Gerd Held / 04.07.2016 / 06:15 / Foto: Tobi Toaster / 17 / Seite ausdrucken

Im Gefängnis der Worte (1): „Fremdenfeindlich“

Der Preis für das Gefängniswort des Tages geht an Claus Kleber, Chefmoderator des Heute Journal (ZDF). In der Sendung am 1.Juli nennt er den österreichischen Präsidentschaftskandidaten Hofer den Kandidaten der „fremdenfeindlichen FPÖ“. So mal eben im Vorübergehen wird da mindestens die Hälfte der Wähler unseres Nachbarlandes unter Generalverdacht gestellt.

Wie selbstverständlich ist seit einiger Zeit der Begriff „Feind“ in die Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sender vorgedrungen. Dabei ist eine indirekte Wirkung im Spiel: Indem die FPÖ für „fremdenfeindlich“ erklärt wird, wird sie selber zum Feind erklärt. So geschieht eine Unterteilung der politischen Landschaft nach dem Freund-Feind-Schema. Für das politische Leben ist das keine Kleinigkeit. Zwischen Feinden gibt es keine rationale Auseinandersetzung, in der jeder Gründe für seine Position vortragen kann. Das Freund-Feind-Schema spaltet die Öffentlichkeit als gemeinsamen Ort aller Bürger.

Der Ausdruck „fremdenfeindliche FPÖ“ verändert den Sachverhalt, der hier vorliegt. Die FPÖ ist für eine Begrenzung der Zuwanderung, gegebenenfalls für einen absoluten Stopp der Zuwanderung über die südlichen und östlichen Landesgrenzen Österreichs. Diese Position teilt sie mit einer großen Zahl österreichischer Bürger. Damit sind sie „Gegner der Zuwanderung“, nicht aber „Feinde der Fremden“.

Eine Person oder Gruppe wird das Bürgerrecht aberkannt

Die beiden Ausdrücke haben eine gewisse Ähnlichkeit, und doch ist der Unterschied zwischen beiden Ausdrücken klar. Wenn ich die FPÖ zum „Gegner der Zuwanderung“ erkläre, referiere ich ihre politische Position. Wenn ich sie zum „Feind der Fremden“ erkläre, klebe ich ein Etikett auf den Charakter der Menschen, die ihr angehören oder sie wählen. Ich stelle sie außerhalb der politischen Auseinandersetzung. Ich spreche ihnen das politische Bürgerrecht ab. Der Begriff des Feindes ist ein totaler Begriff. Wird dieser Begriff in der Politik zur beherrschenden Kategorie (siehe Carl Schmitt), zerstört er die Freiheit der demokratischen Mehrheitsbildung.    

Oft geschieht das mit subtilen Mitteln und als schleichender Prozess. Die wirksamste Herrschaft der Worte ist die, die mit kleinen Bedeutungs-Verdrehungen und -Assoziationen arbeitet. Die sich in einer Grauzone zwischen Habe-ich-gesagt und Habe-ich-nicht gesagt bewegt. So kann man sich unmerklich einer Sprache bemächtigen und sie in ein Netzwerk zum Menschenfang verwandeln.

Natürlich ist Claus Kleber nicht zu dumm, um den Unterschied zwischen „Gegner der Zuwanderung“ und „Feind der Fremden“ verstehen zu können. Nicht aus Unwissenheit macht er den Gegner zum Feind. Er tut es wissentlich. Er sorgt mit seinem Wort dafür, dass sich ein falsches Bild über die FPÖ und die Bürger unseres Nachbarlandes verbreitet. Das ist eine Irreführung der Öffentlichkeit (volkstümlich auch „Lüge“ genannt).

Der Kleber, die Zweifler und die negativen politischen Elemente

Es handelt sich hier nicht um einen einmaligen Ausrutscher. Wie auf der Achse von Henryk M. Broder zu lesen war, hat Claus Kleber schon im Heute Journal vom 30.12.2016 die Zweifler an der Migrationspolitik der Kanzlerin in eine Reihe mit Fremdenfeinden gestellt. Das hatte Jan Fleischhauer unter der Überschrift „Erziehungs-Journalismus“ kritisiert. Damals rudert Kleber dann zurück und erklärt seine Assoziation von Zweiflern mit Fremdenfeinden für einen Fehler, um gleich folgenden Satz anzufügen: „Ich wollte diejenigen, die einfach anpacken, herausheben gegenüber denen, die nichts zur Lösung beitragen – aus welchen Gründen auch immer“. So, so: Wer an der Migrationspolitik der Kanzlerin zweifelt oder diese kritisiert, trägt also „nichts zur Lösung“ bei – nur derjenige, der „einfach anpackt“, tut das und gilt somit als ein positives politisches Element. Und natürlich ist auch derjenige, der zwar nicht „anpackt“, aber als Nachrichten-Moderator etwas „heraushebt“, ein solches positives Element.

