Gastautor / 31.10.2020 / 12:00 / Foto: Thilo Thielke / 9 / Seite ausdrucken

Im Gedenken an Thilo Thielke

Unser Kollege und Achgut.com Autor Thilo Thielke verstarb plötzlich und unerwartet im Alter von 52 Jahren In Tansania. Sein Kollege Philip Plickert nimmt mit diesem bewegenden Text Abschied:

Von Philip Plickert. 

Wie ein Schlag hat uns die Nachricht getroffen, dass mein Kollege, der Afrika-Korrespondent Thilo Thielke plötzlich und unerwartet verstorben ist. Gerade einmal 52 Jahre alt wurde er. In der vorvergangenen Nacht ist er in Tansania an einem Herzinfarkt gestorben. In Tansania besaß er seit sieben Jahren eine Lodge, ein kleines Hotel, nicht weit vom Kilimandscharo. Er hinterlässt seine Ehefrau und zwei minderjährige Kinder. Ihnen gilt mein tiefes Mitgefühl.

Wir wollten uns letztes Jahr noch in London treffen, haben uns knapp verpasst. In dieser Woche hatten wir eine gemeinsame Geschichte über Elfenbeinschmuggel und die Elefanten-Massaker der Wilderer vorbereitet. Das Überleben der Dickhäuter lag ihm am Herzen. „Am nächsten Montag könnte ich rausfahren in den Amboseli-Korridor. Dabei geht es darum, freie Korridore für die Elefanten aus dem relativ vollen Amboseli-Park in Kenia ins tansanische Kilimandscharo-Ökosystem zu schaffen“, schrieb er mir vor zwei Tagen. Daraus wird jetzt nichts mehr.

Thilo Thielke, geboren 1968 in Hannover, war ein außergewöhnlicher, furchtloser Reporter, ein Afrika-Korrespondent aus Leidenschaft. (Hier einige seiner Texte für die FAZ). Ja, Afrika lag ihm am Herzen, wie es jetzt im Nachruf heißt.

Er hat mich mit seiner offenen, sprudelnden Redeweise, seinen Erfahrungen und Berichten tief beeindruckt. Viele Journalisten fand er zu links und blauäugig. Über führende Nachrichtenmagazine und Zeitungen äußerte er sich zuweilen verächtlich; er hatte ja selbst fast zwei Jahrzehnte bei einem Nachrichtenmagazin in Hamburg gearbeitet, zu dessen Stars ein Herr Relotius zählte, und kannte als Insider, wie Geschichten mit dem richtigen Dreh gestrickt wurden. Lieber als den „Spiegel“ las er die „Weltwoche“ oder die „Achse des Guten“, für die er auch gelegentlich zur Feder griff (siehe hier und hier). Angela Merkels Politik der offenen Grenzen in der “Flüchtlingskrise” hielt er für fatal

Thielke hat als Reporter viel Schreckliches gesehen. 1990 entdeckte er in Rumänien ein Kinderheim, in dem geistig behinderte Kinder und Jugendliche unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten wurden und einige starben. Später hat er für Spiegel-TV vom Balkan berichtet und grauenhafte Dinge, Massengräber etc. gesehen. Dann war er jahrelang in Nairobi, Bangkok und Kapstadt, zuletzt berichtete er seit 2018 als freier Autor für die F.A.Z. über ganz Subsahara-Afrika.

Als Anfang 2019 somalische islamistische Terroristen ein Hotel in Kenia überfielen und tagelang rumballerten, setzte sich Thielke kurzentschlossen ins Flugzeug und interviewte vor Ort schon Überlebende, als noch die letzten Schüsse der Al-Shabaab-Mörder knallten. Als es dann im Sudan krachte, flog Thielke hin und war bald in Khartum mittendrin, fuhr mit einem Fahrer zu Anti-Al-Bashir-Protesten und Straßenunruhen, sah brennende Barrikaden, hörte die Kugeln fliegen.

Er hat auch zahlreiche Reise-Bücher geschrieben, über Kenia, Tansania, die Philippinen und den bewegenden Bestseller „Eine Liebe in Auschwitz“ über die spektakuläre Flucht einer polnischen Jüdin und ihres Geliebten aus dem NS-Vernichtungslager und ihre tragische folgende Geschichte. Thielke schrieb auch Bücher über Fußball. Er war ein wunderbares Multitalent.

