Moralisch werter Herr Sarrazin stimme ich Ihnen zu - Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine ist zu verurteilen. Was nutzt uns hier aber nur ein rein gesinnungsethisch motiviertes Urteil? Es hilft uns den Standpunkt zu finden aber ohne Berücksichtigung weiterer Aspekte hilft es nicht viel. Gehen wir doch lieber über zur Realpolitik (es gibt dazu m. E. einen sehr lesenswerten Artikel von Wolfgang Streeck im Cicero) und wenden uns der Verantwortungsethik zu, die sich mit den Folgen von (moralisch motivierten) Entscheidungen beschäftigt. Kernfrage: Kann die Ukraine den Krieg gegen Russland mit westlicher Unterstützung gewinnen, so dass sie wieder in ihren alten Grenzen existiert? Als Realist wird man diese Frage wohl verneinen müssen. 40 Millionen Ukrainer auf der einen Seite, 160 Millionen Russen auf der anderen Seite. Eine gerüstete Atom Macht auf der einen Seite und auf der anderen Seite ein Land ohne nennenswerte Ressourcen. D.h. Putin kann wie er es gerade vorexerziert die ukrainische Infrastruktur Stück für Stück zerstören und bei nennenswerten Widerstand gibt es eine taktische Atombombe oben drauf. Das Ende dieser Geschichte, ein durch Putins Russland erzwungener Waffenstillstand auf Basis von noch mehr Toten und Zerstörung als jetzt schon, sowie ein total gestörtes globales Gleichgewicht. Sind das Deutschlands Interessen? Kann es im Interesse der Ukraine sein? Wohl eher nicht. Ein paar taktische schnelle Siege der Ukraine und Rückeroberungen helfen die Verhandlungsposition zu stärken und Putin zu vergegenwärtigen, dass er einen hohen Preis für seine verirrten Ambitionen zahlen muss. Aber die Ukraine wird so ungerecht es ist, gesichtswahrende Zugeständnisse machen müssen, wenn der Krieg nicht mit totaler Zerstörung enden soll. Das deckt sich auch mit den deutschen Interessen. Leider kann ich da keine günstigeren Auswege sehen und eine Überbetonung gesinnungsethisch motiv. Handlungsweisen wird das Problem nur vergrößern, oder sehen Sie das anders?
Für den von der ukrainischen Armee im Jahr 2014 begonnen blutigen Terror im Donbas gibt es für den Herrn Sarrazin offensichtlich kein Einerseits und kein Andererseits. Ca. 14.000 tote Zivilisten zwischen Donezk und Lugansk sind ihm keine Silbe wert. Auch nicht die Untätigkeit der Politdarsteller im Wertewesten, welche keinen Finger krumm gemacht haben, um die Schweinerei gegen die Zivilbevölkerung im Donbas zu beenden. Aber dafür jede Menge antirussische Hetzerei.
Da bin ich anderer Ansicht: In dem Konflikt zwischen der Ukraine (- gesponsert von USA) und Russland hätte Deutschland neutral bleiben sollen. Was schon die Beteiligung am Wirtschaftskrieg für unsere Wirtschaft bedeutet, zeigt sich deutlich: Absturz. Und es ist absehbar, dass die Ukraine zu wenig Soldaten hat, um die Wiedereroberung der besetzten Gebiete samt Krim erreichen zu können. Da andererseits die Regierung in Kiew gerade gestern wieder ankündigte, Verhandlungen mit Russland gäbe es erst dann, wenn Russland alle Truppen abgezogen habe (- einschliesslich Krim), wird der Krieg unendlich lange dauern. Die westliche Seite kann nur dann die russischen Truppen vertreiben, wenn sie selbst in erheblichem Umfang Bodentruppen einsetzt: Es müssten mehr als 200.000 sein. Sollten diese die Krim besetzen wollen und es schaffen, russische Truppen über die Krim-Grenze zurück zu drängen, dürfte Russland nukleare Gefechtsfeldwaffen einsetzen. Daraufhin werden die USA im Namen der NATO das Gleiche tun. Wenn die US-Regierung und die russische Regierung sich einig sind, wird der Nuklear-Krieg auf dem Gebiete der Ukraine und ggfs. derjenigen europäischen Staaten ausgetragen werden, wo die US-/NATO-Zentralen liegen, das ist insbesondere Deutschland, aber auch Polen. Es ist zu erwarten, dass Russland keine Interkontinentalraketen gegen US-Städte einsetzen wird und die USA keine gegen russische Großstädte. Das Risiko gegenseitiger Vernichtung wäre zu gross.
