Roger Letsch / 18.05.2019 / 06:20 / Foto: Fabian Nicolay / 46 / Seite ausdrucken

Im Klima-Erziehungsheim

„Du fährst nach Bremerhaven? Dann musst Du unbedingt das „Klimahaus“ besuchen! Unglaublich, was die da auf die Beine gestellt haben!“ Solches Lob habe ich immer wieder gehört, und da es mich nicht so oft an diesen Küstenabschnitt verschlägt, wollte ich die Gelegenheit unbedingt nutzen. Der Mai schickt kaltes Wetter, was läge also näher, als sich im Klimahaus darüber zu informieren, was es denn so mit dem Klima auf sich hat. Vielmehr mit dem Konzept des Hauses, entlang des 8. Längengrades einmal rund um die Erde zu reisen. Dass man dazu einem Peter Lustig, der hier Axel Werner heißt, einen Aluminiumkoffer in die Hand drückt und als eine Art „roten Faden“ durch die Stationen laufen lässt, zeigt die eigentliche pädagogische Zielgruppe des gesamten Konzepts: Kinder im freitags nicht schulpflichtigen Alter und Erwachsene, die sich wie solche aufführen. Die 17 Euro Eintritt kann man sicher von der CO2-Steuer absetzen.

Dabei ist die Idee gar nicht so übel, gerade wenn man an die „Pädagogik der Erfahrung“ glaubt und dem ergoogelten Wissen der Generation Smartphone etwas entgegensetzen will. Denn was man da in Bremerhaven an den Strand geklotzt hat, ist eine überdimensionale, begehbare Wikipedia, die den Besuchern im Stil Willy Wonkas Schokoladenfabrik Wetter präsentiert und dabei über den Klimawandel phantasiert. Überwältigungstheater in ausgeklügelten Kulissen, wo Inhalte kleingedruckt, aber Gefühle großgeschrieben werden. Das gefühlige Klischee des „Wir-sind-an-allem-schuld“ ist der nächste Faden, der sich durch das ganze Haus zieht. Und wo die Ausstellung mit ihren Interaktionen, Multimediaschnipseln, der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit noch Zweifel am Zweck der Simulation zulässt, erzählen bestens aufgelegte Haus-Gretas den Besuchergruppen, wie bedroht die Welt ist und wie hilf- und schuldlos die Bewohner Nigers, Kameruns, Samoas oder Alaskas dem bösen menschengemachten Klimawandel ausgesetzt sind.

Da in der Schweiz-Simulation das Geläut der Kuhglocken nicht enden will, kann man sich bereits denken, dass auch in Sardinien, Mali oder Kamerun mit Klischees nicht gespart wird. Überall begegnet der Besucher unschuldigen indigenen Völkchen, denen westliche Klimazerstörer mutwillig die Lebensgrundlage zertrampeln. Überall rasante Änderungen, für die man jemanden verantwortlich machen muss. Die Ressourcen werden knapper, besonders Wasser? Das kann nicht an der Bevölkerungsexplosion in Afrika liegen! Die Wüste breitet sich immer weiter aus? Gebt bloß der Überweidung oder dem sinkenden Grundwasserspiegel wegen Raubbaus an den Wasservorräten keine Schuld! Das alles ist der Klimawandel! Er muss es einfach gewesen sein. O-Ton von der Webseite„Die Mahnung, die in der Gesamtinszenierung steckt, ist nicht zu übersehen.“ In der Tat, das ist fast unmöglich. Und während die Macher des Klimahauses versuchen, durch die Simulation von Wärme und Kälte etwas über das Leben in fernen Ländern auszusagen und eine positive Rückkopplung zum Verhalten der kultursensiblen Besucher des Klimahauses herzustellen, vergleichen diese – sofern sie dem Kindesalter entwachsen sind – die multimediale Völkerschau des Gebotenen mit der Realität. Und da steht es nach dem Besuch leider 8:0 für die Realität.

