Der Papst proklamiert die Corona-Impfung als einen „Akt der Liebe“. Das mag man sehen wie man will, aber die Herstellung mittels Zelllinien abgetriebener Embryonen müsste nach den eigenen Maßstäben des Vatikan des Teufels sein – ist es aber offenbar nicht.
Wer geglaubt hatte, die Katholische Kirche würde in der Corona-Krise ein Bollwerk gegen den Zeitgeist sein, der sah sich bald enttäuscht. Papst Franziskus, der seit seiner Amtseinführung im Jahre 2013 einen volkstümlichen Stil pflegt und theologisch den Anschluss an die aktuellen Debatten sucht, bog in der Corona-Krise zusammen mit dem Zeitgeist ab und verkündete in einer im August 2021 auf YouTube veröffentlichten und bis heute nicht gelöschten Videobotschaft, die Impfung gegen SARS-CoV-2 sei ein „Akt der Liebe“.
Vorausgegangen waren diesem Aufruf zum Liebesakt mit der Spritze allerdings wenig erbauliche päpstliche Worte und Taten. So ließ der seit Januar 2021 doppelt gespikte Franziskus im Februar durch den Gouverneur der Vatikanstadt einen Erlass verkünden, der für die 5.000 Beschäftigten des Kirchenstaates eine Impfpflicht verfügt und im Falle einer Zuwiderhandlung mit der Entlassung aus dem Dienst droht. Im April 2021 erklärte Franziskus dann anlässlich des Weltgesundheitstages, die Impfung sei „ein wesentliches Instrument“ im „Kampf“ gegen das Virus, folgte also der medialen Communis opinio, wonach dem Virus primär nur durch Injektionen von gentechnischen Präparaten, sekundär durch nichtpharmazeutische freiheitseinschränkende Maßnahmen und überhaupt nicht durch Medikamente beizukommen sei.
Die Gesellschaften „transformieren und zu verbessern“
Zur finalen Tat kam es dann am 1. Oktober 2021, als auch die Vatikanstadt den in Italien politisch gewollten „Grünen Pass“ einführte, der von den Arbeitnehmern verlangt, am Arbeitsplatz nur geimpft, genesen oder getestet zu erscheinen und für die Kosten des Tests selbst aufzukommen. Für die Schweizergarde, in der es im Oktober 2020 zu einer Welle von Corona-Infektionen gekommen war, wurden die Bestimmungen allerdings dahingehend verschärft, dass sie wegen ihres engen Kontaktes zum Papst – der übrigens bis in den Oktober 2020 hinein seine öffentlichen Termine noch masken- und abstandslos wahrgenommen hatte – nur „vollständig geimpft“ Dienst tun dürfen. Daraufhin schieden drei Schweizergardisten, die sich nicht spiken lassen wollten, „freiwillig“ aus.
Begründet hat der Papst seine Corona-Haltung in der im August 2021 verbreiteten Video-Botschaft mit dem medial ad nauseam umgewälzten Argument, dass die gegen SARS-CoV-2 injizierten Präparate vor Covid-19 schützen würden, weshalb die Hoffnung bestehe, dadurch, dass wir alle uns impfen ließen und also „zusammenarbeiten“ würden, die Pandemie beenden zu können. Denn die Impfung, so der Papst weiter, die von „kompetenten Autoritäten“ autorisiert sei (der Pleonasmus von der „autorisierten Autorität“ stammt vom Papst persönlich), böte die Möglichkeit, durch eine kleine Geste der Liebe die Gesellschaften „zu transformieren und zu verbessern“.
Das klingt arg nach Klaus Schwab und Davoser World Economic Forum. Die päpstliche Botschaft wird aber dadurch noch davosiger, dass sie Teil einer Aktion des Ad Council war, einer US-amerikanischen gemeinnützigen Organisation, die sich auf die Fahne geschrieben hat, durch Anzeigenkampagnen dafür zu sorgen, dass wir „uns selbst und unsere Gesellschaft kontinuierlich verbessern“. Und wie so oft bei gemeinnützigen US-Gesellschaften, die von ausgiebigem Sponsoring leben, ist auch in diese Gesellschaft der Kreis der prospektiven Sponsoren als Aufsichtsrat eingebunden.
Im Falle des Ad Council heißt das, dass mit Repräsentanten von Pfizer, Johnson & Johnson, Amazon, Microsoft, Google, Apple, Verizon, Facebook, Twitter, Salesforce, Visa, PayPal, TikTok, Warner – ach, schauen Sie doch selbst – alles an Bord ist, was in der Corona-Krise das verfolgt hat, was man „eine ganz eigene Agenda“ nennen muss. Eine kritische Haltung zu den mRNA- und Vektor-Injektionen oder dem nichtpharmazeutischen Allheilmittel des Wegsperrens der Bevölkerung wird man von diesen Kreisen jedenfalls nicht erwarten dürfen. Genauso wenig wie eine kritische Haltung zu dem vom World Economic Forum verfolgten „Great Reset“, bei dem man ja ganz im Gegenteil in der einen oder anderen Weise aktiv mitmischt.
