italiener stimmten in einem Referendum dafür, die Zahl der Abgeordneten und Senatoren radikal gesundzuschrumpfen. Mit seinen bisher 945 Bewohnern ist Italiens Doppelparlament so prächtig ausgestattet wie kaum ein anderes. Die Volksvertreter sind nicht nur zahlreich, sie zählen auch zu den politischen Spitzenverdienern Europas und – das kommt erschwerend hinzu – zu den unbeliebtesten. Zu viele, zu reich und zu faul – das ist, wie sich jetzt bestätigt hat, Volkes Stimmung. Das Ergebnis der Volksabstimmung: Statt über 900 sollen in Zukunft nur noch 600 Italiener in den Genuss kommen, ihr Volk genüsslich zu vertreten. Also 400 statt 630 Abgeordnete und nur noch 200 statt 315 Senatoren. Ob's auch gelingen wird?

Von den Italienern lernen, heißt reformieren lernen

Wie mühsam die Verschlankung eines Parlaments ist, erleben wir ja zur Zeit in Deutschland. Statt der vorgesehenen knapp 600 haben inzwischen über 700 Damen und Herren im Reichstag Platz genommen. Und wenn nichts geschieht, könnten es nächstes Jahr über 800 werden. Damit sind wir den Italienern, denen die Parlamentssitze unter’m Hintern weggezogen werden sollen, an Masse um peinliche Längen voraus. Ja, so ist es: Von den Italienern lernen, heißt reformieren lernen.

Noch mehr könnte man allerdings von den Briten, diesen bösen Brexit-Insulanern, lernen. Die haben zwar feste 650 Abgeordnete im Unterhaus, aber sie sorgen dafür, dass die 650 kein Sitzfleisch ansetzen. Denn auf den Londoner Parlamentsbänken ist nur für 427 Leute Platz. Die restlichen mehr als zweihundert müssen stehen, weshalb sie sich gerne auf die umliegenden Pubs verteilen. 

Dass Deutschland sich für eine solche Kur des radikal schrumpfenden Platzangebots erwärmen kann, ist kaum vorstellbar. Im Gegenteil: Wenn das mit der Reform bis zur nächsten Wahl nichts wird, müssten einige deutsche Volksvertreter womöglich in Container umgesiedelt werden. Dass wiederum italienische Volksvertreter sich aus ihrem Palazzo Montecitorio und ihrem Palazzo Madama in Container abschieben ließen, ist undenkbar. Und das englische Stehplatz-Modell wäre mit der wunderbaren italienischen Lebensart erst recht unvereinbar.

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Ulla Schneider / 23.09.2020

Hallo Herr Bornhorst, ich möchte kurz anmerken, dass sich in der wunderschönen Toscana seit 65/70 die deutschen Genossen breit gemacht haben, in Olivenöl,  Honig und noch anderem Gedöns. Und da der Deutsche gerne den Oberlehrer spielt, gibt es dort offensichtlich jetzt eine infiltrierte SPD.  Erinnern Sie sich noch an Schröder und Fischer im Rückzugsort Toscana?  Wäre ich seinerzeit durch eine Überlandfahrt nicht so müde gewesen ( wir sind dran vorbei gefahren) ich hätte denen etwas ” Nettes” erzählt. Mein schönes Toscana, jetzt auch…..

R.Stefan / 23.09.2020

Na hömma @claudius pappe- der Hitzlsperger war mir normalerweise wegen seines Outings total schnuppe- weil eben symphatisch. Das er nun vom Bundeschwafelmeier einen Orden bekommt, zieht doch heutzutage einen eben eher mal runter.Also ich würde mich ja nicht so gern in einer Reihe mit Dunja Halligalli und dem Uhu auf der ersten Seite der “Bild” sehen wollen. Meine Mutter hätte mich sicher enterbt, die hätte den Thomas für einen netten Schwiegersohn gehalten und die Dunja für eine kroatischen Nachtklubtänzerin.

