Von Kay Klapproth.
Ein neuer Tiefpunkt in der Vermarktung wissenschaftlicher Erkenntnisse: Forscher der Universität Köln präsentierten eine steile These – Corona-Geimpfte könnten nicht nur gegen SARS-CoV-2, sondern auch gegen andere Erreger besonders geschützt sein. Leider falsch.
Forscher der Universität Köln haben bei Personen, die mit mRNA-Impfstoffen gegen COVID-19 geimpft wurden, wiederholt Blutproben entnommen und analysiert. Dabei stellten sie fest, dass die Impfungen nicht nur das erworbene Immunsystem beeinflussen – also jenen Teil, der für die Bildung von Antikörpern und spezifischen antiviralen T-Zellen zuständig ist –, sondern auch das sogenannte angeborene Immunsystem.
Unser Immunsystem besteht aus zwei Komponenten: dem erworbenen Immunsystem, das über ein Gedächtnis verfügt und uns nach Infektionen oder Impfungen einen mehr oder weniger dauerhaften Schutz verleiht, und dem angeborenen Immunsystem. Letzteres bildet die erste Verteidigungslinie des Körpers gegen Krankheitserreger. Es reagiert besonders schnell und unspezifisch auf eindringende Viren, Bakterien oder Pilze. Lange Zeit ging man davon aus, dass das angeborene System kaum trainierbar sei – inzwischen weiß man jedoch, dass auch Zellen dieses Immunsystems über eine Form von Gedächtnis verfügen.
Und genau dieses Gedächtnis stand im Mittelpunkt der Studie der Universität Köln: Im Fokus der Untersuchung standen sogenannte Makrophagen – Fresszellen, die Krankheitserreger erkennen und beseitigen können [1]. In diesen Zellen entdeckten die Wissenschaftler epigenetische Veränderungen, also eine Art „Programmierung“ auf der Ebene der Genregulation. Diese Veränderungen waren noch Wochen nach der Impfung nachweisbar. Die betroffenen Zellen wiesen eine erhöhte Grundaktivität auf – insbesondere im Hinblick auf entzündliche Signalwege. Die Forscher sprechen von einer gesteigerten Reaktivität gegenüber einer Vielzahl von SARS-CoV-2-verwandten und nicht-verwandten Pathogenen.
In der Folge produzierten die Zellen verstärkt Botenstoffe, die andere Immunzellen aktivieren und deren Fähigkeit zur Abwehr von Infektionen steigern können, so die Forscher. „Da es sich um eine Aktivierung des angeborenen Immunsystems handelt, das relativ breit und unspezifisch auf verschiedene Erreger zielt, kann dies bedeuten, dass die mRNA-Impfungen zumindest für eine gewisse Zeit auch vor anderen Viren und Bakterien schützen“, erklärt einer der Erstautoren der Studie, Sebastian Theobald, in einer Pressemitteilung der Universität Köln [2]. Klingt zu gut um wahr zu sein? Ist es auch.
Spekulation mit Scheuklappen
Die Forscher spekulieren hier nicht nur ohne jegliche Evidenz, sie offenbaren gleichzeitig eine extrem naive und simplifizierte Sichtweise auf die Funktionen unseres Immunsystems, wie man sie von Wissenschaftlern, die sich mit Immunologie befassen, eigentlich nicht erwarten würde.
Das angeborene Immunsystem ist nicht nur der erste Schutzwall des Körpers gegen Bedrohungen. Es ist ein hochkomplexes System, das sich über mehrere hundert Millionen Jahre in einer Welt voller Viren, Bakterien und Mikroorganismen über zahllose Generationen hinweg entwickelt hat. Es dient nicht nur dazu, Erreger abzuwehren, sondern es steuert unser Immunsystem, indem es fortlaufend entscheidet, wie unser Organismus auf seine Umwelt reagiert.
Nicht jede Immunreaktion ist vorteilhaft – das weiß jeder Allergiker aus leidvoller Erfahrung. Ein gesundes, gut ausbalanciertes Immunsystem reagiert differenziert: Es erkennt Gefahren und leitet angemessene Reaktionen ein, muss aber ebenso unnötige oder überschießende Reaktionen dämpfen – oder in bestimmten Situationen vollständig unterdrücken. Immunität bedeutet also nicht erhöhte Daueraktivität, sondern kluge Regulation.
