Was sucht Wolfgang Büscher in der algerischen Sahara? Charles de Foucauld (1858–1916) heißt seine Inspiration. Foucauld war Lebemann, Soldat, Taugenichts, dann Priester in der Wüste und damit zur Legende geworden.
Auch wenn’s den Bach runter geht, das Reisen lassen sich die Deutschen nicht vermiesen. Kann man nicht auf Malle, Koh Samui oder Texas, dann geht’s zur Multimediashow einer Person, die im Liegerad die Welt umrundete – oder zur Literatur. Hier steht solitär wie ein japanischer Berg Wolfgang Büscher (Jahrgang 1951) in der Landschaft. Wo er war, waren schon einige. Aber wie er hingekommen ist, ist ein Ereignis. Dito seine Schreibe.
Auch wenn’s schon so durchgeritten wie eine alte Schabracke ist: Der Weg ist immer noch das Ziel. Bei Büscher schon immer, auch wenn’s natürlich nicht ohne Ziel geht. Bekanntlich macht erst der Rahmen das Bild. In diesem Fall für seine wunderlichen, selbsterlebten Geschichten. Büscher umrundete zu Fuß Deutschland, wanderte von Berlin nach Moskau und einmal gar von Kanada bis Mexiko. Und das als Autor immer ohne Verschwendung der Ressource Papier. Büscher schreibt knapp und treffend. Was treibt ihn an?
Über seine Motivation schreibt er tatsächlich auch in seinem neuesten Buch „Der Weg – Eine Reise durch die Sahara“. Es ist diffus. „Nach Gründen gefragt, konnte ich nur solche nennen, an die ich nicht glaubte.“ In diesem Fall war es ein „unscharfes Foto im Internet“ und „der Klang dieser Namen, schön und fremd.“ Ahaggar, Ajjer, Atakor, Assekrem. Alles in Südalgerien. Und über allem: Charles de Foucauld, der weiße Marabout, Eremit, Priester.
In und durch eine der „Großküchen des Planeten“ ging es aus verständlichen Gründen nicht zu Fuß und auch nicht allein, die Reise war quasi betreut. Büschers Leute (Fahrer, Koch, Scout) mussten täglich ihren Standort der Polizei melden. Er vertraut ihrer „Wüstenintelligenz“, denn der Süden Algeriens ist ein großes, wildes, seltsames Land. Hier gibt es noch Tuaregs, die entweder in zu Städten ausgewucherten Oasen leben oder noch nomadisch, dazu die Araber aus dem Norden sowie jene aus dem Süden, die früher oder später wohl in Deutschland leben werden. Auch Menschenschmuggler und Goldgräber sind unterwegs. Eine Zufallsbekanntschaft macht er mit einer Frau, die jedes Jahr eine Wüstentour macht „um sich von ihrem Leben in Deutschland zu erholen.“
Büschers Worte für die Wüste sind ein Vergnügen
Was sucht Büscher? Charles de Foucauld (1858–1916) heißt seine Inspiration. Foucauld war Lebemann, Soldat, Taugenichts, dann Priester in der Wüste und damit zur Legende geworden. „Der Mann aus dem Land der lieblichen Sommer“ (gemeint ist das Elsass) war stinkreich, stammte aus französischem Uradel und hatte zu seiner Zeit so gut wie Narrenfreiheit. Seine biographischen Wendungen sind so zahlreich, dass sein Ende „in seiner Klause aus schwarzen Steinen im schwarzen Land“ wie die Faust aufs Auge passt. Der Autor räumt auf mit ein paar Legenden. Foucauld suchte nicht die Einsamkeit. Dort, wo er hauste, lebten je nach Jahreszeit 16 Tuaregstämme. Und er starb nicht als Märtyrer. Sein gewaltsamer Tod war eher zufällig. Der aus Straßburg gebürtige Père de Foucauld wollte zwar die Tuareg bekehren, aber es gelang ihm bei keinem einzigen. Trotzdem war er akzeptiert. Büscher nennt ihn ein Prachtexemplar eines Menschen mit „lebenslanger Suchbewegung“.
