Im Würgegriff der Demokratie

Der Wahlerfolg der AfD bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg zeigt, was passiert, wenn Volks- und Politikerwille auseinanderklaffen. Die AfD weiterhin zu ignorieren, ist alles andere als demokratisch. Als Demokrat, ein Begriff, mit dem sich eine Vielzahl von Politikern und Journalisten schmücken, gehört es sich, sich mit Vertretern abweichender Meinungen an einem Tisch zu setzen und gemeinsam, nicht aneinander vorbei, zu diskutieren. Schließlich kann hinterher noch Jeder seines eigenen Weges gehen, gedanklich den Anderen in Stücke zerschlagen. Zudem bedeutet miteinander reden noch lange nicht miteinander regieren. Ganz davon abgesehen, dass sich hierbei „demokratietheoretisch und demokratiepraktisch ein massives Problem“ darstellt, wie der Politologe Werner Patzelt konstatierte.

Und sogar wenn die AfD mitregieren sollte: Was kann Schlimmes passieren? Um regierungsfähig zu sein, muss sich die AfD einer demokratischen „widerspenstigen Zähmung“ unterwerfen, sprich: ihren völkischen, rechtsextremen Flügel bändigen. Andernfalls ist sie – dank der Stärke unseres demokratischen Systems – schneller, als ihr lieb ist weg vom Fenster.

Schlimmstenfalls wären somit drei Szenarien bei einer Regierungsbeteiligung der AfD denkbar. Erstens würde eine Koalition mit der AfD früher oder später auseinandergehen. Die AfD schaffte es nicht, sich als eindeutig bürgerliche Partei zu etablieren. Zweitens, die AfD würde diesen Prozess meistern, aber auf ganzer politischer Linie versagen. Das wäre das Ende vom Anfang der Blauen. Oder drittens, sie würde bürgerlich und sich gleichzeitig politisch behaupten. Das wiederum wäre das Ende der etablierten Parteien.

Deswegen sperren sich auch so viele gegen Sondierungsgespräche mit der AfD. Die "Neue“ auf dem politischen Parkett gefährdet den Status quo, repräsentiert zu viele offene Variablen. Was gestern als gesichert galt, kann morgen zerfallen. Weder Christdemokraten noch Sozialdemokraten oder Grüne und Linke wissen, welche Machtverluste in ihren Reihen zu verzeichnen sind. Das Nazi-Argument dient nur als Ablenkungsmanöver – obschon auch Nazis und Rechtsextreme einen Teil der AfD ausmachen, aber eben nur einen Teil. Ein Großteil von ihnen sind Protestwähler.

Das zeigt: Das politische Establishment erntet nun die Früchte, die sie mitgesät hat. Was ein Großteil der Bevölkerung schon seit Jahren durch prekäre Arbeitsverhältnisse spürt, erreicht nun die politischen Reihen. Die politische Bühne wird dynamischer. Passé sind die Zeiten sicherer Bundestagsmandate und fester Koalitionspartner. Stattdessen werden die Karten jedes Mal neu gemischt, es wird auf gemeinsame inhaltliche Überschneidungen und nicht auf Ideologien oder gar auf Sympathien geschaut.

Was somit für die Abgeordneten, karrieretechnisch gesehen, keine guten Zeiten sind, stellt für die Demokratie eine unabwendbare Notwendigkeit dar – um weiterhin demokratisch zu bleiben. Hierzu gehört es auch, die AfD als Teil dieser demokratischen Gesellschaft zu begreifen, das Kreuz bei den Blauen nicht als Hakenkreuz zu verstehen und endlich mit den politischen Outlaws zu reden. Alles andere wäre unvernünftig, weil undemokratisch.

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Eberhard Firnhaber / 04.09.2019

Höcke mag auf den einen oder anderen Wähler polarisierend wirken. Das ändert aber nichts an der Tatsache,dass die etablierten Parteien nach dem Wahlergebnis letzten Sonntag weiterhin nur mit moralischen Schnappatmungen aufwarten konnten und keine Lösungen an-bieten konnten oder wollten. Die AfD ist nun mal in der Mitte der bürgerlichen Gesellschaft angekommen und ist längst keine reine Protestbewegung mehr.Wer sich mit der AfD nicht argumentativ auseinandersetzt, wird sein blaues Wunder erleben und irgendwann landet sie auf dem ersten Platz, was dieses mal durch taktisches Stimmverhalten noch verhindert wurde. Zu einer Pole-Position fehlte nicht sehr viel!!

