Cora Stephan / 29.06.2009 / 15:12 / 0 / Seite ausdrucken

Im Krieg?

„Drei Soldaten sind in Afghanistan im Einsatz für den Frieden gefallen.“ In diese Worte faßte Verteidigungsminister Jung den Tod dreier Bundeswehrsoldaten bei Kundus, die während eines Gefechts einem Unfall zum Opfer fielen.
Lassen wir einmal beiseite, welche Gefühle eine solche Botschaft auszulösen in der Lage ist. Immerhin sind in Afghanistan mittlerweile 35 Bundeswehrsoldaten ums Leben gekommen, 18 infolge feindlicher Einwirkung, wie es im militärischen Sprachgebrauch heißt.
Denn des Verteidigungsministers Wortwahl transportiert zugleich zwei weitere wichtige Botschaften. Jung spricht zwar von „Gefallenen“, aber nicht von Krieg.

„Drei Soldaten sind in Afghanistan im Einsatz für den Frieden gefallen.“ In diese Worte faßte Verteidigungsminister Jung den Tod dreier Bundeswehrsoldaten bei Kundus, die während eines Gefechts einem Unfall zum Opfer fielen.
Lassen wir einmal beiseite, welche Gefühle eine solche Botschaft auszulösen in der Lage ist. Immerhin sind in Afghanistan mittlerweile 35 Bundeswehrsoldaten ums Leben gekommen, 18 infolge feindlicher Einwirkung, wie es im militärischen Sprachgebrauch heißt.
Denn des Verteidigungsministers Wortwahl transportiert zugleich zwei weitere wichtige Botschaften. Jung spricht zwar von „Gefallenen“, aber nicht von Krieg.
Man könnte das für einen Widerspruch halten: der Minister benutzt ein Reizwort und vermeidet ein anderes. Bis zum Oktober 2008 sprach man nämlich in der Bundesrepublik Deutschland nicht von „Gefallenen“, wenn es um tote Soldaten ging. Der zivilen Bundesrepublik, allem Militärischen abhold, schmeckten solche Vokabeln nicht, die soldatisch klingen und etwas Weihevolles haben. Sie unterstellen, daß der Soldatentod etwas besonderes sei.
Aber genau das ist er auch. Ein Soldat stirbt nicht im Kampfeinsatz, er hat sich vielmehr geopfert für eine Angelegenheit, die Staat und Gesellschaft für so wichtig halten, daß sie dieses Opfer erwarten, billigen, und, vor allem, respektieren.
Er fiel fürs Vaterland, sagte man früher, was uns erst recht nicht behagt, aber wenigstens war damit etwas Konkretes gemeint: der Soldat opfert sich für die Gesellschaft, die ihn entsendet und deren Interessen er vertritt.
Die Interessen und Zwecke, für die einem „Bürger in Uniform“ eine solche Opferbereitschaft zugemutet wird, müssen gerade in einer Demokratie so unanfechtbar wie möglich formuliert sein. Zudem ist keinem Wehrpflichtigen zuzumuten, sein Leben für ein Ziel zu riskieren, hinter dem die Gesellschaft nicht mehrheitlich steht. Und schon in der griechischen Polis war nichts wichtiger, als daß der Tod eines Bürgersoldaten Respekt auslöst: unvorstellbar, daß man in der Schlacht Gefallene namenlos und ohne Ehrung verscharrte.
Sicher, wer „Deutsche Soldaten raus aus Afghanistan“ fordert, muß sich keine Gedanken über Ehre und Respekt machen. Die anderen schon, die in „wahrnehmungsfreier Zone“ das Problem am liebsten peinlich berührt ignorieren und im übrigen nicht recht einzusehen vermögen, daß auch ihre Angelegenheiten am Hindukusch verteidigt werden.
Und das ist in der Tat das nächste Problem. Im „Einsatz für den Frieden“ seien die Soldaten gefallen, erklärt der Verteidigungsminister. Nicht nur uns Zivilbürgern kommt diese Formulierung paradox vor. Auch die Soldaten empfinden sich in Afghanistan im Krieg. Sie dürften wenig Verständnis haben für den semantischen Eiertanz um die korrekte Benennung dessen, was dort und mit ihnen geschieht.
Da kommt Ex-Verteidigungsminister Peter Struck von der SPD gerade recht, der männlich-kernig von der Kanzlerin fordert, die Dinge beim Namen zu nennen: es ist Krieg in Afghanistan, das könne man doch endlich auch mal zugeben.
Kann man das? Sicher, es ist Wahlkampf, da möchte keine Partei als Kriegspartei auftreten, allein das würde das Zögern der Kanzlerin erklären, etwas Krieg zu nennen, was doch exakt so aussieht. Und insofern hätte Peter Struck als geschickter Wahlkämpfer Salz in die Wunde gestreut. Tatsächlich ist die Kanzlerin im Dilemma. Die Deutschen mögen das K-Wort nicht. Aber sollen sie sich mit der Formulierung abfinden, am Hindukusch werde „im Einsatz für den Frieden“ gestorben?
Auch wenn wir das Wort „Vaterland“ hierzulande nur schwer über die Lippen bringen: die Verteidigung des Vaterlandes ist ein klarer und eingrenzbarer Zweck. Ein „Kampf für den Frieden“, also für einen universalen Wert, ist es nicht, auch wenn uns das erheblich edler vorkommen mag. Das Völkerrecht gebietet mit gutem Grund die enge Anbindung der Kriegszwecke an die berechtigen Interessen der kriegführenden Parteien (und nicht nur aus diesem Grund ist das, was in Afghanistan geschieht, kein Krieg).
Im Namen des Friedens aber läßt sich trefflich kämpfen, das wissen übrigens Diktatoren besonders gut, die sich ansonsten schwertun würden, ihre Expansionsgelüste mit legitimen nationalen Interessen zu begründen. Und einem Kampf für den Frieden ist ebenso schwer zu widersprechen wie dem Argument, man ziehe im Kosovo „gegen Auschwitz“ in den Krieg, mit dem einst die rotgrüne Regierung militärisches Eingreifen begründete.
Das Dilemma ist mit markigen Sprüchen nicht zu beheben. Der grüne Abgeordnete Nachtwei weiß, warum: „Es gibt kein passendes Wort für die Situation in Afghanistan“. Für den Schutz der dort eingesetzten Soldaten ist das keine beruhigende Botschaft.

Die Meinung, NDR-Info, 28. 6. 2009

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