Ganz gewiss nicht: klug
Das muss das Anliegen des Papstes natürlich nicht von vorneherein disqualifizieren. Die Solidarität, um die es dem Papst geht, ist eine schöne politische Tugend, die ihre Wurzeln im Kanon der christlichen Kardinaltugenden nicht verleugnen kann, wo man sie als „Gerechtigkeit“ und „Nächstenliebe“ wiederfinden kann. So weit, so gut.
Nicht gut aber ist, dass die päpstliche Verlautbarung mit ihrer Solidaritätsforderung den zweiten Schritt hin zur konkreten Aktion macht, ohne zuvor in einem ersten Schritt das Terrain sondiert zu haben, auf dem gehandelt werden soll oder das Handeln besser zu unterbleiben hat. Für diesen ersten Schritt der Wahrnehmung der Wirklichkeit ist, christlich gesehen, die Kardinaltugend der „Klugheit“ zuständig, die prudentia, der es darum geht, die Wirklichkeit in ihrem vollen Umfang so erfahrbar zu machen, dass unser Handeln dann auch wirklichkeitsbasiert und in diesem Sinne „klug“ und „umsichtig“ (beides gehört in der prudentia zusammen) erfolgen kann.
Von hier aus sieht man auf einen Blick, dass eine Verlautbarung, die die Notwendigkeit der solidarischen Applikation von mRNA- und Vektor-Injektionen (und dies dann auch noch im Weltmaßstab) im Rekurs auf ungenannte und ungeprüfte „kompetente Autoritäten“ begründen will, äußerst kurzatmig daherkommt. Sie blendet aus, was im August 2021 auch im Vatikan längst hätte reflektiert werden müssen: dass die mRNA- und Vektor-Präparate, die die menschlichen Zellen zur Produktion von Spike-Proteinen überreden, ein medizinisches Problem allerersten Ranges darstellen. Dieses Problem nicht – jedenfalls nicht öffentlich – zu reflektieren und das Urteil in der Sache an anonyme Autoritäten abzugeben, mag alles mögliche sein – zeitgeistig, bequem, autoritätsgläubig –, eines aber ist es ganz gewiss nicht: klug.
Und eben weil die Klugheit fehlt, geht der päpstlichen Impfempfehlung auch die handlungsrelevante christliche Tugend des rechten Maßes, der temperantia, ab, die dafür zu sorgen hat, dass das, was wir tun, im Idealfall ein wohlgeordnetes Ganzes ergibt. Ein Ganzes, in dem die sachliche und die moralische Richtigkeit dessen, was wir und wie wir es tun, so zusammen stimmt, dass man zuletzt sagen kann: es war gut und schön getan.
Schief, was nur schief sein kann
Wie weit der Papst hier danebengreift und mit seinem Missgriff das innere Gefüge der katholischen Morallehre verbeult, zeigt sich darin, dass die neuen Präparate von Pfizer und Co. den Gläubigen kirchlicherseits als „moralisch akzeptabel“ präsentiert werden, obwohl für ihre Herstellung – jedenfalls im Falle der Präparate von Pfizer, Johnson & Johnson, AstraZeneca und Moderna – Zelllinien von abgetriebenen menschlichen Embryonen verwendet wurden und die Kirche seit der päpstlichen Instruktion Donum vitae aus dem Jahr 1987 zur Verwertung embryonalen Materials eindeutig Nein gesagt hat. In Donum vitae heißt es dazu in Abschnitt I,4: „Den menschlichen Embryo oder den Fötus als Gegenstand oder Mittel für Experimente zu benutzen, stellt ein Verbrechen gegen deren Würde als menschliche Wesen dar.“ Und der folgende Abschnitt I,5 stellt klar, dass das auch für in-vitro-befruchtete und dann zerstörte Embryonen gilt, mit denen man beispielsweise chirgurgische oder pharmakologische Forschungen betreiben will.
Das entspricht der allgemeinen Lehre der Kirche, den Augenblick der Empfängnis als den entscheidenden Moment der Entstehung menschlichen Lebens zu betrachten. Genau ab diesem Augenblick hat der Mensch die Würde einer Person, wie der Katechismus der Katholischen Kirche unter Nummer 2274 klarstellt: „Da der Embryo schon von der Empfängnis an wie eine Person behandelt werden muß, ist er wie jedes andere menschliche Wesen im Rahmen des Möglichen unversehrt zu erhalten, zu pflegen und zu heilen.“ Weshalb der Katechismus in Nummer 2275 dann auch prompt Donum vitae zitiert, um gentechnische Eingriffe zum Zwecke der Produktion erwünschter menschlicher Eigenschaften im besonderen und die Verwertung embryonalen „Materials“ im allgemeinen als unmoralisch zu qualifizieren.
