Von Michael W. Alberts.
Ganz offen: Es fällt mir überhaupt nicht schwer, nachzuvollziehen, wenn jemand die Persönlichkeit und das Auftreten des US-Präsidenten nicht mag. (Was natürlich nicht ausschließt, seine Erfolge in Sachfragen anzuerkennen.) Weil ich selbst lange Zeit dachte: Was für ein ungehobelter Zeitgenosse. Wie redet der denn überhaupt. Was hat der denn für eine Wortwahl. Und dann die Frisur obendrauf, einfach unmöglich.
Zur Präsidentenwahl 2016 habe ich – auch damals schon kein Anhänger rot-grün-linker Politik für Deutschland – für Amerika gehofft, dass Hillary Clinton ins Weiße Haus einzieht. War sicher, dass sie es schaffen würde und wie vor den Kopf geschlagen, als das Gegenteil über Nacht eingetreten war.
Dann habe ich eine Zeitlang emotionale Zuflucht gesucht bei Kritikern, die das ganze Übel in grellen Farben ausgemalt und damit das warme Gefühl gemeinsamer Betroffenheit ausgestrahlt haben. Darunter auch die Spätabend-Comedy-Shows, z.B. von Stephen Colbert, der täglich mit Anlauf Trump auf die Schippe genommen hat. Aber irgendwann begann meine Wahrnehmung, Risse zu bekommen: weil ich manche Späße grob überzogen fand. Aus witzig wurde teilweise offen niederträchtig.
Und zweitens, weil schätzenswerte Beobachter sich von den gängigen Pauschalurteilen deutlich absetzten. Dr. Jordan Peterson widersprach der Wahrnehmung, dass Präsident Trump ein dummer Tölpel sei, der nicht ins Präsidentenamt gehöre. [Interview bei 1:53:30] Ähnlich Scott Adams, der Schöpfer der „Dilbert“-Comics, der dem Präsidenten ein ungewöhnliches und beachtliches Set von Talenten zusprach, ohne die er es nicht ins Amt geschafft hätte. [Interview] Daraus erwuchs Offenheit für andere Perspektiven, und Neugierde.
Bei alldem ging es nicht nur um die Person Donald Trump. Es ging um die grundlegende Auseinandersetzung zwischen den zwei Polen der US-Politik: „Demokraten“ und „Republikaner“. Es ging um Schlagworte wie „identity politics“, „trigger warnings“ und „safe spaces“ an Hochschulen, angeblich allgegenwärtigen Rassismus, „virtue signalling“ und natürlich um das Meinungsbild der Massenmedien – in Amerika wie in Deutschland.
Die Auseinandersetzungen, die in Amerika stattfinden, mit äußerster Härte, mit geradezu kriminellem Eifer: genau dieselben Auseinandersetzungen – inhaltlich und strukturell – finden auch in Europa, in Deutschland statt. Genau deshalb wird das hiesige Trump-Bashing ja betrieben: An Trump soll vermeintlich überzeugend vorgeführt werden, dass Populismus, Anti-Globalismus und Anti-Elitismus dumm und verwerflich seien. Das Publikum möge doch bitte weiter und wieder auf die amtliche „Intelligenzija“ hören, anstatt sich von Rattenfängern verführen zu lassen.
Also nachfolgend ein paar Vorschläge, wie sich der US-Präsident besser verstehen lässt. Eine Art „Bedienungsanleitung“. Die schon deshalb notwendig ist, weil Donald Trump in die Politik eingebrochen ist, als völliger Exot, wie eine Drag-Queen in ein katholisches Internat. Und weil eben die Medien fast ausnahmslos nur ein absurdes Zerrbild liefern.
Trump macht alles anders, also falsch
Donald Trump ist quasi das exakte Gegenteil. Nicht nur zu seinem Vorgänger Barack Obama, dem großen Polit-Prediger, sondern zu den meisten prominenten Politikern. Der „normale“ Politiker, ans Rednerpult getreten, nimmt eine andere Rolle ein – ein bisschen wie ein Schauspieler, der auf die Bühne tritt. Donald Trump lehnt das erkennbar ab. Er will sich nicht in die Rolle eines Predigers begeben, oder auch nur eines Vortragskünstlers. Er bleibt einfach er selbst. Wenn er dann doch vom Teleprompter abliest, klingt es mühsam. Man spürt, wie es ihm widerstrebt, einem fertigen, gewissermaßen toten Text zu folgen. (Ohnehin ist er ganz sicher kein Intellektueller, keiner mit großer Buchsammlung im Studierzimmer, vor der man sich öffentlich präsentiert.)
