Herbert Ammon, Gastautor / 20.06.2019 / 17:00 / Foto: Scott Lynch / 10 / Seite ausdrucken

Im Angesicht der Wohlfühlapokalpyse 

Wir Kinder der Aufklärung leben befreit von Sündennot und Höllenangst, wenngleich trotz allerlei Exit-Programmen noch keineswegs befreit von Tod und Todesangst. Doch mit Umweltaktivismus, Urlaubsfreuden und Fitnesstraining gelingt es den von kontinuierlich steigender Lebenserwartung beglückten älteren Generationen, das heißt den Alt-Achtundsechzigern und Post-Achtundsechzigern, das hässliche Bild des Sensenmannes aus dem Bewusstsein weitgehend fernzuhalten. Das gelingt am besten, wenn man sich auch als bereits älteres Semester für Greenpeace, Seawatch oder das ewig gleiche grüne Kirchentagsprogramm begeistert.

In dieser Melange der Empfindungen kommt im Gleichklang mit deutschen Schuldgefühlen das schlechte Gewissen, das säkularisierte Sündenbewusstsein wieder zur Geltung. Wieviel Plastik- und/oder Aluminiumumhüllungen habe ich heute beim Einkauf von Käse, Bio-Joghurt, dazu gar noch Schinken, in Kauf genommen? Auf dem Markt sind die Viktualien teurer, die Möhren werden aber noch in Papiertüten verpackt. Warum fahre ich nach Usedom noch immer mit meinem Mittelklasse-Benziner statt mit einem brandneuen, hoch subventionierten, mit Lithium-Batterien bestückten E-Mobil? Wie hoch ist mein täglicher Kommunikationsbedarf, wieviel Energie verbraucht der Akku meines mit Coltan gefertigten Smartphones?

Getragen von derlei seelischer  Grundstimmung überstehen die in der Leistungsgesellschaft überflüssigen Alten (= Senioren) sozialradikal-libertäre Attacken gegen ihre staatsfinanzierte Drohnenexistenz, vermeiden ungute Einsamkeitsgefühle und finden Anschluss bei der fridays for future schulstreikenden Jugend. Die Jungen und die Alten, Politiker (f/m/n) und Pastoren (f/m/n), Kirchenleute und Kirchenfeinde, Kinderlose und Alleinerziehende vereint die Angst vor der für 2050 angekündigten Klimaapokalypse. Um sie noch abzuwenden, muss man a) sich engagieren b) richtig wählen c) Opfer bringen.

Am Ende ein „klandestiner“ AfD-Sympathisant

Das soeben von Karin Göring-Eckardt, als unvollendete Theologin wissenschaftlich ausgewiesene Ökologin, vorgelegte 100-Milliarden-Programm zur deutschen Weltrettung und/oder zur Bewahrung der Schöpfung – Deiche, Offshore-Windparks, emissionsfreie Verkehrssysteme, Naturverschönerung durch Windmühlen und dergleichen – will finanziert sein. Auch die Bewahrung des Friedens – durch Modernisierung und Aufstockung der für weltweite peace enforcing missions zu europäisierenden Bundeswehr – wird am Ende mehr kosten als die von Trump und der NATO-Führung geforderten zwei Prozent des BIP. Im Hinblick auf die allseits herrschende Ungerechtigkeit und die Zukunft Afrikas sollte man auch wieder Enteignungskonzepte oder staatliche Schuldenexpansion in Betracht ziehen, auf jeden Fall jedoch CO2-Steuern erheben.

Wer sein Gewissen mit derlei Einsichten in die Notwendigkeit pflegt, gehört zu den Guten. In seinem Inneren amalgamiert die – von der Mehrheit der Klimaforscher wissenschaftlich, von Papst Franziskus mehr theologisch – vermittelte Angst vor der zum Glück erst auf 2050 angesetzten Apokalypse mit der Überzeugung, über höhere Moral zu verfügen als die Klimaskeptiker, erst recht die Klimaleugner. Ein besseres Gewissen zu haben, ist also keine Todsünde mehr wie ehedem der Hochmut (superbia), sondern ein erlaubtes Wohlgefühl.