Die erzeugenden Gefühle formatieren

Aber da gibt es ja noch die Kind- und Kevin-gebliebenen, für die Fakten höchstens das sind, was den Gefühlen im Weg steht. Natürlich ist der Regenwald nicht dunkel wie eine Geisterbahn. Natürlich leben nicht nur nomadische Tuareg in Mali, und natürlich leben Kameruner auch in Millionenstädten, kleiden sich westlich und handeln mit Wertpapieren. Fakten sind jedoch nur dann hilfreich, wenn sie helfen, die zu erzeugenden Gefühle zu formatieren. Warum sonst sollte man in eine Ausstellung, die das Klima als Ganzes und Klimazonen im Speziellen zum Gegenstand hat, ein Fass mit radioaktivem Abfall oder ein mit Plastikmüll verseuchtes Meer darstellen, wenn es nicht um die Bestätigung der Schuldfrage ginge?

Hemmungslos werden im gesamten Haus Klima, Wetter, Umweltzerstörung, Unbildung und jede denkbare Art menschlichen Fehlverhaltens zu einem Teig zusammengerührt und auf NGO-Blech schön knusprig zu Klimawandel gebacken. Spätestens wenn ein Klavier inmitten eines Bühnenbildes aus Eiswürfeln steht und auf der Leinwand dahinter ein von Greenpeace präsentiertes Klagelied über die Eisschmelze angestimmt wird, muss ich husten. Zu trocken, dieses ideologische Gebäck. Raus aus dieser ideologischen Halbwüste und ein kühles Getränk suchen.

Nicht ganz. Ein Lob möchte ich den Machern nicht vorenthalten. Denn wenn es auch Wahnsinn ist, so hat es doch Methode und vor allem Stil. Oder, um es mit den Worten von John Hammond aus „Jurassic Park“ zu sagen: „Wir haben keine Kosten gescheut.“ Zwar hat man unter der futuristischen Fassade, die das neue Wahrzeichen der Stadt ist, einen Furz zum Fackelzug aufgeblasen, aber man hat sich große Mühe dabei gegeben, eine Art Tempel des schlechten Gewissens zu entwerfen, in dem geschulte Jünger die ungläubigen Sünder auf einer Via Dolorosa des Verderbens um die Welt führen. Läuterung ist der Weg – vom Klimasünder zum Weltretter werden zu können, die Belohnung.

Ketzern wie mir bleiben solche Sakramente natürlich verwehrt, denn wer im Klimahaus nur von Raum zu Raum geht, neues Wissen sucht und, weil er das nicht findet, stattdessen das Bühnenbild bewundert, „Aha, ein anderes Klima. Jacke an/aus, pass dich ans Klima an“ murmelt und sich ansonsten in dieser Haltungsschmiede der Greta-Jugend völlig deplatziert fühlt, der sollte es vielleicht eher in einer anderen öffentlichen Überwältigungsanstalt versuchen, die in Bremerhaven keine 100 Meter entfernt wartet: im Deutschen Auswandererhaus. Kleiner Wermutstropfen: Bei der Ausstellung dort handelt es sich nicht um eine Kirche, weshalb man im Auswandererhaus im Unterschied zum Klimahaus nicht heiraten kann. Noch nicht.

PS. Das Auswandererhaus kommt zwar ebenfalls nicht ohne Subtext und Emotionalisierung aus, und am Ausgang lauert zudem ein Foto von Robert Habeck samt Widmung, aber dafür hat es inhaltlich sehr viel mehr und Konkretes zu bieten. Wirklich empfehlenswert.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog Unbesorgt.