Oder er spricht halbwegs frei – aber dann macht er sich angreifbar, denn: Donald Trump wägt seine Worte nicht pingelig. Er findet nicht, er müsse sich druckreif äußern. Er sichert sich nicht in alle Richtungen ab. Er redet, als wäre er bei einer Stehparty von neugierigen Zuhörern umgeben und würde von seinem letzten Wochenend-Ausflug erzählen. Er spricht, wie ihm die Gedanken in den Kopf kommen. Das führt auch zu einer gewissen Sprunghaftigkeit, zu Wiederholungen, zu manchen scheinbaren Widersprüchen.
Seine Neigung zur Umgangssprache ist verknüpft mit viel Überschwang: Donald Trump spricht plakativ, übertreibt, ist der ewige Verkäufer. Sein Vortrag ist nicht analytisch kühl, präzise kalkuliert. Er ist emotional, soll mitreißen und motivieren. Immerzu wirbt Trump um sein Gegenüber.
Der Vergleich mag etwas hinken, aber es ist mit dem in die Politik eingebrochenen Exoten Trump ein wenig wie mit Günther Jauch, dem gutgelaunten Quiz-Moderator, der es wagte, die Seiten zu wechseln und „bedeutendes“ Polit-TV zu machen. Das durfte nicht gutgehen, und Günther Jauch merkte, dass er als Außenseiter unnötig Kraft gegen das Establishment verschwenden musste. Aber ein Donald Trump gibt eben nicht auf, der Widerstand stachelt ihn nur an.
Ein Anti-Politiker und ultimativer Macher
Dafür lieben ihn viele, die ohnehin die Nase voll haben vom üblichen Politikbetrieb – zumal sich damit eine völlig andere Herangehensweise auch in der Sache verbindet.
Solange Kundgebungen noch nicht durch den China-Virus unterbunden waren, sind Zehntausende zu seinen Auftritten in großen Arenen geströmt, um ihn zu erleben. Er redet weitgehend frei, und dann noch unkonventioneller als sonst. Tatsächlich ist er auch ein geborener Entertainer, mit Gefühl für Pointen und ihr timing. (Beiläufig: Jemand, der so schlagfertig ist und fähig der Ironie, sogar sich selbst gegenüber, kann eben nicht wirklich ein Dummkopf sein.) Man kann ihm ewig zuhören, ohne dass es langweilig würde, und eine 75-Minuten-Show bietet er allemal. Vom Enthusiasmus seiner Basis können 95% aller Politiker nur träumen – und zwar auch „sleepy Joe Biden“, den die „Demokraten“ wohl ins Feld schicken werden.
Donald Trump ist allerdings eben nicht nur in Bezug auf Sprache und rednerischen Habitus die personifizierte Kritik am häufig gestelzten, prätentiösen, vom Alltag der Menschen entfremdeten Politikbetrieb. Der Vortragsstil, den man zweifellos als gewöhnungsbedürftig bezeichnen kann, verbindet sich mit grundlegenden Charakter-Eigenschaften auf der Handlungsebene, und mit einer klaren inhaltlichen Ausrichtung.
Donald Trump ist ein Macher. Der Bauunternehmer in ihm, der außergewöhnliche und in mancher Hinsicht anspruchsvolle Projekte in die Welt gesetzt hat, will genau das auch politisch. Er sitzt nicht im berühmten Oval Office und sonnt sich darin, der mächtigste Mann der Welt zu sein – wie Obama, der große Zauderer. (Mit d, nicht b)
Trump will etwas erreichen, vieles verändern, für sein Land. Für ihn zählt nicht so sehr, ob er irgendwo eine „große Rede“ gehalten hat – für ihn zählt, dass er Dinge bewegt. Er verlegt tatsächlich die US-Botschaft in Israel nach Jerusalem, und er lässt mit präzisen Operationen feindliche Terroristen ausschalten. Dabei hört er nicht auf Bedenkenträger und die „Eliten“ im „Sumpf“ der Experten und Lobbyisten am Regierungssitz Washington DC. Er folgt seinen in langen Jahren gewachsenen Überzeugungen, mit dem Spürsinn eines umtriebigen Geschäftsmanns und ohne Verständnis für bürokratische Konventionen.
