Thilo Schneider / 20.10.2019 / 10:00 / Foto: Pixabay / 42 / Seite ausdrucken

Im Bann der Umwelt-Promoterin

Es hat jetzt nicht nur Vorteile, ein „alter weißer Mann“ zu sein. Wir sind – wie soll ich sagen – eben auch immer noch ritterlich, was uns bei jüngeren Menschen weiblichen Geschlechts auch gerne mal zum Nachteil gereicht, wenn wir auf bestimmte Trigger einfach reagieren, weil wir keine Muschi-Mützen aufhaben. Wir finden Frauen ab der Volljährigkeit einfach toll. Aber das ist auch gefährlich, wie ich neulich erfahren musste.

Da laufe ich, weil ich gerade Mittagspause und nichts Besseres zu tun habe, durch die Fußgängerzone des Schtetls, als mich eine junge hübsche Frau – sie mag so Anfang/Mitte 20 sein – anlächelt. Nun hatte ich mein primäres Geschlechtsteil immer buchstäblich im Griff und weiß, dass das auf keinen Fall eine uneheliche Tochter sein kann, also lächle ich zurück. Ich finde, das gehört sich so. Und tatsächlich, sie kommt strahlend wie ein Sommermorgen auf Mauritius auf mich zu. „Guten Tag“, sagt sie, „darf ich Sie einen Moment ansprechen?“ Hey, na klar, das letzte Mal, dass mich eine junge Frau lächelnd angesprochen hat, war – Moment – gestern. Gestern war’s, als mir die Verkäuferin im Kaufhaus gesagt hat, dass Schlüpfer vom Umtausch ausgeschlossen sind, weswegen ich jetzt blöderweise Größe M tragen muss, was beim Laufen ziemlich zwackt, mir aber auch einen femininen Gang verleiht. Aber klar, sie darf mich ansprechen. „Aber klar“, sage ich deshalb.

Sie freut sich und ich hoffe so ein bisschen, sie will eine Autogramm- oder Visitenkarte. Will sie aber nicht. Schade. „Wie wichtig ist Ihnen die Umwelt?“, will sie von mir wissen. Tja. Was antwortet Mann darauf? „Scheißegal, wenn Sie nur mit mir essen gehen“, wäre im Moment die korrekte Antwort, aber dann habe ich schlimmstenfalls einen Prozess am Hals und auf jeden Fall Ärger mit meinem Schatz. Also sage ich: „Schon, ja, doch, auch, schon so …“ Das ist meiner freundlichen Von-der-Seite-Ansprecherin aber nicht konkret genug. „Auf einer Skala von Eins bis Zehn, wobei Zehn „am Wichtigsten“ bedeutet, wo würden Sie sich da einsortieren?“ Weia. Darüber muss ich nachdenken, weil ich das noch nie gemacht habe. Sage ich „Eins“, hält sie mich für den Inhaber eines Walzwerks, sage ich „Zehn“, glaubt sie, ich sei ein Waldzwerg. Schwierig. Ich entscheide mich für „Sechs“, das ist so „schon wichtig, aber nicht so wichtig, dass ich keinen Diesel fahren würde“. Das ist angemessen.

Glitzersternchen und ein Regenbogen

Sie freut sich wie ein Bus an einer freien Haltestelle. „Dann habe ich hier etwas für Sie“, sagt sie und zeigt auf ein grünes Zelt, an dem andere junge Menschen Broschüren verteilen. Ich setze mich mit ihr wie an magischen Fäden in Richtung des Zelts in Bewegung. „Wir sind von GreenClimateChange, einer Umweltorganisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Klima grün zu ändern.“ In meinen Ohren klingt das total schwachsinnig, aber sie ist dafür total niedlich. Was will ich machen? „Aha“, sage ich lahm, damit sie sieht, dass ich noch am Leben bin. „Sie wollen also das Klima grün ändern“, echoe ich. „Ja“, freut sie sich, „deswegen wollen wir eine Milliarde Bäume pflanzen. Das ist unser derzeitiges Projekt“. „Eine Milliarde? Wo wollen Sie die pflanzen? In der Sahara oder in Alaska?“, will ich wissen.