Hermann Neuburg / 04.09.2019

Es ist wie damals 1980 mit den Grünen und der SPD - schon in den 1980er Jahren war meine Einschätzung: entweder die SPD gewinnt die Wähler zurück oder sie gewinnt die Partei als Koalitionspartner, um Mehrheiten, in Hamburg vormals absolute für die SPD, zu bilden. Dasselbe passiert nun mit der CDU.  Die Wähler zurückgewinnen, ist wie das Beispiel SPD und Grüne zeigt, fast unmöglich. Denn dazu müsste die CDU programmatisch sich ändern, denn, der Begriff “Protestwähler” klingt abschätzig. Die Protestwähler sind aber Wähler, die einen Politikwechsel wollen. Und sie würden die AfD nicht wählen, wenn nicht Teile von dieser gewünschten Programmatik in den Programmen der AfD stecken würden. Und was die Autorin nicht erwähnt und vielleicht sehr entscheidend ist für den Erfolg der AfD: sie sagt als einzige Partei, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört.  Und der Islam ist nun alles, aber bestimmt nicht bürgerlich und auch nicht demokratisch. Also ist die CDU bürgerlich, wenn sie sagt, dass der Islam (und damit die Scharia) zu Deutschland gehört? Wo in der Geschichte wurde durch eine islamische Gesellschaft je eine Bürgerrepublik gegründet, wie in Athen, Rom, den USA oder all den anderen Stadtrepubliken, wie auch Hamburg - und das schon vor vielen Jahrhunderten, noch vor der Aufklärung? Nein, bürgerliche Parteien dürfen nicht behaupten,  dass der Islam zu unserer Gesellschaft gehört, denn ist der Islam erst einmal in der Mehrheit, schwindet die bürgerliche, auf Säkularität und der Trennung von Staat und Religion basierende Gesellschaft.  Also: viele wählen nicht aus Protest, sondern die AfD weil sie andere Politik machen will.

Martin Müller / 04.09.2019

Ich denke nicht, dass die aller meisten AfD-Wähler Protestwähler sind. Ich denke, die aller meisten AfD-Wähler wählen die Partei aus Überzeugung. Und diese Wähler sind nicht so leicht zurückzubekommen. Mit jeder Wahl, die die AfD im politisch demokratischen Spektrum etabliert, verfestigt sich auch ihrer Wählerschaft. Und vor allem hängt für das politische Establishment fast alles von einer guten Konjunktur ab, weil mal die Kernprobleme der Zeit offen hat wie eine Wunde: Energiewende, marode Infrastruktur, unkontrollierte Zuwanderung, innere Sicherheit, Euro-Problem, Bildungspolitik, Steuern und Abgaben exorbitant hoch, Sozialausgaben schießen durch die Decke…. Also bleibt nur, das Klima zum größten Problem zu machen, von Weltrettung zu schwadronieren und zu hoffen, dass der Bürger mitmacht beim Klimahype… Ich denke, die AfD hat noch viel Potenzial nach oben. Und die AfD sollte sich nicht in irgendeiner Regierung politisch aufweichen lassen. Die Demokratie wird vom politischen, medialen, wirtschaftlichen und intellektuellen Establishment dominiert, unterstützt durch viele NGOs. Diese Festung gilt es zu nehmen für die AfD, um die deutsche Demokratie wieder ins Lot zu bringen. Es gibt in einer Demokratie keine privilegierte Meinung, auch keinen privilegierte politische Richtung.

