Dirk Maxeiner / 18.04.2018 / 06:29 / Foto: Pixabay / 22 / Seite ausdrucken

Im Auswärtigen Amt brennt das Klavier

Beim Amtsantritt des neuen Außenministers Heiko Maas Mitte März im Auswärtigen Amt (AA) trat auch ein hochgewachsener Mann mit auffälligem Zopf ans Mikrofon. „Zähne zusammenbeißen kann er als Triathlet“, lobte Walter Lindner, Staatssekretär, „Legationsrat erster Klasse“ und Strippenzieher für seinen neuen Außenminister. Der Sozialdemokrat Lindner selbst gilt seit seiner Zeit als Sprecher von Joschka Fischer als diplomatische Allzweckwaffe und wegen seiner unkonventionellen Erscheinung als Liebling der Medien.

Er bemühe sich stets, den richtigen Ton zu treffen, berichtete einst der Spiegel, und belobigte ihn obendrein als „hochbegabten Musiker“ und „Allroundtalent“, er habe sogar schon zwei CDs aufgenommen. Der gelernte Flötist, Gitarrist und Pianist, so berichteten die Kollegen vom Stern, sei ein Mann „für jede Tonart“. Mit „Rucksack und Querflöte“ sei er um die Welt gereist, um dann zum Sprecher von Fischer aufzusteigen. Die Stationen von Lindners Karriere sind vielfältig, unter anderem war er Botschafter in Kenia, Somalia, Burundi, Seychellen, Venezuela und „Afrikadirektor des Auswärtigen Amtes“. Seine letzte Station als Botschafter war Südafrika, von wo ihn Sigmar Gabriel zurück nach Berlin holte, als einen von zwei neuen Staatssekretären im AA. „Im Auswärtigen Amt wird künftig mehr gelacht“, schrieb DIE WELT und erkannte in Lindner einen Mann „nicht nur mit Gestaltungswillen, sondern auch Sinn für Musik“.

Der Tagesspiegel berichtete über Lindner, der Mitte 2015 seinen Dienst als deutscher Botschafter in Pretoria angetreten hatte, er habe sich dort eigentlich „auf eine längere Amtszeit“ eingestellt. Für diese These spricht auch eine Affäre, die möglicherweise nicht nur Lindners Sinn für Musik unterstreicht, sondern auch einen Sinn für vermögensbildende Maßnahmen.  

Ruchbar wurde die Geschichte, die mit dem Begriff „Flügel-Gate“ bildlich hübsch umschrieben werden kann, durch eine Prüfung des Bundesrechnungshofes der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Botschaft in Südafrika, deren vorläufiges Ergebnis kürzlich zugestellt wurde. Nach Unterlagen und Aussagen, die der Achse des Guten vorliegen, fällt darin im Zusammenhang mit dem Fall unter anderem das hässliche Wort „korruptionsgeneigte Strukturen“. Die Sache ist dazu angetan, die Harmonien im Ministerium des Heiko Maas ein wenig zu stören.

Das Schimmel-Schnäppchen

Der von den Prüfern beanstandete Kasus lässt sich wie folgt in Kürze beschreiben: Für die Residenz der deutschen Botschaft in Pretoria wurde im Jahr 2015 ein neuer Konzertflügel zu einem Preis von 52.767,01 Euro angeschafft. Der Kauf wurde sogleich nach Dienstantritt des neuen Botschafters und musikalischen Allroundtalents Walter Lindner betrieben. Das war insofern verwunderlich, als der alte Schimmel-Flügel regelmäßig gewartet und aufgearbeitet wurde und es laut Auskunft des vorherigen Botschafters keine Beanstandungen der Ausstattung der Botschaft und auch keine Klagen über die musikalische Qualität des Flügels gab. Der Neukauf scheint auch insofern etwas überambitioniert, als in den Jahren 2014, 2015 und 2016 nur jeweils ein Kammerkonzert in den entsprechenden Räumen gegeben worden sein soll.  

