Das deutsche Gesundheitssystem erlebt einen Strukturwandel mit weitreichenden Folgen für Patienten und Kassen, meldet welt.de. Immer mehr niedergelassene Fachärzte würden ihren Arztsitz an Firmen oder internationale Finanzinvestoren verkaufen. Bundesweit sollen bereits rund 18.000 der insgesamt 94.000 Fachärzte, die Kassenpatienten versorgen, als Angestellte von Medizinischen Versorgungszentren arbeiten.
Seit der gesetzlichen Öffnung hierfür seien etwa 4100 solcher Zentren entstanden, die teilweise bundesweite Arztketten bildeten. Hinter fast jedem sechsten Zentrum stünden Investorenfirmen, teils mit Sitz in Steueroasen wie den Cayman Islands.
Das hat Folgen für die Patienten, wie Recherchen von Welt am Sonntag gezeigt hätten. Auf Anfrage habe die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung mitgeteilt, dass Zahnarztzentren in Investorenbesitz im Jahr 2018 pro Patient rund ein Drittel höhere Kosten bei den Kassen abgerechnet hätten als Praxen in Arztbesitz. Zudem sei bei den Augenärzten etwa in Baden-Württemberg die Zahl der ambulanten Operationen am grauen Star in den vergangenen zehn Jahren parallel zur Zunahme der Medizinischen Versorgungszentren um mehr als ein Viertel gestiegen.
Diese Zahlen würden Befürchtungen von Gesundheitspolitikern, Ärzte- und Kassenvertretern nähren, dass wegen ambitionierter Gewinnerwartungen mehr und teils unnötige Behandlungen in Behandlungszentren von Investmentfirmen verordnet und mit den Kassen abgerechnet würden.
Die Deutsche Apotheker- und Ärztebank sehe die Entwicklung erst an ihrem Beginn. „Wir gehen davon aus, dass die Zahl der Verkäufe von Arztsitzen in den kommenden Monaten und Jahren deutlich anziehen wird“, wird Daniel Zehnich, der Leiter des Bereichs Gesundheitsmärkte und Gesundheitspolitik der Bank, zitiert. Denn viele niedergelassene Ärzte stünden kurz vor dem Ruhestand. Ein Verkauf von Praxen an Investoren sei oft lukrativer als die Übergabe an andere Ärzte.