Foto: Fabian Nicolay

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Frances Johnson / 18.05.2019

Eigentlich hat es alles auch Vorteile, denn man treibt uns die Schuld aus. Wir tragen dezidiert eine Schuld seit über siebzig Jahren. Sie wird bei Jüngeren schwächer. Da muss schnell eine neue her. Diese wird jedoch nur bei absulutem Mangel an Recherchewillen und Reflexion geschluckt. Die erste Schuld ist fast untragbar, so schwer, an der konstruierten Schuld jedoch hat man sich schon verhoben. Da wir die eine Schuld kennen, die gerechtfertigte, und da wir darunter auch gelitten haben, nehmen wir die selbstgestrickte nicht an. Kein echter oder erfundener Klimawandel so tonnenschwer wie der Holocaust. Die Jüngeren, die das nicht kennen, bürden sich Kosten auf und wachen hoffentlich bald wieder auf. Die neue Schuld ist keine reelle, sondern die des Sünders aus Mosis Genesis. An sich hatte ja Jesus davon erlöst. Aber den Kirchen ist nicht mehr zu helfen.

Dietmar Blum / 18.05.2019

@ Frau Angela Seegers / 18.05.2019. Was zu tun ist? Den Klimawandel als das zu akzeptieren, was er ist: Eine natürliche Schwankung, die in der Erdgeschichte nichts Neues darstellt und die bislang von sämtlichen Lebewesen überstanden wurden.

Stefan Müller / 18.05.2019

Sehr geehrte Frau Seegers, unabhängig von der Ursache könnten die Menschen das tun, was sie immer tun. Sich vor Kälte schützen, vor Hitze, vor Trockenheit oder zu viel Wasser. Das funktioniert seit Jahrtausenden. Ja, dabei werden und wurden Fehler gemacht. In Panik zu verfallen und Ideologien helfen mit Sicherheit nicht. Ein freundliches Wochenende allen Lesern!

Gerhard Haslbeck / 18.05.2019

@Max Biber: Den Adblocker ausschalten und dann werden auch die Leserkommentare wieder vollständig angezeigt. Mit aktiviertem Adblocker scheints nicht mehr zu funktionieren.

Marina Blach / 18.05.2019

Kiel ist doch auch nicht weit. Da wäre doch ein Abstecher sehr sinnvoll. Hat man dort doch gerade den Klimanotstand ausgerufen.

Andreas Mertens / 18.05.2019

An alle Feinstaub-Ungläubigen, Saure-Regen-Häretiker und Klima-Leugner. Bevor Euch Freitags der nächste Kinderkreuzzug holt, ab mit Euch ins Klima-Greta-Haus. Dort geht ihr (mit gesenktem Haupt) den vollständigen Klima-Kreuzweg, dazu betet ihr 99 Ave-Gay-ahhhh und 99 Mater-Unser

Achim Kaussen / 18.05.2019

Hallo zusammen, der Author hat natuerlich recht, Propaganda in seiner reinsten Form ... aber man sollte es sich trotzdem anschauen. Man weis ja nun, was einen erwartet und kann sich ueber diese plumpen, politisch korrekten Texte und Videos amuesieren. Der Gang durch die Installationen lohnt sich, bei -20C° am Suedpol frieren, in der Wuestenhallte bei +40C°, orientalischer Musik und Kamelvideos im Grussformat schwitzen und meditieren, danach durch die feuchte, dunkle, lediglich durch kurze Blitze erhellte Regenwaldsimulation zu irren, begleitet von einer extremen Geraeuschkulisse, das macht Spass. Das ist eine politisch korrekte Geisterbahn auf hoechstem Niveau. Vermutlich koennte man mit dem Energieverbrauch dieses Tempels der “Zeugen Gretas” ein kompettes Shithole irgendwo auf dieser Erde versorgen, ich gehe aber davon aus, das die Betreiber entsprenchende Ablasscheine erworben haben und der Strom somit gruen ist. Konkrete Verbrauchszahlen werden nicht genannt, man lobt sich lediglich selber, das man sich sehr viel Muehe gegeben hat, moeglichst wenig Strom zu vergaeuden, es gibt sogar eine 35kW Alibi-PV-Anlage. Gruss.

Max Biber / 18.05.2019

Ich lese die Artikel der Achse sehr gern, genau wie die Leserpost. Leider werden die Leserkommentare unkontrolliert abgeschnitten. Sollte es sich um ein Softwareproblem handeln, wovon ich ausgehe, könnten Sie das bitte korrigieren. Danke!

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