Noch merkwürdiger erscheint das Verfahren hinsichtlich des Verbleibs des alten Flügels. Er wurde „gegen Höchstgebot ausgesondert“, eine euphemistische Umschreibung für die Tatsache, dass der neue Botschafter Walter Lindner den noblen Schimmel-Flügel für den Schnäppchenpreis von 3.600 Euro privat erworben hat. Möglicherweise, so argwöhnen damit befasste Prüfer, habe der „die Neuanschaffung initiierende Botschafter ein persönliches Interesse an dieser Beschaffung gehabt“.

Es  verwundert kaum, dass die Rechtmäßigkeit dieses „Flügelaustausches“ bezweifelt wird und gegebenenfalls disziplinar-schadensersatzrechtliche Konsequenzen angemahnt werden. Die Prüfungsergebnisse sind zwar noch vorläufig,  angesichts der Aktenlage darf man aber auf Walter Lindners Erklärungen zu dem Fall gespannt sein. Auch die Tatsache, dass die entsprechende Abteilung des Auswärtigen Amtes gerade mal 24 Stunden brauchte, um den angeblichen Flügel-Bedarf über eine Summe von immerhin über 50.000 Euro zu genehmigen, ist den damit befassten Fachleuten unangenehm aufgefallen. So etwas begünstige, siehe oben, „korruptionsgeneigte Strukturen“. Das Pressereferat des AA sah sich bis gestern abend nicht in der Lage eine entsprechende Anfrage der „Achse des Guten“ zu beantworten, da mehrere Referate eingebunden werden müssten. Wir werden die Antwort veröffentlichen, sobald sie vorliegt.

Bis dahin ein kleiner Vorschlag zur Schadensbegrenzung, den ein Kenner des diplomatischen Betriebes auf Nachfrage äußerte: Falls der gegen Höchstgebot abhanden gekommene Schimmel-Flügel noch nicht mit dem Diplomatengepäck nach Deutschland gereist ist, könnte Staatssekretär Walter Lindner das leidige Piano an südafrikanische Musikschaffende spenden. Rückwirkend für 2015.  Man darf gespannt sein.

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Leserpost

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Bernhard Freiling / 18.04.2018

Wie meinte Thomas Rietzschel gestern? “Es gehört sich nicht vom Aussehen eines Menschen Rückschlüsse auf sein Wesen zu ziehen”.  Mag sein. Hier drängt sich der Verdacht auf, daß die Amtsführung des damaligen Herrn Botschafters durchaus seinem “locker-flockigen” Aussehen entsprochen haben könnte.

B.Kröger / 18.04.2018

Herr Walter Lindner, ” Staatssekretär, „Legationsrat erster Klasse“ und Strippenzieher” und Triathlet scheint eben hoch ambitioniert zu sein, in jeder Beziehung…

Nico Schmidt / 18.04.2018

Moin Herr Maxeiner, bei solchen Staatssekretären kann einem ja schwindelig werden. Mal schnell € 50.000 verjucken und weiter geht‘s! Die älteste Arbeiterpartei Deutschlands , inzwischen kommt sie allerdings ohne Arbeiter aus, sieht großzügig weg. Die Inflation ist ja auch an der Menge der Staatssekretäre nicht spurlos vorbei gegangen. Ich hoffe, dass es wenigstens den einen oder anderen ehrlichen Staatssekretär dabei gibt. Was meinen Sie, wie das Finanzamt bei meiner kleinen Firma auf so einen Fall anspringen würde! Verdeckte Gewinnausschüttung wäre dann mein kleinstes Problem. MfG Nico Schmidt

Frank Holdergrün / 18.04.2018

Es kann nur von einer deutschen Schimmelstelle formuliert worden sein, die Umschreibung “korruptionsgeneigt”. Man ist geneigt, diese leichte Neigung zu vergeben und die Harmlosigkeit einzusehen, stehen Diplomaten doch außerhalb des deutschen Rechtssystems, immer im Kampf mit korruptionssattelfesten Regimen. Übertragen auf den Islam wäre der deutsche Amtsschimmel demnächst hoffentlich geneigt, so zu verleisebaren: eine intolerantsgeneigte Ideologie.

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