Detlef Fiedler / 04.09.2019

Hallo Frau Stein. Ihre Feststellung “... es wird auf gemeinsame inhaltliche Überschneidungen und nicht auf Ideologien oder gar auf Sympathien geschaut” war ein Spass, oder? Denn genau dieses ist hier überhaupt garnicht festzustellen. Angesichts der Tatsache, dass die schöne Luft in Brandenburg und Sachsen mittlerweile arg nach Schwefel riecht, sind die Parteien, welche schon länger hier sind, wohl etwas dünnhäutig geworden. Die sehen da offenbar ihr eigenes erbärmliches Versagen durchschimmern, so dass sie sich nun krampfhaft in eine Nationale Front zu retten versuchen. Aber genau das wird die Etablierten künftig noch weiter schwächen. Was wird der Schwarz-Wähler wohl denken, wenn man ihm nun nach der Wahl plötzlich rote und grüne Farbe in seinen schwarzen Kaffee schüttet? Ich muss Ihnen entgegenhalten, werte Frau Stein, dass Sie offenbar keinerlei blassen Schimmer davon haben was ein Nazi oder ein Rechter ist. Das kann ich durchaus aufgrund Ihrer Zuschreibungen zur AfD behaupten, denn ich kannte mal welche. Wirkliche von damals. Wenn Sie diese Erfahrung auch gemacht hätten, dann würden Sie definitiv nicht mit diesen Begriffen bezüglich der AfD um sich werfen. Nicht alle in der AfD gefallen mir, müssen sie auch nicht, aber Nazis sind das keine. Und das mit den Sachsen und Brandenburgern als reinen Protestwähler, dass können Sie gleich vergessen. Hier stimmt Ihr Bild von den Leuten offenbar auch nicht.

Rainer Niersberger / 04.09.2019

Es wurde bereits angemerkt : Rechts heißt nicht ! Rechtsextrem und Rechtsextrem heißt nicht Nazi. Man sollte sich dringend angewöhnen, etwas präziser zu werden und zumindest die Elle anzulegen, die für die Linken oder Linksextremen, die immerhin erwiesenen Marxisten/ Leninisten,  gilt. Das sind übrigens Diejenigen, die hochoffiziell diese verfassungsmäßige Ordnung abschaffen wollen, also exakt die Verfassungsfeinde, als die sie andere aus taktischen Gründen darstellen. Das sind die Erben der Kriminellen bei den Grünen und Linken und das sind die , die „ Deutschland verrecke“ schreien. Mir bleibt ein Rätsel, dass diese bereits praktizierte totale !Systemänderung fast ohne jede ( kritische )Anmerkung durchläuft, während permanent ohne jede Differenzierung nach Rechts, was immer das auch sein soll, gekeilt wird. Falls jemand hierzulande rechte Parteien sehen möchte, kann er gerne mal in das europäische Ausland blicken, wobei diese Parteien dort nicht einmal als Nazis wahrgenommen werden. Was vermutlich an einer demokratischen Reife und an einem fast gemeinsamen Interesse aller Parteien am Erhalt! von Nation und Gesellschaft liegt, genauer am Festhalten einer bestimmten Identität. Man kann das als „ völkisch“ bezeichnen, wenn man Multikulti oder multiethnie ablehnt oder zu Recht als großes Problem sieht, vor allem, wenn der Islam hier „ mitspielen“ soll. Der spielt nämlich nicht mit, der unterwirft. Andere haben es begriffen, zuviele hier offensichtlich nicht.  Die Gefahr für Alles, was politisch/ kulturell wichtig ist, kommt von links, nicht von rechts.