Herausgehoben ist auf jeden Fall ist das Gehalt unseres Moderators: Nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung bezieht Kleber ein Jahresgehalt von 600000 Euro. Daraus kann man die Bedeutung der Sprachmoderation in unserer Gegenwart erkennen. Ihre Frontleute beziehen (mindestens) Ministergehälter. Und die jüngste Anwendung des Fremdenfeind-Schlagworts auf die Präsidentenwahl in Österreich zeigt, dass der Moderator des Heute Journals nun wieder und noch strammer auf seinem alten Kurs ist.    

Dazu passt ein anderer Vorgang an diesem 1.Juli. In der deutschen Hauptstadt wurde ein Abkommen namens „Berliner Konsens“ geschlossen, das aus Anlass der Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus einen Parteienblock gegen die AfD (und die NPD) bildet. Begründung: Die AfD stehe nicht „auf dem Boden unserer Werteordnung“. Von der Rechtsordnung ist nicht mehr die Rede. Aber auf Grundlage ihrer gemeinsamen Werte fühlen sich die unterzeichnenden Parteien berechtigt, die AfD von allen „politischen Mitwirkungsmöglichkeiten“ auszuschließen. So hält die Freund-Feind-Logik nun ganz offiziell Einzug in die Berliner Politik. Man merke sich die Unterschriften: SPD, CDU, Linkspartei, Grüne, FDP, Piraten.

(In dieser Reihe werden, in lockerer Folge, jene Worte und Wendungen aufgespießt, mit denen unsere Sprache in ein Wort-Gefängnis verwandelt wird)  

Foto: Tobi Toaster CC BY 3.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Sprachinteressierte / 04.07.2016

Sprache als politisches Instrument der Manipulation - Zu meiner Schulzeit (Westdeutschland) haben sich unsere Lehrer noch bemüht, uns genau über diese Gefahren aufzuklären.  Im Deutschunterricht gab es ein Reclam Heft für den Unterricht “Funktionen der Sprache”, im Geschichtsunterricht haben wir Zeitungstexte (aus NS-Zeit und DDR) über einen Sachverhalt auf deren Objektivität bzw. Manipulation durch Verwendung von bestimmten Redewendungen bzw. Begrifflichkeiten hin überprüfen müssen. - Es würde mich sehr interessieren, ob die Schulen auch heute noch in dieser Form zur unabhängigen Meinungsbildung unterrichten, oder ob auch hier bereits anstatt aufklärend nur noch gesinnungsethisch gelehrt wird.

Teska / 04.07.2016

Selbst der Begriff"Gegner der Zuwanderung” ist nicht ganz zutreffend.  Es müsste heissen: ” Gegner dieser unkontrollierten, chaotischen Zuwanderung”.

Karla Kuhn / 04.07.2016

Ich sage es immer wieder, wer diese sogenannten “Qualitätsmedien noch liest, ist selber schuld.  Mein Fernseher wird auch nur noch selten benutzt. So komme ich erst gar nicht in den “Genuss”  von Klebers “wunderbaren” Kommentaren. Sein Jahresgehalt macht diesen Mann auch nicht sympathischer.  Es gibt genug Foren im Netz, wo noch guter Journalismus präsentiert wird,  die Achse ist eines davon. Was den “Berliner Konsens” betrifft, da werden sich viele Politiker noch die Augen reiben.  Je mehr gegen die AfD geschossen wird, um so attraktiver wird sie für viele Wähler.  Das ist wie mit den Kirschen in Nachbars Garten.  Ich nehme vieles nur noch von der humorvollen Seite.  Gestern konnte ich in einem Maas-Artikel lesen, wir sollen doch die Vorhänge aufziehen. Für so einen Unsinn, sollte eigentlich ein Justizminister zurücktreten.  Da meine Vorhänge zu bleiben, werde ich sicher als “fremdenfeindlich” eingestuft. Als ehemalige Stasi-Verfolgte ficht mich nichts mehr an.

Andreas Huber / 04.07.2016

Unser Hobby-Che-Guevara im Jackett erhält 600 K ? Ist das nicht ein bisschen viel Courtage für einen modernen Robin Hood? Im Ernst: vielen Dank für diesen glasklaren Beitrag über die erschütternde Funktionsweise zeitgemäßer Politik. PS: Kleber rutschte wohl am 30.12.2015 aus. Aber am 30.12.2016 wird er es bestimmt auch wieder tun.

