Archi W. Bechlenberg / 29.11.2020 / 14:00 / Foto: Pixabay / 15 / Seite ausdrucken

Im Stahlgetwitter

Während ich bis vor einem Jahr bei Facebook aktiv war (sofern nicht gerade eine Sperre vorlag), habe ich mich von Twitter immer ferngehalten. „Twittern“, das bedeutete für mich: In aller Öffentlichkeit einen mehr oder weniger kleinen Haufen fallen lassen, und sogleich stürzen sich die Schmeißfliegen darauf. Es mag Meister der ganz kleinen Form geben – ich zählte mich nicht dazu.

Auch andere soziale Medien existieren abseits meiner Aufmerksamkeit, von manchen kenne ich gerade mal die Namen, habe aber keine Ahnung, was es damit auf sich hat. Instagram, Tiktok, Pinterest – keine Ahnung. Selbst den Namen eines ganz neuen Mediums, laut Zeitungsmeldung ein Instagram Clone mit Möpsen und Mumus, habe ich mir nicht gemerkt, obwohl das ganz interessant klang. Wenn man aber nicht mal weiß, was Instagram ist, kann man mit einem Clone erst recht nichts anfangen.

Also kein Twitter. Dachte ich. Um so erschrockener war ich, als ich vor kurzem ein älteres Tablet in die Hand nahm und einschaltete. Ausgemustert hatte ich es nicht, weil es defekt gewesen wäre; mit 7“ Displaygröße wurde es mir aber zu klein. Die vielen High Heels- und Unterwäsche-Hauls auf Youtube, bevorzugt von Transfrauen präsentiert, verlangten nach mehr Pixeln hoch und breit, also musste es ein Tablet mit 10“ sein (dass sich inzwischen ganz normale Mobiltelefone einer Bildschirmdiagonale von 7“ nähern, dürfte nicht von ungefähr kommen).

Aus Neugier, Nostalgie, Nikotinentzug oder Notzeit machte ich also das kleine Tablet Bj. 2014 an. Es passierte nichts, der Akku hatte sich entladen, aber da es sich um ein einst teures Markengerät der Firma Nichtvonapple handelte, ließ er sich mühelos aufladen. Versonnen sah ich ihm beim Aufflackern zu. Android 4.2, gerootet, glasklares Bild – nur eben etwas klein. Die Apps darauf fuhren alle noch mit Benzin und produzierten CO2 und Feinstaub, ein paar Spiele, Kindle, eine Art Routenplaner... aber was war das? Twitter? Ich hatte Twitter, womöglich dort einen Account? Grundgütiger.

Reingeschaut, für blöd befunden und wieder zugemacht

App gestartet, tatsächlich! Ich war drin, auch wenn mir der Name, mein Name, nichts sagte. Dann dämmerte es mir. Um die Zeitenwende, also ca. Sommer 2015, hatte ich mich tatsächlich dort einmal unter einem Nom de Guerre angemeldet. Dann reingeschaut, für blöd befunden und wieder zugemacht und vergessen. Die App war jedoch erhalten geblieben. Und Twitter hatte mir offenbar auch nach Jahren nicht das Konto zugemacht. NICHTaktivität scheint kein Grund zur Kündigung zu sein, nur Aktivität.

Ich besaß genau einen Kontakt, dem ich folgte und der mir folgte. Ein uralter Bekannter aus lange vergangenen Zeiten; ein eigentlich ganz okayer Mensch, wenn auch aus dem Agentur- und Medienmilieu. Um meinen unerwartet wiederentdeckten Account aufzuwerten (ja, ich war neugierig!) erweiterte ich die Zahl der Twitterer, denen ich folgte, rasch um drei Dutzend Namen. Kollegen bei der Achse, Nichtkollegen bei anderen Medien und Sawsan Chebli. Ob sie wirklich so ein Zeug ablaichte, wie man immer erzählt? Ich wollte es wissen.

Ein paar Tage lang schaute ich täglich rein. Die Kollegen und Freunde posteten langweiligen Kram, zu Trump, zu Biden, zum Islam, zu Sperrungen bei Twitter. Das Übliche eben, das man anderswo fundierter formuliert lesen kann. Chebli hingegen war ein echtes Highlight, und da sie sich geradezu besessen einen zwitschert, hatte mein Ausflug zu Twitter durchaus eine unterhaltsame Komponente aufzubieten. Ich beschloss, den Account erst einmal mitzuschleppen, und ich teilte das eine und andere, ohne Kommentar.

Bis ich mich dann traute, selber etwas zu schreiben. Im Grunde hätte ich meine Worte auch nur denken müssen, lesen würde es eh so gut wie niemand können, weil ich ja nur einen Verfolger hatte.

