Im freien Fall

Suni Williams und Butch Wilmore, die beiden US-Astronauten, mussten neun lange Monate zwangsweise auf ihrer Raumstation verharren, weil Präsident Joe Biden dem SpaceX-Pionier Elon Musk mit deren Rettung nicht zu einem PR-Coup verhelfen wollte.

Sie kennen diese Situation: Sie sitzen in der Abflughalle, schicken noch ein paar Fotos an die Lieben zu Hause, nehmen Ihre Siebensachen und gehen zum Gate. Noch ein kurzer Blick auf die Anzeigetafel – und da steht delayed. Sie gehen zu Ihrem Platz zurück, beschäftigen sich wieder mit Ihrem Smartphone, schauen sicherheitshalber ab und zu auf die Anzeige, und da heißt es jetzt cancelled. Auf Anfrage erfahren Sie, es gäbe technische Probleme, und eine Ersatzmaschine würde bald kommen. Sie versuchen, sich auf der Bank bequem einzurichten. Angaben zur Wartezeit sind jetzt widersprüchlich, aber schließlich wird klar: Bis zu Ihrem Heimflug würden noch neun Monate vergehen.

So jedenfalls erging es Suni und Butch, den beiden US-Astronauten, die im Juni 2024 in der Raumstation ISS eingecheckt hatten, um dort eine Woche zu verbringen. Da saßen sie jetzt also fest, wobei „sitzen“ ihren Zustand nicht korrekt beschreibt, denn dazu bräuchte man sowohl Stühle als auch Schwerkraft. Und letztere hatte die ISS nicht zu bieten. Das liegt nicht etwa daran, dass es da oben, in gerade mal 400 Kilometern Höhe, keine Erdanziehung mehr gäbe; tatsächlich hat sie da oben immer noch 90 Prozent der Kraft wie hier unten.

Es liegt daran, dass sich die ISS im freien Fall befindet und nur dank ihrer Vorwärts-Geschwindigkeit von fast 30.000 km/h immer an der Erde vorbei fällt, statt auf sie aufzuschlagen. Im freien Fall fühlt man keine Schwerkraft, und ohne Schwerkraft fühlt sich der Körper wie im Urlaub – so berichten jedenfalls die Raumfahrer. Man hat keine Mühe aufzustehen, kann nicht hinfallen und verbringt die ganze Zeit wie im Bett, ohne sich alle fünf Minuten anders hinlegen zu müssen.

Das ist bequem, aber jede Bequemlichkeit hat auch ihren Preis. Wer rastet, der rostet, oder wie Butch und Suni sagen würden: „Use it or lose it“. Die Knochen und Muskeln werden auf der ISS nicht mehr gebraucht, um den schweren Körper zu tragen oder zu bewegen, und den Gleichgewichtssinn braucht man auch nicht, wenn man ohnehin schon im freien Fall ist. Ein paar Tage Schwerelosigkeit können dem Körper wenig anhaben, aber neun Monate?

In der Zeit kann sich aus ein paar Zellen ein ganzer Mensch entwickeln, und entsprechend viel kann sich da auch an Komponenten des Körpers zurückentwickeln, falls sie nicht mehr gebraucht werden. Bei all den technischen Meisterleistungen, die in der ISS stecken, ist sie also in Sachen Schwerkraft eine Fehlkonstruktion. Kann man denn in eine Raumstation keine Schwerkraft einbauen? Das ist möglich und Stanley Kubrick hat das in seinem Film 2001 eindrucksvoll demonstriert: Man ersetzt sie einfach durch Zentrifugalkraft.

Des Guten zu viel

Aber sonst, neun Monate Urlaub da oben im Weltraum, das muss doch wunderbar sein – oder? Nun, der Wohnraum hat immerhin 500 Kubikmeter. Wieviel Quadratmeter sind das? Schwer zu sagen, denn einen Fußboden gibt es ohne Schwerkraft nicht. Ja, und so richtig Duschen geht auch nicht ohne Schwerkraft, weil das Wasser nicht weiß, wohin es ablaufen soll. Welches Wasser überhaupt? Und mal raus an die frische Luft für zehn Minuten? Fehlanzeige – ein Raumspaziergang bietet alles andere als frische Luft. Und das neun Monate lang? Warum hat man die beiden denn nicht längst aus ihrer Gefangenschaft befreit?