Auf dieser Reise bewegt sich Büscher nicht auf den Spuren einer Großen Armee, trifft keine Nachkommen von Buffalo Bill und muss sich kein Essen stehlen, wenn’s mal knapp ist. Der Mann ist gut versorgt – was er machen muss, ist Brennholz suchen, was selten zahlreich und oft dürr ist. „Nur selten hatte der Feuerholzsammler einen tüchtigen Knorz gefunden, der länger vorhielt“, schreibt er über sich in der dritten Person.
Mit wenigen Worten auskommen, ist die Kunst des Wolfgang Büscher. Er beschreibt die Malereien aus Zeiten, als die Wüste noch grün war und die Frömmigkeit der Tuareg, die alles in den Schatten stellt. Das war schon zu Zeiten Foucaulds so. Büschers Worte für die Wüste sind ein Vergnügen, wenn er die Vulkane des Assekrem als ehemals „himmelwärts feuernde Kanonen“ beschreibt, deren „Kanonenkugeln aus Basalt“ sind. An anderer Stelle erinnern die Felsen an betende Hände. Er fühlt sich wie in einem „Wüsten der Welt Kalender“. Irgendwann schreibt er erschöpft: „Alles kehrte wieder. Wüste blieb Wüste.“
Warum zweimal?
Was heraussticht, sind seine Beobachtungen, die sich wie eine Antwort auf deutschen Irrsinn lesen. Beispiel: Büscher ist zum Essen eingeladen, es gibt wie immer Couscous. Die Art des Essens ist ihm fremd, aber sie gefällt ihm. Daraus zieht er eine Lehre: „Immer wieder diese Erfahrung. Mit großer Selbstverständlichkeit gelebte Sitten und Gebräuche, und seien sie noch so ungewohnt, sind fähig, den Fremden mit leichter Hand in das Geschehen zu ziehen.“ Ein anderes Mal schreibt er von „Speicher geistiger Art“, die „Brunnen der Herkunft, der Identität“ sind.
Als Büscher ein zweites Mal auf den schwarzen Berg hinaufsteigt, kann das ein anderer Reisender nicht verstehen. Warum zweimal? Auch das zeigt den Irrsinn des Westens, wo es immer weiter und schneller geht, aber selten in die Tiefe. Und unglaublich: Büscher fotografiert nimmer immer und alles.
Am Ende seines Weges sitzt der Autor in Foucaulds „Klause aus schwarzen Steinen im schwarzen Land.“ Er musste sich anhören, wie ein andalusischer Mönch über die Menschen herzieht, die ein paar Tage auf dem Assekrem bleiben und darüber ein Buch schreiben. „Das Buch kannst du auf den Müll werfen.“ Was wird Büscher nach dieser Belehrung machen? Wir wissen es. Wir halten ja sein Buch in den Händen. Büscher „Der Weg“ ist weniger Buch über Foucauld geworden, auch wenn wir viel von ihm erfahren, mehr ist ein Buch über das Prachtexemplar eines Menschen mit lebenslanger Suchbewegung und Schreibzwang geworden. „Mir war befohlen, den Wind und den Sand aufzuschreiben, und wehe, er vergisst seine Pflicht… Dann muss der Schreiber sterben.“ Wünschen wir ihm noch viele Ziele.
Wolfgang Büscher: Der Weg – Eine Reise durch die Sahara, 236 Seiten, dtv, 24 Euro
Pascal Cames lebt in der Nähe von Straßburg, arbeitet als Redakteur in einer Agentur und freiberuflich als Journalist und Autor. Sein Blog Homme de Fer ist nach einem Tram-Knotenpunkt in Straßburg benannt und beschäftigt sich mit dem Leben am Oberrhein.
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