Gastautor / 21.09.2024 / 14:00 / Foto: U.S. Secretary of Defense / 4 / Seite ausdrucken

Irakische Medien decken Abhörskandal auf

Von Michael Rubin.

Viele arabische Führer agieren hinter einem Mantel der Verschwiegenheit. Im Irak wurde jetzt von Medien ein Abhörskandal aufgedeckt – ein prinzipiell gutes Zeichen.

Am 28. August 2024 deckten Journalisten einen Abhörskandal auf, den der irakische Geheimdienst offenbar vereitelt hatte. Die irakischen Sicherheitsbehörden nahmen sieben Verdächtige fest, von denen mehrere im direkten Büro von Premierminister Mohammed Shia al-Sudani (Foto oben) sowie im Geheimdienst tätig waren, den Sudani beaufsichtigt, da er es unterließ, einen unabhängigen Direktor zu ernennen. Zu den Festgenommenen gehören Mohammed Juhi, stellvertretender Generaldirektor für Personalangelegenheiten in Sudanis Büro, Generalleutnant Abdul Karim al-Sudani, Sudanis Militärsekretär, Sudanis Büroleiter Ihsan al-Awadi und Ahmed Ibrahim al-Sudani, Awadis Stellvertreter im Geheimdienst.

Sudanis Gegner behaupten, er habe nicht nur den Obersten Richter Faiq Zidan, sondern auch prominente Politiker und Rivalen bespitzelt. Sie forderten seinen Rücktritt. Sudanis innerer Kreis wies die Vorwürfe jedoch zurück. Am 6. September erklärte Fadi al-Shammari: „Das ist eine maßlose Lüge“ und argumentierte: „Alles, was in den letzten zwei Wochen geschehen ist, ist eine Übertreibung der Medien, die der Realität und der Wahrheit widerspricht.“ Shammari beschuldigte einen Helfer, der unter falschem Namen und unter verschiedenen Telefonnummern Akten von verschiedenen Regierungsbeamten angefordert habe.

Sollten die Vorwürfe zutreffen und Sudani persönlich darin verwickelt sein, wäre seine Amtsführung gefährdet. Er wäre nicht der erste irakische Premierminister, der zurücktritt. Adil Abdul-Mahdi trat nach nur anderthalb Jahren Amtszeit zurück, nachdem Sicherheitskräfte und irakische Milizen, die vom Korps der Islamischen Revolutionsgarden Irans korrumpiert worden waren, auf Demonstranten geschossen hatten, die sich über schlechte Regierungsdienste und Korruption aufgeregt hatten, wobei hunderte von Menschen getötet wurden.

Die Zeit wird zeigen, wie schlimm der Skandal ist

Sudani ist jedoch kein Abdul-Mahdi. Er glaubt nicht, dass Gewalt Kompetenz übertrumpft. Von allen irakischen Premierministern der Nachkriegszeit hat Sudani neben Haider al-Abadi, der von 2014 bis 2018 Premierminister war, die größte Kenntnis von Einzelheiten und der Funktionsweise der Regierung. Sudani sieht sich selbst eher als Technokrat und genoss vor dem Skandal in Bagdad den Ruf, sowohl kompetent als auch finanziell sauber zu sein. Damit steht er in scharfem Kontrast zu Nouri al-Maliki, der zwischen 2006 und 2014 Premierminister war und den die meisten Iraker mit Korruption und Sektierertum in Verbindung bringen, und zu Sudanis Vorgänger Mustafa al-Kadhimi, der den Irakern wegen Korruption in seinem unmittelbaren Amt und mangelndem Charisma in Erinnerung geblieben ist. Dies unterscheidet Sudani auch von allen anderen kurdischen Führern. Selbst Sudanis Kritiker loben seine Intelligenz, ein scharfer Kontrast zu Ibrahim al-Jaafari, Ministerpräsident in den Jahren 2005 und 2006, der Iraker und ausländische Beamte gleichermaßen mit seiner Neigung zum Wortklauberei verwirrte.