„Überall!“, antwortet sie und beschreibt dabei mit den Armen einen Kreis und so halb erwarte ich, Glitzersternchen und einen Regenbogen aufsteigen zu sehen. Wie bei den Glücksbärchis. Ich bin aber noch nicht zufrieden. „Wie viele Mitarbeiter haben Sie denn weltweit?“, hake ich nach. Die Miene meiner Ansprechpartnerin, die laut einem kleinen Namensschildchen „Nadine“ heißt, verdüstert sich. Die Frage scheint ihr neu zu sein und sie sucht sich Hilfe bei einem Standkollegen, einem fusselbärtigen Zwerg mit Nickelbrille und Pockennarben, der sich „Niklas“ nennt. „Wie viele Mitarbeiter haben wir weltweit?“, gibt sie meine Frage an ihn weiter. Niklas schiebt sich die Brille zurecht, sagt „Momentchen“ und greift sich eine seiner Broschüren. Er liest mit dem Finger. „Ungefähr Zweitausend“, sagt er dann. Okay.

Ich bin Tierkreiszeichen Jungfrau. Ich kann nichts dafür. Eine Milliarde geteilt durch 2.000 Mitarbeiter macht für jeden Mitarbeiter – davon ausgehend, dass da niemand Verwaltung oder Standarbeit bei uns in der Fußgängerzone macht – schlaffe 500.000 Bäume pro Mann. Ambitioniert. Gesetzt den Fall, dass jeder dieser armen Säue pro Baum zehn Minuten braucht – also inklusive Anfahrt, „Loch graben, Baum setzen, Loch zumachen, wässern“, wären das fünf Millionen Minuten, oder 83.333 Stunden oder 3.472 Tage oder rund zehn Jahre. Wenn derjenige nicht schläft, nicht isst und sonst nichts zu tun hat. Bei einem Zwölf-Stunden-Tag dauert das zwanzig Jahre. Ein strammes Programm, aber machbar. Wenn man genug Baumschulen hat. Und von den zweitausend Nadines und Niklas´ keiner kündigt. „Welchen Zeithorizont hat Euer Projekt denn?“, frage ich die beiden Weltretter. Jetzt ist es Niklas, der Nadine etwas hilflos anschaut. „Ich schätze, so in fünf Jahren schaffen wir das!“, antwortet sie tapfer, fügt aber sicherheitshalber „… wenn jeder mithilft und mitmacht“ hinzu. Gnädigerweise lasse ich sie über meine Überschlagsrechnung im Unklaren. Ich will nicht wie ein alter, arschbackener Lehrer klingen. Obwohl sie es verdient hätte, hübsch hin und hübsch her.

Sie umarmt mich kurz, aber herzlich

„Okay“, gebe ich zurück, „Sie erwarten jetzt aber nicht von mir, dass ich auch Bäume pflanzen gehe, oder?“ Da müssen der Niklas und die Nadine lachen. „Nein, nein“, beruhigt mich Nadine, mit der ich mich schon so halb in Jeans und T-Shirt auf dem Boden kriechend Bäume pflanzen sah, fröhlich. „Wir brauchen nur Ihre Spende!“, erklärt sie. Aha. Darum geht es. Um den schnöden Mammon. Sie will nur mein Bestes. Klar, keiner rückt kostenlos Bäume heraus und buddelt sie dann für lau mit Nadine wieder ein, da mag sie noch so hübsch sein. „Gut, ich spende zehn Euro“, erkläre ich, „aber dafür wünsche ich mir eine Palme mit meinem Namen. An der ich herumwedeln kann!“, füge ich schelmisch hinzu. Nadine, immer noch im Unklaren über meine Rechnung, schüttelt den Kopf.

„Nein“, sagt sie. „Das geht nicht“, sagt sie auch. „Bei uns geht das per Abbuchung. Sie können sich zwischen mindestens zwanzig Euro monatlich oder dreihundert Euro jährlich entscheiden!“, erklärt sie und schenkt mir das süßeste Lächeln zwischen Flensburg und Garmisch. Leider bin ich Diabetiker, was süßes Lächeln angeht. „Wow, ganz schön straff“, gebe ich zurück. „Denken Sie doch auch mal an Ihre Enkel, und man gibt doch sowieso so viel Geld für Unnützes aus!“, wischt sie meinen Einwand beiseite und weiß nicht, dass sie mich soeben verloren hat. Ich habe nämlich keine Enkel und ich gebe mein Geld mit Vorliebe für Unnützes aus, wenn nicht gerade mein Arzt oder das Finanzamt vor mir zuschlagen.