@Franz Klar - Welche Argumente haben denn die Putin-Verteidiger? Nennen Sie nur ein einziges Argument das FUER Putin spricht! Es gibt KEINES! Oder halten Sie die ständigen Hinweise auf die Misstände in der Ukraine oder der USA etwa fuer Argumente ? Dann sind Sie entweder mehr als Naiv,Blind oder Beides!
Der US Aussenminister Anthony J. Blinken hat 1987 ein Buch verfasst mit dem Titel: “Ally Against Ally” über: Die Russischen Gaspipelines als Möglichkeit der ökonomischen Kriegführung gegen Russland. Fazit: Die ökonomischen Interessen Europas spielen hier keine Rolle, denn die Pipelines sind eine exzellente Möglichkeit, Russland zu schwächen. Die Russen sollen Liz Truss abgehört haben. Die sagte demnach zu Anthony J. Blinken eine Minute nach der Sprengung: Es ist vollbracht (It’s Done).
@W. Renner - 100%ige Zustimmung! Unfassbar dies Putintreue!!
Russland stürmt nach Westen – da wollen sie hin, vor allem die jungen Russ*Innen, weg aus Taiga und Tundra. Die alten reaktionären Säcke im Kreml machen dann das Licht aus und lassen sich einsalzen. Wie Lenin, in Balsam. Lieber die kommen als der Moslem, aber hallo. Wir brauchen Russland, um uns der islamischen Zumutung zu erwehren. DAS ist unser gemeinsames Interesse. Zusätzlich zu gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen. Egal wie der Waffengang ausgehen wird, die Russen haben es für lange Zeit mit ihren slawischen Brüdern verschissen, wegen allzu schlechten Benehmens. Ob sie es sich mit dem Westen auch noch verderben wollen? Sie sind auf dem besten Wege.
Herr Sarrazin, so sehr ich Sie schätze, so scheint es mir als können Sie gar nicht bemerken, wie Sie selbst eine Einerseits-Andererseits Position einnehmen. Die Kriegsverbrechen der Russen (und der Ukrainer) in diesem Krieg sind unerträglich und lassen jeden halbwegs vernünftig denkenden und fühlenden Menschen erschaudern. So scheint es bei Ihnen auch der Fall zu sein. Das ist das Einerseits. Andererseits haben die vereinigten Staaten von Amerika hunderte von Eingriffen in die Politik souveräner Staaten in den vergangenen Jahrzehnten zu verantworten. Es sei nur an den letzten Irak-Krieg erinnert, bei dem sich Collin Powell erdreistete die Welt und den UN-Sicherheitsrat mit Fake-News über Massenvernichtungswaffen zu belügen. Man müsste diese Liste westlicher Kriege eigentlich eher in Vietnam beginnen… Aktuell gibt es zahlreiche Berichte, dass der vormalige britische Premier aktiv im April 2022 Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine, vermutlich im Auftrag der USA, unterbunden haben soll. Kein Wort von Ihnen zu diesen Vorgängen. Dies rechtfertigt nicht die russiche Aggression, aber es zeigt die einerseits-andererseits Haltung der Achse und von Ihnen. Die Welt ist etwas komplexer, als nur auf eine Partei zu zeigen und zu sagen, diese ist böse. Das hätten wir eigentlich aus der Geschichte lernen können.
@Didi Hieronymus Hellbeck - Sie meinen natuerlich die Pro-Putin-Foristen. Deren Ignoranz - milde ausgedrueckt - so fern jedem kritischen und unabhängigen Denken wie möglich, ist wirklich nicht zu ueberbieten!
Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.