Thomas Rietzschel / 13.11.2021 / 10:00 / Foto: achgut.com / 45 / Seite ausdrucken

Impfen zur Unzeit? Vergiss es!

Der Deutsche braucht seine Ordnung, was würde sonst aus dem Land und der Welt, wo kämen wir hin? Am Ende gar nach Amerika. Da seien die Regeln vor.

Erlebt hat das dieser Tage ein Großvater aus der hessischen Provinz. Wie das Darmstädter Tagblatt berichtet, wollte er sich am 19. November mit seiner Frau aufmachen, um die in den USA lebenden Kinder zu besuchen, zum ersten Mal die vor einem knappen Jahr geborene Enkelin zu sehen. Der Flug war bereits gebucht.

Um als brave Untertanen nichts zu versäumen, ging das bereits doppelt geimpfte Paar noch zum Arzt, damit er ihnen die dritte, die Auffrischungsimpfung, verabreiche, entsprechend der „Empfehlung“ der STIKO. Der Arzt ließ die beiden Alten abblitzen. Da sie erst am 21. Mai die zweite Impfung erhalten hätten, könnten sie auch erst nach Ablauf von sechs Monaten, also frühestens am 21. November, zwei Tage nach dem geplanten Abflug in die USA, „geboostert" werden. Zwar sei das nicht Gesetz, doch die STIKO habe es so „empfohlen“, nach welchen Ratschluss auch immer. Die genaue Uhrzeit der letzten Injektion sollte dabei keine Rolle spielen, immerhin.

Da gibt es Vorgaben!

Alle Versuche, den dritten Schuss irgendwo anders zu bekommen, scheiterten ebenso zuverlässig, auch beim Gesundheitsamt. Dass dieses zugleich mobile Impfzentren in Marsch setzte, um bei irgendwelchen Volksfesten jeden Freiwilligen zu spritzen, ohne sich um zurückliegende Impfdaten zu kümmern, war den Beamten offenbar entgangen: Der Großvater bekam den belehrenden Bescheid: „Wir reden hier über Arzneimittel, wozu ein Impfstoff eben gehört. Und da gibt es Vorgaben.“

Dass sich der Hausarzt daran hält, ist ihm nicht zu verübeln. Man stelle sich nur vor, wie er nachher zur Ordnung gerufen würde, sollten sich die Rentner in den Staaten einen Husten oder Schnupfen einfangen. 

So bleibt bloß noch der Flug auf eigene Gefahr. Ob das Ehepaar allerdings in New York von Bord gehen darf oder gleich wieder mit dem nächsten Flieger zurück ins Himmelreich der Ordnungshüter befördert wird, bleibt abzuwarten. Gibt es ja auch in Amerika ausgewanderte Bürokraten genug, in denen das deutsche Ordnungsgen weiterlebt. Doch dürfte sich die Familie dann immerhin aus der Ferne, über das Rollfeld hinweg, zuwinken, einander alles Gute wünschen für ein Weihnachten und ein Silvester, die sie eigentlich zusammen verbringen wollten.

Zwei Tage zu wenig sind nun mal zwei Tage zu wenig. Und Ordnung muss sein. „Ein Arzt verhält sich nicht falsch, wenn er nicht vor den sechs Monate impft“, sagt die Kassenärztliche Vereinigung. Ob er sich auch vernünftig, angemessen und menschlich verhält, wäre eine andere Frage. Praktisch gesehen wäre es vielleicht hilfreich, hockten sich die in den USA lebenden Nachkommen der Südhessen auf den Times Square, bewaffnet mit einem Schild: „Wir wollen Oma und Opa wiederhaben!“

Foto: achgut.com

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Franz Klar / 13.11.2021

Und die Moral von der Geschicht´ : Boostergeilheit lohnt sich nicht !

Volker Kleinophorst / 13.11.2021

Vielleicht mal im Görlitzer Park versuchen, oder einem ähnlichen “Handelsplatz” in ihrer Nähe? Wo ein Markt ist, da sind Dealer flexibel. Dass Medikamente auf dem Schwarzmarkt gehandelt werden, ist nicht neu. Siehe: “Der dritte Mann”. PS.: Lieber eigene Spritze mitbringen. Wegen der Hygiene. (Wer jetzt schon zuckt, dies wäre rassistisch, sollte sich mal Fragen, wie rassistisch es ist, bei Dealer sofort an Schwarze zu denken.) PS.2: Um seinen Enkel zu sehen, muss man nicht um die halbe Welt fliegen. Um ihn möglicherweise anzustecken schon. Ich gehe sogar jede Wette ein, gesehen haben die ihren Enkel längst. Dumme Menschen haben immer tausend Gründe für ihre Dummheit.

Th. Stoppel / 13.11.2021

Es ist mir völlig schleierhaft, dass man so dringend die sogenannte Boosterimpfung verabreicht haben möchte. Dem Artikel entnehme ich nur die Eigeninitiative und nicht die verpflichtende Impfung für das Ehepaar. Ein Blick auf die Homepage des Auswärtigen Amt und ergänzend noch ein Besuch der Homepage des “Center for Disease Control and Prevention”, kurz cdc.gov, hätte sicherlich für mehr Klarheit gesorgt. Auch bieten die Fluggesellschaften entsprechende Unterstützung an, sofern es möchte. Ihre Vermutungen zur Ankunft in den USA oder gleich wieder Abflug in Richtung Deutschland, scheint mit der von Ihnen genannten Begründung mehr dem Reich der Fantasie zu entsprungen zu sein. Mit einer entsprechenden vernünftigen Vorbereitung durch die Besucher dürfte einem Aufenthalt nichts im Wege stehen. Wie die Impfungsvoraussetzungen für Deutschland sind, interessiert der Border Controll nicht, da U.S. amerikanische Vorschriften gelten.

Paul Siemons / 13.11.2021

Bei allem Verständnis für den Frust, vielleicht sogar die Wut der Betroffenen - wer sich einmal auf das Spiel Impfopoly eingelassen hat, muss sich auch dessen Regeln unterwerfen. Der Einwand, dass diese Regeln ohne Sinn und Verstand sind und von den Betreibern je nach Tagesform eingerichtet, verändert oder abgeschafft werden, ist zwar berechtigt, kann aber leider nicht berücksichtigt werden.

Ludwig Luhmann / 13.11.2021

Was für ein Menschenschlag!

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