In Wahrheit liefert die Studie aus Köln auch gar keine Daten zu klinischen Endpunkten, wie zum Beispiel eine verbesserte Resistenz gegen Infektionen, die die Begeisterung der Forscher rechtfertigen könnten. Die Behauptung, dass die von ihnen beobachtete epigenetische Schulung des angeborenen Immunsystems vorteilhaft sein könnte, basiert lediglich auf Zell- und Molekularanalysen, ohne dass diese mit tatsächlichen Schutzmechanismen in vivo verknüpft worden sind. Mit anderen Worten, sie reden sich ihre Beobachtungen schön. Das ist aber das Gegenteil von guter Wissenschaft.
Chronische Entzündung statt starker Immunität
Wenn man die Begeisterung des Forscherteams über eine erfolgreiche Publikation und die positive Deutung, die gut ins gängige Narrativ der „guten COVID-19-Impfung“ passt, einmal beiseitelässt und stattdessen eine differenzierte Perspektive einnimmt – eine, die der Komplexität des Immunsystems gerecht wird –, gelangt man zu einer völlig anderen Einschätzung.
Eine chronisch erhöhte, proinflammatorische Aktivität des Immunsystems kann schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben. Die dauerhafte Ausschüttung entzündungsfördernder Botenstoffe kann nicht nur Gewebeschäden verursachen, sondern auch das Entstehen oder Fortschreiten von Krebserkrankungen begünstigen. Besonders gefährdet sind vulnerable Gruppen – etwa Menschen mit Autoimmunerkrankungen –, für die eine solche Fehlregulation erhebliche Risiken mit sich bringen kann.
Dass diese Zusammenhänge zum immunologischen Grundwissen gehören, scheint den Autoren der Kölner Studie entgangen zu sein – zumindest finden sie in ihrer Veröffentlichung keine Erwähnung.
Aus einer Vielzahl von Studien wissen wir inzwischen, dass eine Überaktivierung des Immunsystems zumindest bei einem Teil der schweren Nebenwirkungen nach COVID-19-Impfungen eine Rolle spielt. So wurden bei Patienten mit einer nachgewiesenen Schädigung des Herzmuskels nach der Impfung nicht nur erhöhte Spiegel entzündungsfördernder Botenstoffe im Blut festgestellt, sondern auch eine auffällige Aktivierung von Zellen des angeborenen Immunsystems[3].
Darunter befanden sich insbesondere jene Makrophagen – sogenannte Fresszellen –, die auch von den Kölner Wissenschaftlern als überaktiv identifiziert wurden. Diese Zellen tragen maßgeblich zur Entzündungsreaktion und zur Bildung von Narbengewebe bei. Im Falle des Herzmuskels kann dies das Risiko für Herzrhythmusstörungen, Infarkte oder plötzlichen Herzstillstand erhöhen.
Mysteriöse Antikörper werfen Fragen zu Impfnebenwirkungen auf
Aber wir wissen inzwischen auch, dass das Immunsystem auf eine derartig erhöhte Aktivität mit Gegenmaßnahmen reagiert. Es verfügt über Mechanismen, die einer überschießenden Immunität entgegenwirken, zum Beispiel regulatorische T-Zellen oder bestimmte Antikörper, die die eine Immunantwort dämpfen. Leider ist auch diese Gegenreaktion des Immunsystems nicht unproblematisch.
Bereits vor einigen Jahren zeigte ein Forscherteam, dass mit jeder mRNA-Impfung der Anteil sogenannter IgG4-Antikörper im Blut der Geimpften ansteigt [4]. Diese Antikörper haben eine besondere Funktion: Sie fördern keine Immunreaktionen, sondern wirken eher dämpfend – sie stellen wahrscheinlich eine Art Notfallprogramm des Immunsystems dar, das übermäßige, gewebeschädigende Reaktionen verhindern soll.
Und genau darin liegt ein zentrales Problem bei den COVID-19-Impfungen, die in kurzen Abständen wiederholt werden: Sie stimulieren bestimmte Komponenten des Immunsystems so häufig und intensiv, dass andere Teile gegensteuern müssen, um ein Gleichgewicht zu bewahren.
