Hannes Stein / 13.05.2012 / 18:36 / 0 / Seite ausdrucken

Im Kino: “Headhunters”

Nach längerer Abstinenz war ich wieder mal im Kino und habe mir einen norwegischen Film angeschaut, der bei uns im „Beekman Theatre“, Ecke 67. und Third Avenue, lief: „Headhunters“. Keine Ahnung, wann das in Deutschland gezeigt wird. Vielleicht läuft es ja schon. Mein Ratschlag ist jedenfalls: Anschauen! Jedenfalls wenn man gut gemachte, intelligente Actionfilme und schwarzen Humor mag und vor en paar schauderschlimmen Szenen nicht zurückschreckt.

Wahrscheinlich mochte ich den Film schon deshalb, weil ich mich so leicht mit dem Protagonisten – den Aksel Hennie spielt – identifizieren konnte: Er ist nur 1,68 groß. (Ich bin einen Zentimeter kleiner.) Als Kompensation hat der Protagonist eine supergroße, superschlanke, superblonde Frau geheiratet. Damit er ihr Geschenke kaufen kann, raubt der Protagonist Leute aus, denen er gleichzeitig als „headhunter“ Jobs vermittelt.

Sein Gegenspieler, dargestellt von dem Dänen Nikolaj Coster-Waldau, ist natürlich einen Kopf größer als er, gemeingefährlich gutaussehend und hundsgemein. Und los geht´s: Der Regisseur (Morten Tyldum) hat sich an die schöne alte Regel von Friedrich Dürrenmatt gehalten, dass eine Geschichte erst dann fertig erzählt ist, wenn sie ihre schlimmstmögliche Wendung genommen hat. Der Protagonist wird vom Antagonisten also buchstäblich in die Scheiße geritten. Es gibt eine wunderbare Szene, da sehen wir den Helden, der von oben bis unten mit Kot beschmiert ist, einen Traktor fahren; und vorne an einem der Zähne der Schaufel des Treckers hängt die Leiche eines Köters. Ja, es ist kompliziert.

Später wird das Polizeiauto, in dem der Held mit Handschellen festgekettet zwischen zwei fetten Polizisten sitzt, bei denen es sich offenkundig um Zwillinge handelt, von einem Lastwagen in einen Abgrund geschoben. Im Kontext des Films erscheint nichts davon absurd.

Es gibt zwischendurch auch Blutlachen und grässlich verstümmelte Leichen zu besichtigen. Also nichts für Kinder. Zu guter Letzt ist es aber doch eine wunderbar unschuldige Geschichte, in der es um das wichtige aller Themen geht – die Liebe. Man könnte sogar sagen, die Pointe des Filmes sei ausgesprochen konservativ: Es geht um die Affirmation dessen, was wir hier in Amerika „family values“ nennen. Aber das ist nicht das Schöne an diesem Film.

Schön ist vielmehr die überragende Intelligenz, die sich hier eines ausgeleierten Genres, des Actionkinos, angenommen hat. Alle Klischees des Genres werden respektvoll bedient (Autojagden, unheimliche Verschwörung, psychopathischer Killer, Geheimwaffen), gleichzeitig werden diese Klischees satirisch aufs Korn genommen, und am Ende fügen alle Indizien, die vorher geschickt im Handlungsfluss versteckt wurden, sich wie von Zauberhand geordnet zu einem sinnvollen Ganzen zusammen. Und so gehört sich das ja auch.

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