„Na gut“, sage ich, „wo muss ich unterschreiben? Wir machen – sagen wir mal – Einhundert Euro im Monat!“ „Sie sind ein guter Mensch“, freut sich Nadine und umarmt mich kurz, aber herzlich. Nicht, dass ich das nicht wüsste! Niklas kramt ein Formular aus einem Pappkarton und reicht es mir mit einem GreenClimateChange-Kuli aus garantiert nicht abbaubarem Plastik. „Wenn Sie das dann bitte ausfüllen würden …“, bittet er mich im Ton eines Investmentbankers. Und ich befülle brav die Felder, ich bin Deutscher, ich kann Formulare ausfüllen. Nadine widmet sich derweil einem arglosen Alters- und Geschlechtsgenossen, der gerade des Wegs kommt, die treulose Bio-Tomate. Niklas, der augenscheinlich etwas schüchtern ist, sortiert derweil irgendwelche Broschüren in Kartons hinein und aus Kartons heraus. Ich gebe brav das ausgefüllte Formular ab und stecke den Kugelschreiber ein, weil man ja immer mal einen Kuli braucht und verabschiede mich, in dem frohen und glücklichen Bewusstsein, etwas für die Umwelt und die Nachwelt und Nadine getan zu haben.

Ich bin mir sicher, mein Nachbar hat sich wirklich über die Mitteilung von GreenClimateChange gefreut, dass von seinem Konto leider keine Abbuchung möglich ist, weil die IBAN-Nummer nicht stimmt. Und vielleicht hat er dabei ja auch an seine Enkel – und ganz vielleicht auch an mich gedacht. Danke, Nadine! 

(Weitere Falschangaben des Autors gibt es unter www.politticker.de )

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A. Ostrovsky / 20.10.2019

Tolle Geschichte, bis auf den Schluss mit dem Nachbarn. Wieso kann man der Betrügertruppe nicht einfach sagen, dass sie lügen? Wieso muss man da noch den Nachbar mit hineinziehen, auch wenn die IBAN falsch ist, so wird er doch dann mit Schreiben und Drohungen belästigt. Diese kriminell durchorganisierten Klimabetrüger haben doch bestimmt auch einen psychopathischen Winkeladvokaten an der Hand, der zwar im Unrecht ist und die Gesetze freihändig auslegt, aber nicht abzuschütteln ist, wenn er sich festgebissen hat. Ist das so, wenn Ganoven auf ein Schlitzohr treffen, dass sie dann immer gemeinschaftlich einen Dritten, einen Arglosen belästigen müssen? Die Gschichte mag zwar eine von Relotius’ Unveröffentlichten sein, aber schon diese Idee zu veröffentlichen, die dann wieder einem gesellschaftlich isolierten Gamer als Motivation dienen könnte, kann ich nur verurteilen. Mal selbst an die Nase fassen! Und dann fehlt mir die entscheidende Frage. Wo sollen die Bäume gepflanzt werden? In privaten Vorgärten? Man kann in Deutschland nicht einfach irgendwo Bäume pflanzen, weil es dazu ein Grundstück braucht und der Grundbesitz ist in Deutschland vollständig aufgeteilt. Da wäre nur noch der Truppenübungsplatz der Bundeswehr frei, wo sie gelegentlich unlöschbare Moorbrände veranstalten. Ansonsten sitzen alle Grundbesitzer auf ihren Grundstücken. Die Bundesgrundstücke sind ja erst mit großem Aufwand abgeholzt worden, nur ein paar gemeindefreie Gebiete im Süden sind von Wald bedeckt, aber da muss auch nicht gepflanzt werden. Die Grünanlagenverwaltung einer Millionenstadt wird nach zähen Verhandlungen vielleicht die Pflanzung von 50 Bäumen erlauben. Damit kann der fehlende Baumbestand, der seit 100 Jahren eine Ursache für steigende CO2-Konzentrationen ist, nicht ersetzt werden. Es ist WIEDER Staatsversagen!

Karl Dreher / 20.10.2019

Dieser großartige Sprachwitz, dieser herrliche Humor ... und inhaltlich so vortrefflich zugespitzt formuliert. Wenn es die Seite achgut.com nicht bereits gäbe, man müßte sie sofort erfinden.

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