Claudius Pappe / 23.09.2020

Bei Bundestag denke ich immer : Repräsentative Negativauslese der Deutschen ......oder wie kann man/frau ( für Genderfans) nur sowas wählen

Claudius Pappe / 23.09.2020

Nach der Kommunalwahl in NRW hat der Stadtrat( ca. 50 000 Einwohner) statt 37 nun 44 Mitglieder. Prozentuale Erhöhung ( Rechenweg für Claudia Roth)  (44/37) * 100 = 18,91 %

Heinrich Wolter / 23.09.2020

Der Bundestag sollte demokratischer werden: 1/3 Männer, 1/3 Frauen, 1/3 Diverse. Da das bei den Direktmandaten nicht so recht hinzubekommen ist, sollten die generell gestrichen werden. Sie stören auch nur bei der Umstellung auf reine Kaderparteien.

Frank Mora / 23.09.2020

Nach meiner Erinnerung hat nur die Sozialdemokratie, oder wie die Partei in Italien gerade heißt, die Regionalwahlen in der Toscana gewonnen und Sig. Salvini eine Schlappe eingesteckt. Hat der ÖR-Funk so berichtet. Von der Parlamentsverkleinerung auch. Von den anderen 19 Regionalwahlen nicht. Dass davon die Lega 15 gewonnen hat, erfahre ich jetzt von Herrn Bonhorst. Aber so ein Italienspezialist bin ich nicht. Auch wenn ich gerne in seiner Heimat Apulien Primitivo genieße. Den kriege ich aber auch im Discounter meines Vertrauens.

Gabriele Klein / 23.09.2020

Keine Sorge, das mit der Wahlreform wird schon was, die Frage ist nur was…........ Ich vermute am Ende eine Annäherung an das DDR Wahlsystem oder sonstiger Diktaturen. Ehe allerdings z.B. ein H. Spahn zum Kanzlernachfolger durch die Stimme der Kanzlerin gewählt wird und sich danach , bzw. davor, dann der “Block” der ihn “gekürt” hat wie von selbst wählt, hoffe ich noch auf eine Antwort auf die Frage, woher das Geld für H. Spahn’s Villa kam die,wie ich las, 4 Mio gekostet haben soll. So ein Wohlstandsausbruch ist einfach ungewöhnlich für jemanden in diesem Alter mit dieser Karriere. Nach meiner Erfahrung gehen meine Landsleute, die dieses Polster von Hause aus haben, nämlich erst gar nicht in die Politik. Wir sind hier in Deutschland und NICHT den USA bei D. Trump. Der Grund für meine Neugierde ist auch der,  der Erpressbarkeit im Falle von Korruption durch jene, die darum wissen könnten. Sowohl mit Korruption als auch Erpressbarkeit, der man sich, wie ich las in AGITPROP Kreisen gerne einst bediente,  scheint man im Osten kaum Probleme gehabt zu haben. An jene, die nichts dabei finden “wenn man was nimmt” folgender Hinweis eines Anwalts (Name vergessen) : Man kann die Zuschlagsprämie für den im Auftrag einer WEG (in unserem Falle, Steuerzahler )vergebenen Auftrags schon nehmen, kein Problem, nur muss man sie dann an die WEG d.h. den Steuerzahler weiterleiten. Für jene die es immer noch nicht begreifen: Der Grund ist der dass je höher die Zuschlagsprämie ausfällt, je weniger wettbewerbsfähig u. attraktiv für den zahlenden Nutznießer das Geschäft sein dürfte. Daher sei meine Frage: Flossen Zuschlagsprämien bei den Geschäften rund um die 69 Mio schwere COVID App und falls ja, wohin? Auf diese Frage hat der Steuerzahler ein Recht ebenso wie auf jene, woher die plötzlich daher geschneite Millionen eines Politikers stammen. Wenn ein Politiker mit dieser Frage die sein Beruf einfach mit sich bringt ein Problem hat, scheint er mir fehl am Platze.

Claudius Pappe / 23.09.2020

Claudia Roth : 47 > 355, Adam Riese : 47 < 355…....wobei 355 die Mehrheit im Bundestag ist . 709 Bundestagsabgeordnete : Für Claudia :  708/2 =354 .....354+1 = 355 Mehrheit im Bundestag = Gesetz ist angenommen ( bei einfacher Mehrheit)

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