Atheist46 / 04.07.2016

“So läuft das doch immer. Wenn irgendwer auf irgendeiner Sch… sitzt, die Du haben willst, mach ihn Dir zum Feind. Und das rechtfertigt dann, dass Du es Dir nimmst.” (Zitat aus dem Film “Avatar - Aufbruch nach Pandora”.) Harte Auseinandersetzungen hat es auch früher gegeben: um die neue Ostpolitik, die Abtreibung, die Atomkraft oder die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf, um ein paar Beispiele zu nennen. Wer dagegen war, nannte sich “Gegner” (und wurde so genannt): Atomkraftgegner, WAA-Gegner, Abtreibungsgegner. Niemandem wäre es eingefallen, von Atomkraftfeinden oder Ostpolitikfeinden zu reden. Heute dagegen gibt es keine “Gegner” mehr; wer anderer Meinung ist, ist heute ein “Feind”, sportliche Wettkämpfe (noch) ausgenommen: Ausländerfeind, Fremdenfeind, Islamfeind usw. Semantisch ist die Sache klar: Mit einem Gegner setzt man sich sachlich auseinander (zumindest unter Zivilisierten), als “Waffe” dient das Argument. Feind dagegen ist ein Begriff auf der emotionalen Ebene (und aus der Propaganda!); nach Argumenten wird nicht mehr gesucht oder gefragt, man lässt seinen Gefühlen freien Lauf, bzw. schürt sie im eigenen Sinne. Gegen Feinde ist alles erlaubt und jedes Mittel recht. Deutlichstes Indiz für diesen Wandel ist das “alternativlos” der Kanzlerin: Argumente und das Suchen nach Alternativen werden nicht mehr benötigt, es genügt die kategorisch kundgetane Meinung der Kanzlerin, gipfelnd in der Anmaßung “Wir schaffen das” - selbstverständlich ohne zu sagen, wer was wann und wo schaffen soll (die Kanzlerin war’s bisher jedenfalls nicht). Die gesellschaftliche Auseinandersetzung hat sich grundlegend gewandelt. Handlungsmaßstab ist die Religion, nicht das (Grund-) Gesetz, es regiert die Moral statt des Rechts und an die Stelle der Vernunft ist die Emotion getreten. Dahinter steckt durchaus Methode und ich sehe Kräfte am Werk, die um des Machterhalts willen unsere freiheitliche, demokratische Grundordnung aus den Angeln heben wollen (und das ist nicht die AfD!). Man braucht nur zu lesen, was namhafte deutsche Verfassungsrichter zum Handeln der Bundeskanzlerin in der Flüchtlingsfrage sagen (http://www.rundschau-online.de/politik/fluechtlingspolitik-immer-mehr-verfassungsrechtler-ruegen-merkels-kurs-23435532). Merkel geht sogar noch weiter als der mit Recht als Autokrat angeprangerte Erdogan: Sie übergeht das Parlament (die gesetzgebende Gewalt) ohne alle Hemmungen kraft eigenen religiöser, moralischer und emotionaler Maßstäbe, während jener sich sein Handeln wenigstens noch vom Parlament absegnen lässt, um den Schein zu wahren. “Merkels Alleingang war deshalb ein Akt der Selbstermächtigung”, “selbstherrliche Kanzler-Demokratie” (Michael Bertram, ehem. Präsident des Verfassungsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen). Und unsere “Qualitätsmedien” stehen nicht nur applaudierend dabei, sondern leisten mit “Meinungswäsche” kräftig Beihilfe.

Thomas Schade / 04.07.2016

Ich hatte mich auch über diese Moderation aufgeregt, da hier ganz nebenbei politische Einordnungen gesetzt werden, wie ich sie bisher nur aus den Nachrichten der Aktuellen Kamera kannte - eine bedrückende Entwicklung.

Dorothea Friedrich / 04.07.2016

Die FPÖ ist nicht einmal ein “Gegner der Zuwanderung”, sondern ein Befürworter der geregelten Einwanderung wie es in Ländern wie Kanada, Australien, USA und Neuseeland praktiziert wird. Mein Gott, die ganze Welt wimmelt nur so von Fremdenfeinden. Gut, dass es die Kleber-Träne gibt, die die paar schwerst verdienten Kröten unseren Einwanderern zur Verfügung stellen kann.

Waldemar Undig / 04.07.2016

Achse-Leser wissen mehr. Sogar, was Claus Kleber am 30.12.2016 gesagt hat. Cool!

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