Von hier aus ergibt sich die Fallhöhe der vatikanischen Äußerungen zur Injektion von gentechnischen Präparaten, die fötales Material nutzen. Die am 21. Dezember 2020 veröffentlichte „Note“ der Glaubenskongregation führt nämlich als „Hauptgrund“ für die moralische Unbedenklichkeit der Impfstoffe, zu deren Entwicklung und Herstellung Zelllinien abgetriebener Föten benutzt wurden und werden, dies an: Der Gebrauch dieser Impfstoffe stelle seitens jener, die sie erhalten, nur eine „entfernte Mitwirkung“ an einer Abtreibung dar (Kursivierung im Original), und wenn eine „schwerwiegende Gefahr“ bestehe, wie sie durch „die pandemische Ausbreitung des Covid-19 verursachenden SARS-CoV-2 Virus“ gegeben sei, dann sei die Pflicht, eine „passive materielle Mitwirkung“ an der Abtreibung zu vermeiden, nicht bindend.
Die Glaubenskongregation schließt daraus: „Es gilt also festzuhalten, dass alle Impfstoffe, die als klinisch sicher und wirksam anerkannt sind, in diesem Fall verwendet werden können, mit dem sicheren Gewissen, dass die Inanspruchnahme dieser Impfungen keine formale Mitwirkung an der Abtreibung, aus der die Zellen, mit denen die Impfstoffe hergestellt wurden stammen, bedeutet.“ (Abschnitt 3, Kursivierung im Original)
An dieser Begründung ist schief, was nur schief sein kann.
Kurios, um das Mindeste zu sagen
Erstens: Sie beruht auf der nicht weiter bedachten Voraussetzung, dass die Impfung als Eigen- und Fremdschutz überhaupt nur dann empfohlen werden kann, wenn es keine anderen Mittel gibt, das Virus aufzuhalten (Abschnitt 5 der „Note“). Eben das ist aber Gegenstand einer ausführlichen Debatte, die die Glaubenskongregation ganz offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen hat oder nicht zur Kenntnis nehmen will. Nur durch diese Ignoranz, die von den natürlichen Fluktuationen von Epidemien ebenso wenig wissen will wie von den sozialen Dimensionen von Ansteckungen oder den Möglichkeiten einer medikamentösen Behandlung, kann man der massenweisen und weltweiten Applikation neuer Präparate als Allheilmittel das Wort reden. Deren moralische Fragwürdigkeit man dann natürlich kleinreden muss.
Zweitens: Dass die neuen Präparate von Pfizer und Co. als „klinisch sicher und wirksam anerkannt sind“, wie die Glaubenskongregation meint, ist auf demselben Sand gebaut wie die vorherige Behauptung, man könne dem Virus nur durch Impfen Herr werden. Offenbar verlässt sich die Glaubenskongregation nicht anders als die medial umhergeschubste Öffentlichkeit hier auf einen angeblichen wissenschaftlichen Konsens, der sich bei näherer Betrachtung, wie hier auf „Achgut“ seit Monaten hauptsächlich von Gunter Frank und Jochen Ziegler unternommen, sogleich in Luft auflöst. Ohne angebliche Sicherheit und Wirksamkeit der Präparate aber auch keine Gewissenssicherheit, dass der Gebrauch der Präparate moralisch zu tolerieren ist.
Drittens: Die Glaubenskongregation beruft sich im Dezember 2020 für ihr Urteil auf die von derselben Glaubenskongregation im Jahre 2008 veröffentlichte Instruktion Dignitas personae, in deren Abschnitt 35 von „differenzierte[n] Verantwortlichkeiten“ im Hinblick auf die Verwendung fötalen „biologischen Materials“ die Rede ist. Und um das Gemeinte zu verdeutlichen, heißt es 2020 (im Vorwort, Abschnitt 5) unter Rekurs auf 2008 (Abschnitt 35): „Beispielsweise 'tragen in Unternehmen, die Zelllinien ungerechten Ursprungs verwenden, jene, die keine Entscheidungsvollmacht haben, nicht dieselbe Verantwortung wie jene, die über die Ausrichtung der Produktion entscheiden'.“ Was dann wohl heißen soll, dass es für Ottilie Normalgläubige moralisch völlig in Ordnung ist, wenn sie sich ein Präparat injizieren lässt, für das fötales „biologisches Material“ verwendet wurde.