Ein paar mahnende Worte

Es ging in meinem Tweet um die zukünftige US-Präsidentin Harris. Was in Schwefel-Blogs schon länger zu lesen war, hatte nun auch in einer links unterwanderten Tageszeitung mit stetig sinkenden Verkaufszahlen gestanden: dass man sich über Harris, sobald Biden ein Ex-Parrot sei, noch wundern werde, mit ihr und ihrer Entourage bekäme der Sozialismus, wenn nicht der Kommunismus, einen einflussreichen Fuß in die Türe zum Oval Office. Angesichts der allenthalben herrschenden Euphorie über Trumps tatsächliche oder vermeintliche Niederlage verlinkte ich den Artikel und schrieb ein paar mahnende Worte dazu. Anders gesagt: ich wollte auch mal ein Häuflein legen.

Als hätte John Cleese etwas zum Thema Transrapide Geschlechtsumwandlung getwittert: Ich bekam ruck zuck die Quittung. Mein einer Follower aus uralten Zeiten gab Kontra. Wie ich denn zu der pathologisch-paranoiden Ansicht über Harris käme. Ich twitterte zurück, ich sei erstaunt, dass er auf seine alten Tage noch ein Medizinstudium mit anschließender Facharztausbildung zum Psychiater absolviert habe, um derartige, fundierte Ferndiagnosen stellen zu können. Worauf er antwortete, dazu sei kein Studium nötig, um mir pathologische Paranoia bescheinigen zu können.

„Das ist also das berühmte Twitter“, dachte ich mir und ließ es erst einmal gut sein. Klar, in dem Milieu, in dem sich der alte Bekannte bewegt, denkt man somuss man denken, um dabei sein zu können. Dabei war er es, von dem ich vor vielen Jahren zum ersten Mal das gar nicht schöne Wort „Ölauge“ hörte. 

Ich weiß ja nicht, wie Twitter wirklich funktioniert – jedenfalls war dadurch, dass der einzige Follower, den ich hatte, mir antwortete, mein Harris-Tweet (kleines Wortspiel für Modebewusste) von einer Kohorte Gutmännchen und -fräuchen bemerkt worden, und schon gab es einen Miniatur-Shitstorm, Beleidigungen, Schmähungen und die üblichen linken Köttel enthaltend. Ich fragte freundlich zurück, ob es auch etwas argumentativer ginge, Antworten kamen darauf in Form von weiteren Beleidigungen, Schmähungen und den üblichen linken Kötteln. Auch wurde ich ungefragt einer Gruppe mit dem Namen „Schwurbler“ hinzugefügt. Bis auf einen oder zwei der Randalierer hatten mich alle anderen inzwischen blockiert, an einem Austausch von Argumenten bestand demnach kein Interesse. Ich war kuriert; meine Meinung zu Twitter hatte sich voll bestätigt. Vorurteile sind allzu oft gelebte Erfahrung. 

Nach so viel Kulturlosigkeit

In einer privaten Nachricht an meinen einen Follower schlug ich ihm vor, unseren Kontakt zu beenden; wer solche Freunde wie er habe, sei in meinem Dunstkreis eher deplatziert. Er antwortete knapp, er würde die alle nicht kennen. Ich dachte mir meinen Teil („Aha!“) und beendete Twitter-Experiment und Kontakt. Auch wenn ich dadurch zukünftig auf Sawsan Cheblis Beiträge verzichten muss. Denn die waren wirklich goldig. Und jetzt suche ich mal den Artikel über den Instagram-Clone...

Nach so viel Kulturlosigkeit noch mein Kulturtipp zum Sonntag: Vor fast 50 Jahren, als ich noch einen Fernsehempfänger besaß und diesen auch einschaltete, gab es eine Fernsehserie, die in aller Betulichkeit eine durch und durch subversive Geschichte erzählte. Die Verfilmung basiert auf dem Roman „Die Powenzbande“ von Ernst Penzoldt. Wer das Buch, vielleicht auch die TV Serie kennt, wird sich an beides gerne erinnern (so wie ich), und wer seine Erinnerung auffrischen möchte, findet alle fünf Folgen bei Youtube

Und noch something completely different: Monika Hausammann aka Frank Jordan, die Autorin des hier vor ein paar Tagen vorgestellten Thrillers ARES, kann man bei Youtube in einem Gespräch mit Enno Samp für eigentümlich frei TV hören und sehen.

Foto: Pixabay

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Wolf Hagen / 29.11.2020

“In Stahlgewittern”, sehr treffend, wenn Ihr Titel, Herr Bechlenberg, eine kleine Hommage an Ernst Jünger seien sollte. Ich habe dieses Buch sehr genossen, als ich es vor einigen Jahren las. Einfach rein objektiv beschrieben, was damals passierte. Noch heute regen sich Linke und Schneeflöckchen fürchterlich auf, wenn man das Buch lobt und/oder verteidigt. Zum Thema Twitter, das ist genau, wie auch Facebook ein Hort der Dummheit und Meinungsunfreiheit. Schade, dass es kein eher konservatives Gegenstück zu alldem gibt. Aber als liberal-konservativer Mensch muss man sich mittlerweile wohl an die Einsamkeit gewöhnen und das Alleinsein lieben. Zum Glück bin ich mir selbst oft genug und brauche all die Irren, die Weltenretter, Gutmenschen und ungebildeten Vollidioten nicht in meiner Nähe. Ich bin lieber ein einsamer, bösartiger, alter Wolf, als ein hipper Schwachkopf mit tausend Followern und sogenannten Freunden.