Der deutschen Heimat blieb er verbunden, auch wenn er sich der deutschen Politik und Gesellschaft immer mehr entfremdet fühlte. Thielke war ein konservativ-libertärer Marktwirtschaftler, ein Freidenker, ein Amerika- und Israel-Freund. Die Linksdrift der Parteien und vieler Medien hat er höchst skeptisch gesehen. Über den Gender-Irrsinn schüttelte er den Kopf. Grünlinke „woke“ Europäer, die sich in vermeintlich humanistischer Weise für eine Politik der offenen Grenzen und massenhafte Einwanderung für Afrikaner einsetzten, fand er gefährlich naiv. Wollte Europa wie Afrika werden? Mehr und mehr Parallelgesellschaften wie in Frankreich, dessen nordafrikanisch-arabische Banlieue-Vorstädte zunehmend islamisiert werden? Mehr Kriminalität? Das idealisierte Selbstbild der „Regenbogennation“ Südafrika fand er verlogen. Die Gewalt gegen weiße Farmer in Südafrika oder Zimbabwe hat er nicht verschwiegen.

Thilo Thielke hat die Probleme des Kontinents, die Korruption und Misswirtschaft der Potentaten, die sich Entwicklungshilfe-Geld in die Taschen steckten, das verbreitete Chaos und die lähmende Bürokratie, die hartnäckige Unbildung und den verbreiteten Aberglauben der Massen illusionslos beschrieben. Warum Afrika arm ist? Zu viel Korruption und zu viel Sozialismus, sagte er mir. Aktuell war er in Sorge, dass der „Medienhype“ um Corona zu extrem harten Lockdowns in Afrika führt, die viel schlimmere Auswirkungen haben als die eigentliche Krankheit, die nur relativ wenige Tote in Afrika fordert. Die schwere Wirtschaftskrise fordert hunderttausende Tote; dass der Safari-Tourismus zum Erliegen kommt, bedrohte auch seine Lodge. Er fragte sich, wie er die Angestellten noch bezahlen sollte.

Wir haben häufiger Stücke gemeinsam geschrieben. Mal über hochverschuldete Länder des Kontinents, mal über den Einfluss der Chinesen, mal über Handel und Infrastruktur, mal über Wilderei und Schmuggel. Thilo Thielke war der bessere Schreiber von uns beiden, seine Passagen waren die spannenderen, lebensnahen. Ich habe mehr die Zahlen und volkswirtschaftliche Zusammenhänge beigetragen.

Wenn wir telefonierten, hörte ich im Hintergrund oft Tierstimmen, irgendwelche Vögel oder Affen schreien. Es waren Klänge aus einer anderen, exotischen Welt.

Lieber Thilo Thielke, ich möchte mich verneigen vor einem großartigen Journalisten und Kollegen. Ich werde Sie vermissen.

Der Nachruf erschien auf dem Blog von Philip Plickert: pplickert.de

Beiträge von Thilo Thielke auf Achgut.com:

Gute Geschichte, richtiges Opfer, falsche Täter

Relativ seriöser Journalismus für die urbane Zielgruppe

Wie der Herr, so das Gescherr. Kardinal Woelki und seine Trolle

Die dumme Nuss des Monats & more

Falsches Lied am falschen Tag, sonst alles ok

Foto: Thilo Thielke

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Leserpost

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Gabriele Klein / 31.10.2020

Danke für den Nachruf. Eine Lücke die sich nicht schließen wird. Mein Beileid an die Angehörigen.

HaJo Wolf / 31.10.2020

Quem di diligunt, adulescens moritur.