Das ist kurios, um das Mindeste zu sagen. In dem zitierten Passus aus dem Jahr 2008 geht es nämlich ganz offensichtlich um die Frage der moralischen Haftung von Mitarbeitern, in deren Betrieben Zelllinien von Föten zum Einsatz kommen. Dass deren Verantwortung nicht dieselbe ist wie die der leitenden Manager, ist nachvollziehbar. Das heißt aber nicht, dass aus der eingeschränkten Verantwortlichkeit im beruflichen Kontext auf eine eingeschränkte Verantwortlichkeit im allgemeinen geschlossen werden kann, so dass dann auch die allgemeine Freigabe der Präparate von Pfizer und Co. als moralisch unbedenklich durchgeht. Die Glaubenskongregation differenziert hier im Jahre 2020 die Verantwortlichkeiten schlicht falsch und tut so, als sei diese (falsche) Differenzierung schon 2008 in derselben Weise vorgenommen worden, sei also ein durch die kirchliche Tradition legitimierter moralischer Standpunkt.
Zum Material und Zweck herabgewürdigt
Tatsächlich differenziert die Glaubenskongregation im Jahre 2020 an der kirchlichen Morallehre glatt vorbei. Diese spricht dem Embryo ab der Empfängnis personale Qualität zu und anerkennt diese Qualität auch beim abgegangenen oder abgetriebenen Fötus, der folglich wie ein reifer und eines natürlichen Todes gestorbener Mensch zu behandeln ist (Donum vitae I,4). Die katholische Morallehre hat daher stets Wert darauf gelegt, dass aus moralisch verwerflichen Handlungen und Experimenten an oder mit Embryonen, Föten und Menschen kein moralisch akzeptables Produkt hervorgehen kann.
In der Instruktion Dignitas personae heißt es dazu in Abschnitt 35 glasklar:
„Wenn das, was unerlaubt ist, durch Gesetze abgestützt wird, die das gesundheitliche und wissenschaftliche System regeln, muss man sich von den ungerechten Aspekten dieses Systems distanzieren, um nicht den Eindruck einer gewissen Toleranz oder stillschweigenden Akzeptanz von schwer ungerechten Handlungen zu geben. Dies würde nämlich dazu beitragen, die Gleichgültigkeit, wenn nicht sogar die Zustimmung zu verstärken, mit der einige medizinische und politische Kreise diese Handlungen betrachten.“
Alles in allem muss man daher sagen: Natürlich ist die Verabreichung oder Entgegennahme einer Covid-19-Injektion neuen Typs „keine formale Mitwirkung an der Abtreibung“, wie es die Glaubenskonkgregation in ihrer Dezembernote 2020 festgehalten hat. Aber sie ist und bleibt ein Angriff auf die Würde und die unveräußerlichen Rechte eines jeden Menschen, von der Empfängnis bis zum Tod, weil sie auf etwas beruht, wovor die katholische Kirche in ihrem Katechismus, in ihren Enzykliken und in ihren Instruktionen stets gewarnt hat: Sie beruht darauf, dass sie den anderen Menschen – und sei es nur in dem fernen Echo einer „Zelllinie“ – zum Material und Zweck herabwürdigt.
Die Injektion gegen Covid-19 ist damit alles andere als ein „Akt der Liebe“, wie Franziskus meint und die Glaubenskongregation gutachten lässt. Sie ist vielmehr ein Element jener Kultur, die die Freiheit und Würde des Menschen sukzessive einschränkt und seit Johannes Paul II. nicht nur innerkirchlich als „Kultur des Todes“ diskutiert wurde. Die Firma Pfizer scheint davon nicht ganz unbeeindruckt geblieben zu sein — und sei es auch nur aus Marketingrücksichten —, als sie ihren Mitarbeitern verbot, öffentlich über die Tatsache zu sprechen, dass für das Pfizer-Präparat eine fötale Zelllinie benutzt wurde. Die Whistleblowerin Melissa Stickler, die es dennoch tat, wurde jedenfalls umgehend entlassen.
Wer von hier aus auf den Vatikan schaut und auf die dortige AHA-Praxis mit ihren unmenschlichen Abständen und ihrer Persönlichkeitsvernichtung durch Maskentragen, wer die Impfpflicht für die Mitarbeiter des Kirchenstaates und die erfolgten Entlassungen nicht zu übersehen bereit ist und wer schließlich auf die Wendigkeit reflektiert, mit der die aktuelle Glaubenskongregation und Papst Franziskus den Kern der kirchlichen Morallehre beiseite schieben, um die Anwendung der neuen mRNA- und Vektor-Präparate als moralisch unbedenklich erscheinen zu lassen – der wird sich zu dem Urteil vorwagen müssen, dass auch der Vatikan, wenn man seine eigenen Maßstäbe anlegt, teil der „Kultur des Todes“ geworden ist.