Hannes Schmidt / 04.09.2019

Ein Punkt fehlt leider: Warum zwischen 12% und 25% der Wahlberechtigten die zur Wahl gehen AfD wählen. Also das die etablierten Parteien anerkennen, das die Themen: - die sie selbst gerne begraben würden, (Flüchtlingskriese 2015 ffff und Migration mit ihren Folgen, EU-Politik und die Folgen,....) - in denen sie nur ihren Lösungsweg als mit GG und Menschenrechten vereinbar sehen, (dabei gibt es selbst (ehem.) Stimmen beim Bundesverfassungsgericht und beim Gerichtshof für Menschenrechte, die auch anderen Lösungen zulassen würden (wie zB. bei der “Kopftuchdebatte”) - und jede abweichende Meinung als “rechts” definieren, (eher um die Deutungshoheit zu behalten) von einem nicht unerheblichen Teil der Wahlberechtigten anders gesehen werden (die Dunkelziffer dieser Andersdenkenden dürfte sogar erheblich höher sein als die Wahlergebnisse der AfD) und die AfD durch Bedienung dieser Themen erst Erfolge erzielen konnte. Anders ausgedrückt: Der Erfolg AfD ist der Erfolg des Verschweigens und Negierens von Sorgen, Nöten und Problemen eines (nicht unerheblichen) Teil der Bevölkerung durch die etablierten Parteien (und Leitmedien) und hat weniger mit der Partei selbst tun (Sorry, aber so viel Ehrlichkeit muss sein). Eigentlich hat Frau Handrick (SPD) mit (Zitat): “Ich finde es auch nicht richtig, dass man da immer die Sorgen und Nöte der Bevölkerung ernst nehmen muss. Was haben die denn für Sorgen und Nöte? […] Ich versteh‘ das nicht, ich kann das nicht verstehen.” genau auf den Punkt gebracht, worauf der Wahlerfolg der AfD beruht. Im Ignorieren der Sorgen, Nöte, Probleme aber auch Wünsche eines nicht unerheblichen Teils der Bevölkerung/Wähler. Wenn also die etablierten Parteien die AfD wieder verdrängen wollten, müssen diese sich mit den Themen der AfD beschäftigen und (!) bei diesen Themen die Sicht der Bürger auf diese Themen mit berücksichtigen (was aber nicht passiert (kostet am anderen Ende des Wählerspektrums jaWähler. xD) und somit wird die AfD nur weiter gestärkt).

Bernhard Freiling / 04.09.2019

Vieles richtig, Frau Stein. Insbesondere die Angst der “Etablierten”, durch eine Regierungsbeteiligung der AfD könnten “pro Deutschland”-Entscheidungen und “Volkes Nerv” getroffen werden. Aber bitte: verfallen Sie doch nicht auch dem Narrativ der “vielen Nazis” in Deutschland. /// Bis 2013 war Deutschland annähernd “nazifrei. Und heute sollen hier schon wieder um die 20% rumlaufen? Durch das Auftauchen der AfD hat sich doch die Anzahl dieser “verirrten Seelen” nicht verändert. An der AfD kann ich nicht viel Nazi entdecken. Auch Höcke mag ja ein strammer “Deutschnationaler” sein - aber weit entfernt von dem, was man unter “Nazi” verstehen sollte. /// Klar hat auch die AfD 1, vielleicht auch 5% grenzwertige Mitglieder. So wie die SPD, die Grünen und die Linken 1 bis 5% (eher mehr) stramme Kommunisten in ihren Reihen haben. Die stören dort nicht großartig, warum sollten die Ultrarechten bei der AfD stören? /// Ziemlich sicher droht dieser Republik keine Gefahr von Rechts. Auch dann nicht, wenn die AfD in die Regierungsarbeit eingebunden werden sollte. Allenfalls steht m.E. die Bedrohung links. Wenn in diesem Land öffentlich und unwidersprochen von “Miethaien und -Spekulanten” die Rede sein kann, denen man einen Deckel verpassen muß, wenn Politiker sich offen zur Verstaatlichung von Industrieunternehmen aussprechen können ohne daß die Medien auf die Barrikaden gehen, wenn der Sozialstaat Deutschland auf alle Unterprivilegierten dieser Erde ausgedehnt wird, dann bekomme ich es mit der Angst zu tun. Doch nicht wegen einigen ,“armen Irren”,  die den Arm zu Gruß heben und “Sieg heil” schreien.

seibert johann / 04.09.2019

Hallo Frau Stein, Sie behaupten, unbewiesen, wie auch die etablierten Parteien, ein Teil der AFD wäre rechtsextrem bzw. Nazis. Könnten Sie das bitte auch belegen, um wen es sich hierbei handelt (Namen und Quelle)? Ansonsten müßte ich Ihren Artikel als diffamierend für alle AFDler und -Wähler betrachten. Damit würen Sie sich nahtlos in MSM und ÖRR einfügen. Also - Butter bei die Fische.

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