Doch auch diese Gegenregulation kann fatale Folgen haben – wie eine aktuelle Studie aus Japan nahelegt: Die Forscher untersuchten Patientinnen und Patienten mit Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) und stellten fest, dass wiederholte Covid-19-Impfung nicht nur mit einem dramatischen Anstieg der IgG4-Antikörperspiegel einhergingen [5]. Sie reduzierten auch die Überlebenszeit der geimpften Krebspatienten dramatisch von durchschnittlich 20 auf nur noch 10 Monate.
Als mögliche Ursache nennen die Autoren eine durch IgG4-Antikörper und regulatorische T-Zellen vermittelte Immuntoleranz gegenüber den Krebszellen. Das Immunsystem reagierte bei den Patienten also weniger aggressiv auf den Tumor – was sein ungehindertes Wachstum begünstigt haben könnte.
Wissenschaftler blenden wichtige Aspekte der Immunität komplett aus
Erhöhte IgG4-Spiegel sind auch bei anderen Erkrankungen bekannt, insbesondere bei solchen, die mit chronisch-entzündlichen Immunreaktionen einhergehen – also einer anhaltenden Aktivierung bestimmter Immunzellen. Die vermehrte Bildung von IgG4 ist dabei Ausdruck eines Regulationsversuchs des Immunsystems: Es versucht, eine überschießende Immunaktivität zu dämpfen. Genau diese erhöhte basale Aktivität von Immunzellen haben die Wissenschaftler der Universität Köln nach Covid-19-Impfung beschrieben.
Die Forscher aus Köln haben in ihrer Studie alle wichtigen Aspekte der Immunität ausgeblendet. So kann ein chronisch aktiviertes angeborenes Immunsystem zur Erschöpfung von Immunzellen führen. Wenn Makrophagen dauerhaft entzündungsfördernde Botenstoffe (Zytokine) produzieren, kann dies die langfristige Funktion des Immunsystems beeinträchtigen. Anstatt – wie von den Kölner Wissenschaftlern spekuliert – zu einer gestärkten Immunabwehr gegen SARS-CoV-2 und andere Erreger zu führen, droht im Gegenteil eine Dysregulation des Immunsystems. Die mögliche Folge: eine erhöhte Anfälligkeit für Infektionen und ein gesteigertes Risiko für Autoimmunerkrankungen. Das klingt deutlich weniger nach „Impferfolg“ – und deutlich weniger harmlos – als die optimistische Meldung der Universität Köln.
Dass diese beunruhigenden Zusammenhänge von Wissenschaftlern, der Universität Köln und von einigen Medien als Werbung für eine besonders vorteilhafte Wirkung der Covid-19-Impfung verkauft werden, ist ein bezeichnendes Beispiel für den beklagenswerten Zustand von Wissenschaft und Wissenschaftsjournalismus in diesem Land.
Dr. Kay Klapproth ist Immunologe und lebt in Heidelberg.
Quellen:
[1] A. Simonis u. a., „Persistent epigenetic memory of SARS-CoV-2 mRNA vaccination in monocyte-derived macrophages“, Molecular Systems Biology, Bd. 21, Nr. 4, S. 341–360, Apr. 2025, doi: 10.1038/s44320-025-00093-6.
[2] „mRNA-Coronaimpfung trainiert das ‚Langzeitgedächtnis‘ des Immunsystems“. Zugegriffen: 17. April 2025. [Online]. Verfügbar unter: https://uni-koeln.de/universitaet/aktuell/meldungen/meldungen-detail/mrna-coronaimpfung-trainiert-das-langzeitgedaechtnis-des-immunsystems
[3] A. Barmada u. a., „Cytokinopathy with aberrant cytotoxic lymphocytes and profibrotic myeloid response in SARS-CoV-2 mRNA vaccine–associated myocarditis“, Science Immunology, Bd. 8, Nr. 83, S. eadh3455, Mai 2023, doi: 10.1126/sciimmunol.adh3455.
[4] P. Irrgang u. a., „Class switch towards non-inflammatory, spike-specific IgG4 antibodies after repeated SARS-CoV-2 mRNA vaccination“, Science Immunology, Bd. 0, Nr. 0, S. eade2798, Dez. 2022, doi: 10.1126/sciimmunol.ade2798.
[5] K. Tamai u. a., „Repeated COVID-19 Vaccination as a Poor Prognostic Factor in Pancreatic Cancer: A Retrospective, Single-Center Cohort Study“, 15. April 2025, Preprints: 2025041167. doi: 10.20944/preprints202504.1167.v1.