Letztendlich wird die Zeit zeigen, ob der Skandal so schlimm ist, wie Sudanis Kritiker, viele unter ihnen Parteigänger seines Vorgängers, behaupten. Auch wenn Sudani den Skandal überlebt, könnte er seine Chancen auf eine zweite Amtszeit beeinträchtigen. Diejenigen außerhalb des Irak, die die irakische Demokratie verunglimpfen, und die Amerikaner, die dazu neigen, den Irak nicht unter seinen eigenen Bedingungen zu betrachten, sondern eher als politischen Spielball, um vergangene politische Streitigkeiten neu zu beleuchten, sollten das Gesamtbild erkennen: Erstens hat die irakische Presse den Skandal aufgedeckt; den Nachbarländern des Irak – einschließlich des NATO-Mitglieds Türkei – fehlt die Schlagkraft der Presse in Bagdad, auch wenn es vielen irakischen Journalisten an Professionalität fehlt. Zweitens ist mehr als die Hälfte der Bevölkerung des Landes nach dem Krieg von 2003 geboren. Während viele arabische Staatsoberhäupter hinter einem Mantel der Verschwiegenheit agieren und ihre Bürger sich machtlos fühlen, wenn es darum geht, den Machtmissbrauch zu stoppen, den sie bei ihren Staatsoberhäuptern vermuten, toleriert die irakische politische Gesellschaft einen solchen Machtmissbrauch nicht mehr. Noch wichtiger ist, dass die Iraker das Gefühl haben, dass sie ihre Führer zur Verantwortung ziehen können.

Es ist unmöglich, einen Schalter umzulegen und langjährige Diktaturen über Nacht in Demokratien zu verwandeln. Der Wandel der politischen Kultur ist ein Generationenprojekt. Präsident George W. Bush hat die irakische Demokratie nicht geschaffen, sondern die Iraker selbst, auch wenn Bush ihnen den nötigen Freiraum zur Verwirklichung ihrer Ziele ließ. Im Nachhinein betrachtet hatten Bush und die verrufenen Neokonservativen aber vielleicht doch nicht so unrecht.

Dieser Beitrag erschien zuerst im Middle East Forum.

 

Michael Rubin ist Direktor für politische Analysen beim Middle East Forum und Senior Fellow am American Enterprise Institute.

Foto: U.S. Secretary of Defense via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Ralf Pöhling / 21.09.2024

Gibt’s hier in Deutschland auch. Sogar in viel größerem Umfang. Interessiert außerhalb des CCC bloß keinen und hat deshalb keine Folgen. Die meisten Deutschen gehen mit dem Überwachungsstaat absolut sorglos um. Weil sie sich gar nicht vorstellen können, dass sie permanent überwacht werden und auch deshalb gar nicht danach suchen. Dabei ist das halbe Land verwanzt. Stichworte: Smartphones, Alexa, Suchmaschinen, etc. Es hat schon einen Grund, warum die Amis immer so gegen die Chinesen und ihre Digitaltechnik wettern. Chinesische Technik liefert den Chinesen Daten und den Amis eben nicht mehr. Aber das ist noch nicht alles: Während unsere deutschen Dienste per Gesetz bei der Überwachung kastriert werden bis zum geht nicht mehr, interessiert das ausländische Dienste nicht die Bohne, denn die halten sich nicht an unsere Gesetze. Und noch was: Üblicherweise nutzen unsere deutschen Behörden Software aus dem Ausland für richterlich angeordnete Überwachungsmaßnahmen. Jede Software hat eine Backdoor. Wenn unsere Behörden also nach richterlichem Beschluss jemanden überwachen, hören die Softwarelieferanten bzw. die Geheimdienste aus deren Ländern immer mit. Ich werde seit über 10 Jahren illegal aus dem Ausland überwacht. Und was passiert dagegen? Nichts. Meine Persönlichkeitsrechte werden seit über 10 Jahren unter einem dummen Vorwand mit Füßen getreten. Und unsere Justiz bzw. unsere Behörden lassen es geschehen. Jetzt frage ich mich gerade, wenn ich als ersten auf Schadenersatz verklagen soll: Die ausländischen Dienste oder unsere Behörden und unsere Justiz. Schuldig daran sind beide. Aber vielleicht gehe ich auch einfach damit an die Öffentlichkeit, damit die Deutschen endlich mal was lernen und endlich Köpfe rollen.

Klaus Keller / 21.09.2024

Der Weg von Teheran nach Jerusalem führt über Kerbela, meinte Ajatollah Chohmeini als die Schiiten im Libanon in Not waren und der Iran kaum helfen konnte da er sich selber im Krieg gegen den Irak befand. Man muss Geduld haben. Der iranische Einfluss im Irak ist heute sehr viel größer als vor 30 Jahren. Dankenswerter Weise hatten ja die USA das Regime Saddam Husseins beseitigt. PS Und was ist mir dem Artikel, werden Sie fragen? Unbedeutend.

Boris Kotchoubey / 21.09.2024

Es gibt also Länder, in denen Journalisten den Politikern (auch den populären) aufmerksam auf die Finger schauen und Skandale aufdecken. Dabei hat der arme al-Sudani nicht mal eine Milliarde Impfdosen bestellt. Und schon schwinden seine Chancen auf Wiederwahl. In Europa unvorstellbar.

Walter Weimar / 21.09.2024

Was hören der Westen, explizit die USA, nicht ab?

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