Worte sind nur Schall und Rauch, Taten zählen
Der Geradlinigkeit im Grundsätzlichen entspricht ein absoluter Pragmatismus im Alltag. Seine Kritiker werden nicht müde, auf Widersprüchen herumzureiten. Aber Donald Trump weiß nicht nur instinktiv, dass er keine Schwäche zeigen darf. Er sieht es auch nicht als Fehler, wenn er vor Tagen oder Wochen etwas gesagt hat, was er heute so nicht wiederholen würde. Er sieht, wie sich die Umstände ändern, und er passt sich ihnen an – ohne seine großen Ziele aus den Augen zu verlieren. Sich für Halbsätze oder die Wortwahl vor 14 Tagen zu entschuldigen, kommt ihm schon deshalb nicht in den Sinn, weil seine Gegner auch nicht gerade pingelig mit der Wahrheit umgehen. Und Tatsache ist, dass Trump exakt umsetzt, was er im Wahlkampf versprochen hat. Das ist die entscheidende Art von politischer Ehrlichkeit und Verlässlichkeit.
Der Macher Trump zeigt auch eine ungeheure Energie. Allein die Anzahl und der Umfang seiner öffentlichen Auftritte sind beispiellos. Kaum ein Tag ohne Begegnung mit den Medien, vor dem Einstieg in den Helikopter oder nach dem Verlassen der „Air Force One“ auf irgendeinem Rollfeld. Er hat keine Angst, welche Fragen kommen. Er kommuniziert quasi rund um die Uhr, er macht seine Überlegungen und Vorhaben transparent: ob vor Kameras, oder indem er in laufende TV-Sendungen hineintelefoniert, oder per Internet-Kurznachricht.
Unter Vorgänger Obama waren Pressekonferenzen seltene Hochämter, die Berichterstattung musste unter allen Umständen feinsinnig unter Kontrolle gehalten werden. Für Trump ist der Kontakt mit Medien und Öffentlichkeit zentral. Schließlich ist er als langjähriger Star im Reality-TV mit dem „Apprentice“ (Lehrling/Bewerber) landesweit bekannt geworden, nur deshalb hatte er überhaupt eine Chance. Aber eine erfolgreiche Marke braucht nicht nur Bekanntheit, sondern auch ein Profil.
Und dazu gehört bei Trumps unaufhörlichem Kommunizieren seine Missachtung der „political correctness“. (Die linken „Eliten“ setzen Spielregeln in die Welt, angeblich, um politisch-moralische Fortschritte zu erzielen, in Wirklichkeit aber als Kampfmittel zugunsten linker Deutungshoheit und politisch-kultureller Hegemonie, im Sinne des Marxisten Gramsci. [Sehr bemerkenswerter Hintergrund hier])
Donald Trump benennt Probleme klar und in der Sprache normaler Bürger, wie er sie wahrnimmt. Dass ihm dafür von links Rassismus, Frauen- und Fremdenfeindlichkeit vorgeworfen werden, lässt er an sich abperlen – und seine Basis liebt ihn dafür, weil die Leute es seit Jahren leid sind, von linksradikalen Tugendwächtern Denkverbote und Benimmregeln aufgezwungen zu bekommen. Zumal in Amerika ein ausgeprägtes Bewusstsein von individueller, gottgegebener Freiheit verankert ist, wie es sich auch in der Verfassung spiegelt. (Das werden Linke nie verstehen, denn sie sind süchtig nach Macht und Kontrolle.)
Donald Trumps glasklare Agenda
Dass Donald Trumps es ins Amt geschafft hat, liegt nicht zuletzt daran, dass er ein klares „Narrativ“ angeboten hat – aber nicht im Sinn einer zurechtgezimmerten Legende, sondern als klare Analyse der Situation und klare Ansage, in welche Richtung das Ruder herumgerissen werden muss. Alte Interviews zeigen: diese Überzeugungen sind über viele Jahre in Trumps Kopf gereift. [Playboy 1990] „Orange man bad“ hat eine politische Generallinie quasi im Alleingang entwickelt und im Wahlkampf zur Mobilisierung nutzen können, die er inzwischen als roten Faden einer Präsidentschaft verfolgt hat, die Amerika verändert. Der Außenseiter hat gegen die „Eliten“ gewonnen und sie bloßgestellt, das ist schon unverzeihlich. Und dann hat er auch noch Erfolg, der ihm recht gibt.