Frances Johnson / 29.11.2020

Lieber AWB, das war sehr erhellend und nebenbei aüsant zu lesen, obgleich es an sich traurig ist. Vielleicht bekommen Sie ja noch raus, ob solche Shitstorms Schüler sind, Professionelle oder Bots. Wie Sie an dem Ausdruck Ölauge sehen, gibt es Trumphasser in allen Ecken. Sie glauben an Diversität vor allem, weswegen Harris lupenrein sein muss, und meistens auch an Coronitis, eine Unterform von Enzephalitis. Mit den Mörtels, meistens bissige Rauhhaardackel, also effektiv Wadenbeißer, gern auch auf (Wunsch-)Elitäre spezialisiert, kennen sie sich nicht so aus.

Krug-Fischer, Bernhard / 29.11.2020

Lieber Herr Bechlenberg, ich habe weder Twitter noch Facebook, da diese Medien richtige „Zeitfresser“ sind, und ich vermisse die auch nicht. Sie schreiben: „Auch wenn ich dadurch zukünftig auf Sawsan Cheblis Beiträge verzichten muss.“ Da kann ich vielleicht ein wenig Hoffnung verbreiten. Andere Blogs nehmen das „getwitter“ der Dame gerne auf und da kann man lesen, was die Dame so von sich gibt. Heute zum Beispiel auf Jouwatch: „Ein Doppelpunkt und eine Klammer: Diese Sprache versteht auch Chebli“. Und es hat noch einen Vorteil, dass Sie nicht mehr bei Twitter sind und auf Sawsan Cheblis Beiträge verzichten. Hier besteht nämlich keine Gefahr mehr, dass Sie mal auf einen Tweet von ihr antworten und dann verklagt werden, weil die Antwort nicht passt.

Uta Buhr / 29.11.2020

Lieber Herr Bechlenberg, Ihre Beiträge sind stets niveauvoll und witzig. Sie machen einfach gute Laune. Dass Sie sich einmal auf Twitter eingelassen haben,  beweist, dass Ihre Schmerzgrenze sehr hoch angesiedelt sein muss. Allein die Tatsache, dass Sie das dümmliche Gezwitscher von Sawan S. ertragen… Eigentlich müssten die gefiederten Freunde, die sich gern auf der Brüstung meines Balkons niederlassen und mir morgens eins zwitschern, beleidigt sein, dass man ihren Gesang aus zarten Kehlen mit dem sinnlosen Geschwätz mancher Vollpfosten auf eine Stufe stellt. Deshalb habe ich tabula rasa gemacht und mich rigoros von diesem Blog getrennt. Facebook ist ebenfalls schwer zu ertragen. Ich bekomme jeden Tag mehrere Freundschaftsanfragen von Leuten, die ich nicht kenne und auch nicht kennenlernen möchte. Hat man einmal Ja zu so einem Angebot gesagt, wird man stündlich mit unerträglichem Gelaber und noch unerträglicheren Fotos belästigt. Ein Jahrmarkt der Eitelkeit, der jedoch noch von Instagram übertroffen wird. Wer braucht diesen Schrott, mit dem sich manche Leute offenbar 24 Stunden am Tag beschäftigen? Man stelle sich vor, der Strom fällt für eine Weile aus und diese Twitterer, Facebooker.  Intagrammer et alii dementi können ihren gesammelten Schwachsinn nirgendwohin posten. Das führt bei denen mit Sicherheit zu lebensgefährlichen Entzugserscheinungen. Sei’s drum, mein Mitleid hält sich in sehr engen Grenzen. Guten Abend.

Belo Zibé / 29.11.2020

Nee, Twitter tue ich mir nicht an, aber ich habe ein akustisches Antidepressivum gefunden,  welches tatsächlich und wenn nicht möglich imaginär abläuft, wenn mir Roth, KGE , Chebli und sonstige queerfinanzierte Gestalten im www begegnen : “Your Mama’s Got a Complex” von Dr. Lonnie Smith(YouTube) . Aufhellender Spott in besten Groove gegossen.

Manni Meier / 29.11.2020

Twitter!? Mensch, Bechlenberg, mach kein Schei*!

Tobias Kramer / 29.11.2020

Ich freue mich nur darauf, wenn Donald Trump, sollte er Präsident bleiben, Twitter gewaltig den Arsch aufreißt. So wie die mit ihm umgehen und seine Tweets alle markieren oder gar löschen, wird er sich das nicht länger gefallen lassen. Und danach gehts Facebook und Google an den Kragen, die ihm genauso undemokratisch und selbstherrlich bis heute ans Bein pinkeln.

Detlef Rogge / 29.11.2020

Facebook, Twitter und sonstiges in der Preislage sind Habitate des Pöbels.

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