Prof.Dr.Hans Ferdinand ILLY, Merzhausen/Brsg. / 31.10.2020

Thilo Thielke war ein umfassend informierter und analytisch-kritischer Berichterstatter über Politik und Gesellschaft in Afrika.Seine Reportagen waren immer durch persönliche Anschauung fundiert und nahmen keine Rrücksicht auf Schönfärbereien (“Afrika-Positivismus”) und vermeintliche postkoloniale Schuldgefühle Europas gegenüber Afrika. Er nannte die chronische und schamlose Bereicherung afrikanischer Potentaten beim Namen und geißelte die devote “Partnerschaft” auch der deutschen Bundesregierung gegenüber afrikanischen Regierungen. Thilo Thielke wird schwer zu ersetzen sein. Sein Tod ist auch ein Verlust für die Community der kritischen deutschen Afrikawissenschaftler und entwicklungspolitischen Forscher, für die er ein wahrer Bruder im Geiste war.

Christian Noha / 31.10.2020

Vielen Dank Herr Plickert für diesen Artikel! Allerdings müssen sie bald mit einer ähnlichen „Freisetzung“ bei der Merkel-FAZ rechnen müssen wie Herr Steltzner. Witzfigur Jasper von Kasperbockum und Nachwuchsrelotius Justus Bender schärfen schon die Messer, denn auch sie haben die links-autoritäre Autistin nun indirekt zu kritisieren gewagt. Das war Majestätsbeleidigung!  Der sterbenden Faz mit ihren 179.000 Restlesern könnte daher der Anteil am 220 Mio. Euro Linientreu-Topf der Bundesregierung gestrichen werden.

Volker Seitz / 31.10.2020

Danke an Philipp Plickert für diesen warmherzigen Nachruf. Thilo Thielkes Berichte waren immer schlüssig. Er erkannte die Realitäten in Afrika sehr klarsichtig. Ich hatte oft einen regen und inspirierenden Austausch mit ihm. Es gibt leider zu wenige, die kompetent und stets mit großem menschlichen Einfühlungsvermögen aus Afrika berichten. Es wird für die F.A.Z. schwierig einen so fachkundigen Nachfolger zu finden. Mein Beileid für die Angehörigen.

beat schaller / 31.10.2020

Danke Herr Plickert für diesen Nachruf auf einen speziellen Menschen. Ich schliesse mich Ihren Gedanken und Wünschen an die Hinterbliebenen an.  Gleichzeitig schaue ich in meiner Umgebung in die Runde. Wenn ich Herzinfarkt höre, dann frage ich mich gerade in unserer aktuellen und total selbstzerstörerischen Zeit, ob ein solcher Tod nicht auch eine schöne Seite hat?  Wenn ein solch bewegtes und hoch interessantes Leben ohne langes Leiden in eben dieser Art beendet wird?  Ich stelle fest, dass im Augenblick viele Menschen sich mit Gedanken, herumschlagen,  so sanft und schnell aus dem Leben ausscheiden zu können. Einige , die sich krank oder am Rande der Gesellschaft fühlen, die spielen sogar mit solchen Gedanken. Ich hoffe, dass daraus nicht eine noch stärkere Selbstmordwelle entsteht.  Eigenartig, dass man selber solche Gedanken erkennen kann. Vielleicht ist es auch nur, weil ich heute gerade ein langes, um solche Gedanken kreisendes Gespräch hatte? Schön Herr Plickert, dass Sie Ihre anerkennenden Gedanken an diesen Menschen und seine Familie hiermit in die Welt hinaus schreien. Mögen diese dort ankommen, wo sie dringend nötig sind. b.schaller

Andreas Rühl / 31.10.2020

Das ist eine sehr, sehr traurige Nachricht. Mein Beileid den Hinterbliebenen. Media in vita…. ein Jahr jünger als ich.

Dieter Mahler / 31.10.2020

Fürwahr ein Schicksalsschlag. Als gelegentlicher Leser der „Ersten Stunde“ der Achse des Guten, weiß ich, über was ich reflektiere. Nun ist auch Sean Connery ist von uns gegangen. Ein Großer unter den Mimen. Nicht nur in den Filmen als 007. Sean wurde 90. „Was vergangen kehrt nicht wieder. Aber ging es leuchtend nieder, leuchtet’s lange noch zurück.“ Connery muss immerhin nicht weiter erleben, was aus den USA geworden ist. Ein Land, das seit den Sezessionskriegen nie so gespalten war, wie es gegenwärtig der Fall ist. Das „U“ steht dem Grunde nach für united. „A la recherché du temps perdu“! Nie war Marcel Proust so aktuell!

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