Das hatte, ob Sie es glauben oder nicht, politische Gründe. Die NASA hat ja zwei Vehikel zur Verfügung, den Boeing Starliner und den Crew Dragon von SpaceX. Der Starliner hatte die beiden im September 2024 zur ISS gebracht, beim Andocken aber Schwächen gezeigt und wurde aus Sicherheitsgründen leer, per „Autopilot“, zur Erde zurückgeholt. Die NASA hatte dann nicht genügend Vertrauen in das Boeing Vehikel, um es wieder für Personentransport einzusetzen. SpaceX stellte seinen Crew Dragon zur Verfügung, das Angebot wurde aber, wie Musk in einem Fox Interview erklärt, abgelehnt. Offensichtlich wollte die Biden Regierung einen PR-Coup von Musk vermeiden, der dann Trump bei der Wahl zugutekommen könnte. Die Koalition der beiden war ja zu der Zeit längst bekannt. So ließ man die Gestrandeten noch schmoren.

Unter Trump schließlich erteilte die NASA den Auftrag zur Abholung der Astronauten an SpaceX. Der Crew Dragon „landete“ dann am 18. März im „Golf of America“, unweit Tallahassee. Die Kapsel schwebte an ihren diversen Fallschirmen herab, die Luke wurde geöffnet, und zum ersten Mal seit einem dreiviertel Jahr hatten unsere Freunde wieder frische Luft in den Lungen und verspürten die Anziehungskraft von Mutter Erde. Und ihre Augen sahen das blaue Meer mit den drolligen Delphinen, die um den Crew Dragon tanzten und sie willkommen hießen. Da hatten sie dann vielleicht so einen Gedanken wie: „Ist doch gar nicht so schlecht hier! Dank an die, die uns schließlich heil hierher zurückgebracht haben.“

Hans Hofmann-Reinecke studierte Physik in München und arbeitete danach 15 Jahre in kernphysikalischer Forschung. In den 1980er Jahren war er für die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien als Safeguards Inspektor tätig und überprüfte die Einhaltung von Abkommen, welche die Betreiber nuklearer Anlagen mit der IAEA geschlossen hatten und welche der Nicht-weiterverbreitung von Atomwaffen dienten. Später war er als freier Berater für das Management industrieller technisch-wissenschaftlicher Projekte tätig, darunter auch bei Unternehmen aus der Nuklearbranche. Er lebt heute in Kapstadt. Dieser Artikel erscheint auch auf dem Blog des Autors Think-Again. Der Bestseller Grün und Dumm, und andere seiner Bücher, sind bei Amazon erhältlich.

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Leserpost

netiquette:

Franz Klar / 22.03.2025

“Der Biden ist an allem schuld , an allem ist der Biden schuld…”  ( nach Friedrich Hollaender) .

Thomas Szabó / 22.03.2025

Erinnert an das Atom-U-Boot Kursk & Putin.

dr. gerhard giesemann / 22.03.2025

Auch für Astronauten gilt: Hüte dich vor alten Männern, denn SIE haben nichts zu verlieren: Dies allen jungen Menschen ins Stammbuch. (GBS, irisches Lästermaul, gestorben im Jahre 1950, just dem Jahr meiner Gnadengeburt).

Xaver Huber / 22.03.2025

Ein Dank Herrn Dietrich für seine offenen und zutreffenden Worte

Sam Lowry / 22.03.2025

Jaja, “Marsexpeditionen”... ein Jahr hin, ein Jahr zurück. Mit genügend Treibstoff, Lebensmittel, Wasser, für Hin- und Rückreise. Rettungsaktionen sowieso unmöglich, falls irgendwas passieren sollte. In diesem Jahrhundert ganz sicher nicht mehr!

Norbert Brausse / 22.03.2025

Dem ist nichts hinzuzufügen und vor allem sehr sachlich. Interessieren würde mich aber schon die Meinung der beiden Astronauten vor und nach dem Ausflug ins All, obwohl ich als Realist weiß, dass eine Einzelmeinung nichts beweist, also auch ein „Danke“ an Biden für die ungeplante Verlängerung eines einmaligen Urlaubserlebnisses liegt im Bereich des Möglichen.

Stefan Riedel / 22.03.2025

@Karsten Dörre / 22.03.2025: Wichtige Grundlagenforschung? Menschliche Versuchskaninchen? Was hat die NASA diesen 2 Kaninchen von der Verweildauer in der Schwerelosigkeit vorher erzählt?

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