Donald Trump ist der Präsident, der sein Land von den verheerenden Folgen einer irregeleiteten Globalisierungspolitik befreit. Er hat zusehen müssen, wie ökonomisches Potenzial verschenkt worden ist, nicht zuletzt an China. Wie sein Land sich hat übervorteilen lassen im internationalen Handel. Wie die eigenen Arbeiter um Lohn und Brot gebracht worden sind und deshalb ihre Lebensperspektive verloren haben. Die reichen Wall-Street-Eliten haben Unmengen Kapital nach China gescheffelt und sich goldene Nasen verdient – und das eigene Land dem verwalteten Niedergang überlassen. Außenpolitisch haben sich die Vereinigten Staaten einerseits in Kriegen verzettelt, die nicht zu gewinnen waren, sich aber andererseits weltweit auf der Nase herumtanzen lassen, ob von verfeindeten Nationen oder sogar von den NATO-Verbündeten.
Zugleich hat man die Grenzen gerade nach Mexico immer poröser werden lassen. Die Linken konnten ihren Internationalismus und ihre vermeintliche Humanität feiern, während die weniger qualifizierten Inländer ihre Arbeit nur noch mies bezahlt bekommen oder ganz an illegale Einwanderer verloren haben. Auf die die „Demokraten“ als sichere zukünftige Wähler hofften.
Die normalen Leute, die Farmer, die Arbeiter
Mit diesen zentralen Botschaften – wirtschaftliche Stärke zurückgewinnen, Amerika weltweit Respekt verschaffen, die Grenzen (nach Mexiko) sichern – war das Versprechen verbunden, die Bürger entschieden vor Verbrechen zu schützen, und eben nicht zuletzt die politische Macht in Washington DC den Lobbyisten zu nehmen und an den Interessen der Bevölkerung auszurichten. Der Milliardär hat sich zum Anwalt der kleinen Leute gemacht, für die sich die „Demokraten“ schon längst kaum mehr interessieren, weil sie in ihrer neomarxistischen Ideologie der „identity politics“ gefangen sind, die Menschen nach ihrer Zugehörigkeit zu Minderheiten einteilt und den Bürgern immer mehr Freiheiten nimmt.
Donald Trumps Antwort: America first. Seine Zielgruppe vor allem: die normalen Leute, die Farmer, die Arbeiter, die im „Hinterland“ lebende Bevölkerung, über deren vermeintliche kulturelle Rückständigkeit die „Eliten“ in New York und Los Angeles nur die Nase rümpfen. Er kämpft für den amerikanischen Traum und die Interessen seines Landes, als Patriot.
Er hat über drei Jahre lang als Präsident 90 Prozent der Massenmedien fanatisch gegen sich gehabt, denen keine Verleumdung zu unehrenhaft war. Dass er immer noch im Amt ist, liegt an seiner gewaltigen Ausdauer und Entschlossenheit, seiner Verbundenheit mit breiten Teilen der Bevölkerung – und an seinen gewaltigen politischen Erfolgen, wirtschafts- und außenpolitisch.
Es ist eine große Leistung, dass er dem kommunistisch-totalitär regierten China den Kampf angesagt hat. Wie gefährlich dieses China ist, zeigt gerade jetzt die Virus-Krise. Das Virus war kein unvermeidliches Naturereignis – es hätte früh gestoppt werden können, wären die Machthaber in Peking nicht vor allem um ihren guten Ruf und Ruhe im Land besorgt gewesen. Trump wird dieses China, das von einer brutalen und korrupten Elite regiert wird, nicht an Amerika vorbeiziehen und weltweite Hegemonie erringen lassen.
Für all das wird er in Deutschland und Europa als übler Populist beschimpft, geradezu, als wäre es schmuddelig und unehrenhaft, die Interessen der eigenen Bevölkerung nicht nur zu vertreten, sondern überhaupt erst einmal wahrzunehmen.
Seine unbestreitbaren Macken, seine Übertreibungen, seine falsche Sonnenbräune, seine Haare, seine hölzerne Gestik: darüber darf sich gern jeder lustig machen. Aber wäre Trumps Ego nicht so groß, hätte er niemals Präsident werden können. Amerika wäre dann weit schlechter dran, und wahrscheinlich die westliche Welt. Amerika ist nicht unser Feind, und Donald Trump schon gar nicht, der es als Enkel deutscher Einwanderer zum mächtigsten Mann der Welt geschafft hat. GET OVER IT. Fangt endlich an, über Inhalte und Strategien zur Bewahrung von Wohlstand und Freiheit zu streiten.
Michael W. Alberts hat langjährige Erfahrung in der Politikberatung und in politischer Kommunikation, auch zugunsten von Funktionsträgern der Liberalen, und betätigt sich nebenberuflich publizistisch.