Wer – unter Verweis auf ausgebliebene Prophetien oder auf den jüngsten NASA-Bericht von den wieder wachsenden Gletschern auf Grönland und in der Antarktis –  Zweifel an den Weltuntergangsszenarien hegt, verdient die Verachtung der Rechtgläubigen. Zu recht begleitet ihn der Verdacht. Denn er gehört zu den Ungläubigen, er allein – nicht die gläubige Mehrheit – ist ein Sünder gegen den Geist der Wahrheit. Am Ende handelt es sich gar um einen "klandestinen" AfD-Sympathisanten. Auf den Verdächtigen – dies die Erfahrung der Geschichte – wartet die Guillotine. Immerhin hat auch ihm – sowie allgemein den verdächtigen, ungeliebten "Ossi" – jüngst der einstige "ostdeutsche" Pastor und vormalige Bundespräsident Joachim Gauck partielle Absolution erteilt.  

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Leserpost

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Peter Wichmann / 20.06.2019

„Getragen von derlei seelischer Grundstimmung überstehen die in der Leistungsgesellschaft überflüssigen Alten … sozialradikal-libertäre Attacken gegen ihre staatsfinanzierte Drohnenexistenz „—-  Finde den Fehler! Genau, der Begriff ´Leistungsgesellschaft´. Hatten wir tatsächlich einmal, die Älteren können sich noch erinnern. Jetzt richtig: Garantiertes-Grundeinkommen- und Quotengesellschaft. Wo, werter Herr Ammon, sehen Sie da noch die ´Leistung´?

Leo Hohensee / 20.06.2019

Bei diesem meinem Kommentar ist mir echt unwohl; eigentlich bin ich Christ und ich glaube daran, dass es ohne einen Gott nicht geht, aber ich glaube auch daran, dass der - “der sich die Erde untertan macht” -  Sinn und Verstand walten lassen muss! Was aber “durchgedrückt” wird, sind sinnverdrehende Ideologien. Blödsinnige Versprechungen, bloß weil sie aus der Partei mit dem “C” kommen, sind auch nichts als blödsinnig! “Dumpf trabt die Masse - stört sie nicht !” An anderer Stelle, an der ich meine Meinung unter meinem vollen Namen abgegeben habe, hat eine “vornehmlich” weibliche Person meinen Beitrag pervertiert indem sie angab, mich als irgendjemand anders “enttarnt” zu haben. Ich sehe keine Hoffnung mehr.

Karsten Dörre / 20.06.2019

Natürlich werden keine Kreuzzüge gegen den ungläubigen Islam herbeigesehnt sondern der neue christliche (und säkulare) Glaube, Mensch sei das schrecklichste Ungeheuer auf Erden und muss asketische Buße tun durch z.B. energische Bemühungen den magnetischen Nordpol nicht weiter wandern zu lassen, Wetteränderungen nicht zuzulassen oder Vulkanausbrüche und Seebeben zu verhindern. Diese Bemühungen sind weitestgehend durch Vegetarismus, Schulstreik und Plastikvermeidung erfolgreich. Derzeit kann man den überinformierten Menschen jeden Mumpitz verkaufen. Der Markt floriert und ergänzt sich ausgezeichnet.

Rolf Lindner / 20.06.2019

Hurra! Jetzt weiß ich, was ich bin - ich bin ein uneinsichtiger Schlechtmensch.

Sabine Lotus / 20.06.2019

Jebb, dazu hier ein schönes Halbzitat zum Thema Religion: Des Rätsels Lösung ist nicht, dem Menschen die Religion zu nehmen. Nimmt man dem Menschen die Religion, glaubt er minichten an Nichts. Nimm dem Menschen die Religion, dann er glaubt einfach an allen möglichen Unsinn.

Rudi Knoth / 20.06.2019

Mein Einwurf ist: Ist nicht in der “Friday for Future” Bewegung die “alten Männer” nicht das Feindbild? Also weshalb soll für ältere Menschen diese Bewegung dann attraktiv sein?

Dr. Gerhard Giesemann / 20.06.2019

Gilletine find’ ich gut: Kein Siechtum im Alter, der Karren fährt durch die johlende Masse, “Rübe ab!” und Scheiße sprach der König, aber das Volk jubelte. Ein großartiger Abgang. Vielleicht doch besser als die Schächtung durch den Moslem, mit dem Ergebnis: “Le sourire des Bérbères”, das Lächeln der Berber. Wenn dir einer einen Schnitt versetzt vom linken(!) Ohr zum rechten, unterhalb der Kinnlade, dann sieht das von Weitem betrachtet wohl aus wie ein freundliches Lächeln - bei genauerem Hinsehen jedoch eher wie ein breites Grinsen. (Albert Camus: “Létranger”). Dann mein Täubchen wirst du sehen ... .

Bernd Fischer / 20.06.2019

Ich möchte auch zum Kirchentag weil ich da auch als Heterosexueller Mann Vulven-Malen kann, und darf. Am liebsten von KGE. :-))

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